Grundsätzlich laufen viele Menschen eher Gefahr, zu wenig anstatt zu viel zu trinken. Doch manche trinken mehr als drei Liter täglich, was harmlose Gewohnheit, aber auch die Folge einer seltenen Hormonstörung sein kann. Hier bedarf es einer zuverlässigen Diagnose, um gefährliche Verwechslungen zu vermeiden.
Hinter der extrem hohen täglichen Flüssigkeitsaufnahme kann in seltenen Fällen ein Mangel des Hormon Vasopressin stecken, wobei es wichtig ist, dies von den „harmlosen“ Ursachen des literweise Trinkens abzugrenzen, berichtet die Universität Basel.
Wie viel müssen wir trinken?
Täglich sollten dem Körper rund 2,5 Liter Wasser zugeführt werden, wobei allerdings bereits ein gewisser Anteil in der festen Nahrung steckt, so dass laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) lediglich rund 1,5 Liter über Getränke aufgenommen werden müssen.
Bei manchen Menschen wird es jedoch mit der Zeit zur Gewohnheit, täglich mehr als drei Liter Flüssigkeit aufzunehmen, erläutern die Fachleute der Universität Basel. Auch könne eine solch hohe Trinkmenge Begleiterscheinung einer psychischen Krankheit sein.
Hormonmangel als Auslöser?
Nicht zuletzt sei in seltenen Fällen ein Defizit an Vasopressin Auslöser der überhöhten Flüssigkeitsaufnahme. Das Hormon der Hirnanhangdrüse steuere über Vasopressin den Wasser- und Salzgehalt im Körper und Personen mit Vasopressin-Defizit seien nicht in der Lage, den Urin zu konzentrieren.
Vasopressin veranlasst die Nieren dazu, vermehrt Wasser aus dem Harn zurückzugewinnen, weshalb es auch als antidiuretisches Hormon bezeichnet wird. Bei einem Vasopressin-Mangel verlieren Betroffene große Mengen an Flüssigkeit und verspüren ein starkes Durstgefühl.
Um angemessene Gegenmaßnahmen zu ergreifen und dabei die Gesundheit der Betroffenen nicht zu gefährden, ist eine eindeutige Unterscheidung zwischen „harmlosen“ Ursachen der hohen Flüssigkeitsaufnahme und einem Vasopressin-Defizit äußerst wichtig, betonen die Fachleute der Universität Basel.
Die beiden Forschungsgruppenleiterinnen Prof. Dr. Mirjam Christ-Crain und Dr. Julie Refardt von der Universität Basel haben sich in den vergangenen Jahren intensiv mit Testmethoden zur Diagnose des Vasopressin-Defizits befasst, wobei ein Test zum Beispiel die Vasopressin-Ausschüttung mittels einer Salzinfusion stimuliert.
Der Test gilt als sehr zuverlässig, allerdings bedarf es wegen des starken Salzanstiegs einer ständigen Überwachung und es sind halbstündliche Salzmessungen im Blut der Patientinnen und Patienten notwendig, erklärt Prof. Christ-Crain.
Daneben könne auch ein stark vereinfachter und verträglicherer Test mittels Arginin-Infusion zur Diagnosestellung dienen, da Arginin ebenfalls die Ausschüttung von Vasopressin stimuliere.
Vergleich der Diagnosetests
In einer aktuellen Studie mit 158 Teilnehmenden haben die Forschenden nun in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team die beiden Tests direkt miteinander verglichen und die Ergebnisse im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.
Die Studie zeigt, dass mittels Salzinfusion über 95 Prozent der Patientinnen und Patienten richtig diagnostiziert werden konnten, wohingegen der Test mittels Arginin-Infusion nur in knapp 75 Prozent der Fälle zur richtigen Diagnose führte, berichten die Forschenden.
So ist angesichts dieser Ergebnisse der Salzinfusions-Test als Goldstandard für eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Polydipsie und Vasopressin-Defizit zu empfehlen, resümiert Dr. Refardt.
Wird bei dem Test kein Vasopressin-Defizit festgestellt, könne eine verhaltenstherapeutische Behandlung erfolgen, mit dem Ziel, die Trinkmenge langsam zu reduzieren. Bei einem Vasopressin-Defizit werde hingegen das Hormon Vasopressin verabreicht, was bei fälschlicher Diagnose jedoch zu einer lebensbedrohlichen Wasservergiftung führen könne. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Wasser (Stand 20.11.2023), dge.de
- Julie Refardt, Cihan Atila, Irina Chifu, Emanuele Ferrante, Zoran Erlic, Juliana B. Drummond, Rita Indirli, Roosmarijn C. Drexhage, Clara O. Sailer, Andrea Widmer, Susan Felder, Andrew S. Powlson, Nina Hutter, Deborah R. Vogt, Mark Gurnell, Beatriz S. Soares, Johannes Hofland, Felix Beuschlein, Martin Fassnacht, Bettina Winzeler, Mirjam Christ-Crain: Arginine or Hypertonic Saline–Stimulated Copeptin to Diagnose AVP Deficiency; in: New England Journal of Medicine (veröffentlicht 16.11.2023), nejm.org
- Universität Basel: Übermässiges Trinken: Gewohnheit oder Hormonstörung? (veröffentlicht 16.11.2023), unibas.ch
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.