Zucker und Süßstoffe: Besser weniger süß als Zucker-Ersatz
Zucker hat einen schlechten Ruf. Schließlich ist bekannt, dass der übermäßige Konsum zu gesundheitlichen Problemen wie Adipositas, Diabetes und Karies führt. Andererseits gilt die Kalorienbombe aber auch als ein geschmackvoller Bestandteil von Lebensmitteln. Einen Ausweg scheinen zunächst Süßungsmittel darzustellen. Doch ideal ist diese Alternative nicht.
Ein hoher Zuckerkonsum ist gesundheitsschädlich. Wer Zucker reduzieren möchte, nimmt am besten weniger zuckerhaltige Lebensmittel zu sich, schreibt die Universität Hohenheim in einer aktuellen Mitteilung. Zudem ist anzuraten, die eigene Süßpräferenz, also die Schwelle der Wahrnehmung für Süßes, zu senken. Süßungsmittel als Zuckerersatz stellen nur die zweitbeste Lösung dar – zumal es hier noch viele offene Fragen gibt, so die Ernährungsfachgesellschaft Society of Nutrition and Food Science (SNFS) mit Sitz an der Uni Hohenheim in Stuttgart.
Süßungsmittel können der Gesundheit schaden
„Um Zucker und seine Alternativen ranken sich viele Mythen, die bisweilen von den Fakten weit entfernt sind“, sagt Prof. Dr. Jan Frank, der als Ernährungswissenschaftler an der Universität Hohenheim und Vorsitzender der SNFS fungiert. „Auch Süßungsmittel sind gesundheitlich nicht unumstritten.“
Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen haben sogar Hinweise darauf geliefert, dass Süßstoffe der Gesundheit schaden und unter anderem das Diabetes-Risiko erhöhen können.
Und ein im Fachmagazin „Current Atherosclerosis Reports“ veröffentlichter Bericht von einem Forschungsteam um Professor Peter Clifton von der University of South Australia hat gezeigt, dass Menschen, die künstliche Süßungsmittel verwenden, mit größerer Wahrscheinlichkeit an Gewicht zunehmen und damit genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie erwarten.
Zuckerkonsum nicht per se schädlich
„Als Kernproblem beim Zuckerkonsum stellt sich – neben seiner Karies-fördernden Wirkung – die Kalorienzufuhr heraus“, erklärt Prof. em. Dr. Hannelore Daniel vom Lehrstuhl für Ernährungsphysiologie an der Technischen Universität München (TUM).
Die Produktgruppe der gesüßten Getränke ist der Expertin zufolge besonders problematisch. „Denn hiermit erfolgt die Kalorienzufuhr schnell und in großen Mengen, aber nur mit geringem Sättigungssignal.“
Zuckerkonsum sei aber nicht per se schädlich, so die Wissenschaftlerin weiter. „Die metabolischen Folgen des Konsums von Saccharose, Glucose und Fructose sind nur bei einer insgesamt hyperkalorischen Ernährungsweise zu belegen, wenn man also mehr Kalorien zu sich nimmt als man benötigt.“
Würden dagegen die Zucker isokalorisch bei bedarfsdeckender Kalorienzufuhr ausgetauscht – zum Beispiel gegen Fett mit ebenso viel Kalorien – gäbe es keine gesundheitsschädlichen Effekte.
Effekte von Zuckerersatzstoffen sind noch zu wenig erforscht
Laut PD Dr. Anne Christin Meyer-Gerspach vom St. Claraspital / St. Clara Forschung AG in Basel, sollte der übermäßige Konsum von Zucker grundsätzlich vermieden werden.
„Ein hoher Zuckerkonsum erweist sich als direkt gesundheitsschädigend für diverse Organsysteme und ist mitverantwortlich für Karies, Übergewicht, metabolisches Syndrom mit beeinträchtigter Glukosetoleranz bis zum Diabetes mellitus, Blutfettstörungen, Bluthochdruck, Leberverfettung und Herz-Kreislauferkrankungen. Ein Zuviel an Zucker stellt ein Risiko für unsere Gesundheit dar,“ erläutert Meyer-Gerspach.
Doch andererseits seien auch die Effekte von Zuckerersatzstoffen noch zu wenig erforscht: „Es fehlen zum Teil Humanstudien und insbesondere Langzeitstudien. Entscheidend ist aber, dass nicht alle Zuckeralternativen gleich wirken und hinsichtlich ihres Effekts auf beispielsweise den Stoffwechsel und die Darmgesundheit gesondert beurteilt werden müssen“, so die Expertin.
„Jede süß schmeckende Substanz besitzt ein einzigartiges Wirkprofil – es geht nun darum, den metabolen Effekt jeder einzelnen Substanz zu untersuchen. Nicht jede Substanz, die süß schmeckt, stellt sich automatisch als ungesundes Nahrungsmittel heraus. Es gibt sogar Substanzen, die zumindest im Tiermodell bei regelmäßigem Konsum positive Auswirkungen haben“, betont Dr. Meyer-Gerspach.
Vorliebe für süßen Geschmack abgewöhnen
Ein weiterer entscheidender Punkt bei Verbrauchenden bezieht sich auf die Gewöhnung an den süßen Geschmack, was eine große Nachfrage nach süßen Lebensmitteln hervorbringt: „Das Ziel muss sein, nicht nur den Zucker in der Nahrung zu reduzieren, sondern vor allem den Verbrauchern ihre Vorliebe für süßen Geschmack abzugewöhnen“, sagt PD Dr. Meyer-Gerspach.
Dann könne „man den Zucker mit einer breiten Palette von unterschiedlichen süß schmeckenden Substanzen ersetzen und dabei vermehrt auf natürlich vorkommende, gesündere Zuckerersatze wie Erythritol und Xylitol zurückgreifen.“
Dass dieser Weg nicht einfach ist, hat ein Hohenheimer Forschungsteam schon vor einigen Jahren festgestellt: Auf ein zu schnelles und zu deutliches Reduzieren des Zuckers reagieren die Geschmacksnerven negativ und signalisieren dem Körper, dass das Produkt nicht schmeckt, erklären die Fachleute in einer aktuellen Mitteilung. Daher nehmen die Menschen eine deutliche Reduktion der Geschmacksstoffe nicht an und müssen erst langsam und schrittweise daran gewöhnt werden.
Kohlenhydratgehalt wird nicht gesenkt
Wenn man den Zuckeranteil von Lebensmitteln reduzieren will, ohne den Süßgeschmack zu verringern, kann dies mit Süßungsmitteln wie Zuckeralkoholen oder Süßstoffen geschehen. Das hat aber Nachteile bei der Herstellung: Denn wenn Süßstoffe verwendet werden, sind die eingesetzten Mengen im Vergleich zu Zucker gering, weshalb die fehlende Menge im Rezept durch andere Zutaten ersetzt werden muss.
Bei Zuckeralkoholen besteht dieses Problem nicht: sie werden laut den Fachleuten mengenmäßig wie Zucker verwendet.
Hinzu kommen weitere Faktoren, wie Univ. Lektor Dipl. Ing. Alfred Mar, Präsident der Internationalen Gesellschaft für Getreidewissenschaft und -technologie – Austria (ICC-Austria) und Lehrbeauftragter an der Universität für Bodenkultur, Wien, am Beispiel von sogenannten „Feinen Backwaren“ erklärt.
So seien Süßungsmittel als Substrat für Hefe praktisch ungeeignet, das Gebäck bräunt nicht mehr so gut, aufgeschlagenes Eiweiß ist weniger stabil und die mikrobiologische Haltbarkeit verändert sich.
Zuckeralkohole hätten noch einen weiteren Nachteil: „Mehrwertige Alkohole senken zwar den Zuckergehalt, nicht jedoch den Kohlenhydratgehalt. Zuckeralkohole liefern, im Vergleich zu Zucker, nur etwa 60 Prozent der Energie.“
Hinzu komme ein lebensmittelrechtliches Problem: „Süßungsmittel sind lebensmittelrechtlich nur eingeschränkt auf ‚Feine Backwaren für besondere Ernährungsbedürfnisse‘ und mit geregelten Höchstmengen zu verwenden“, erläutert der Experte.
„Außerdem sind die Nährwerte der Ersatz-Zutaten mit einzukalkulieren. Insgesamt ermöglichen Zuckeralkohole und andere Süßungsmittel somit nur eine moderate Reduktion des Brennwertes von Lebensmitteln.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Hohenheim: Zucker und Süßungsmittel: Lieber weniger süß als Zucker-Ersatz, (Abruf: 08.02.2020), Universität Hohenheim
- Yoona Kim, Jennifer B. Keogh, Peter M. Clifton: Non-nutritive Sweeteners and Glycaemic Control; in: Current Atherosclerosis Reports, (veröffentlicht: 19.11.2019), Current Atherosclerosis Reports
- Universität Hohenheim: Zu salzig, zu süß, zu fett: EU-Projekt zu ungesunden Geschmacksstoffen in Nahrungsmitteln, (Abruf: 08.02.2020), Universität Hohenheim
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.