Umstrittenes Medikament soll HIV vorbeugen
19.07.2012
Auch nach der Zulassung des HIV-Präventionsmittels Truvada in den USA bleibt das Präparat weiterhin umstritten. Während Befürworter wie Margaret Hamburg von der US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA von einem „Meilenstein im Kampf gegen HIV“ sprechen, verweisen die Kritiker auf die Schwächen dieser vorbeugenden Therapie. Anwender würden sich in falscher Sicherheit wiegen, die Viren könnten Resistenzen entwickeln und die Kosten seien deutlich zu hoch.
Das in den USA neu zugelassene HIV-Medikament Truvada des US-Pharmaunternehmens Gilead Sciences soll das Risiko einer HIV-Infektion beim Geschlechtsverkehr mit HIV-positiven Personen deutlich reduzieren. Gesunden Menschen, die in einer Partnerschaft mit HIV-Infizierten leben, wird daher in den USA in Zukunft die vorbeugende Einnahme von Truvada empfohlen. Das Präventionsmittel ist jedoch keinesfalls ein Ersatz für Kondome, sondern verbessert lediglich bei gleichzeitiger Anwendung den Infektionsschutz, so die Mitteilung der US-Behörde anlässlich der offiziellen Zulassung von Truvada. Da die Studiendaten zum Nutzen und Risiko des HIV-Präventionsmittels bislang nicht vollständig sind, die Kosten relativ hoch liegen und die Entwicklung von Resistenzen bei den HI-Viren befürchtet wird, kommt jedoch von vielen Seiten massive Kritik an der Zulassung des umstrittenen Präparates.
Bei hohem Infektionsrisiko HIV-Präventionsmittel einnehmen?
Personen mit hohem Infektionsrisiko können in den USA künftig einmal täglich das HIV-Präventionsmittel Truvada einnehmen und auf diese Weise einen vorbeugenden Schutz vor HIV aufbauen – so zumindest die Theorie. Ihre Zulassung des Präparates begründete die US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA im wesentlich mit zwei Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass Truvada sowohl für heterosexuelle als auch für homosexuelle Menschen das Risiko der HIV-Infektion maßgeblich reduziert. Bei heterosexuellen Paaren, in denen ein Partner HIV-positiv war, hatte eine der klinischen Studien eine Reduzierung des Infektionsrisikos für die gesunden Partner um 75 Prozent gezeigt. In der anderen Studie sank das Infektionsrisiko von Homosexuellen nach der Einnahme von Truvada um 73 Prozent. Grund genug für die FDA-Expertin Margaret Hamburg, um die Zulassung von Truvada als „Meilenstein im Kampf gegen HIV“ zu bezeichnen. Zuvor wurde Truvada bereits Personen mit positiver HIV-Diagnose im Rahmen einer Kombinationstherapie verschrieben, die nun in den USA zugelassene vorbeugende Einnahme ist indes ein Novum.
Risiken bei dem HIV-Präventionsmittel Truvada
Doch zahlreiche Fragen bleiben bei dem HIV-Präventionsmittel offen und die Ergebnisse weiterer Studien werden erst in einigen Monaten erwartet. Die bisherigen Studiendaten reichen laut Aussage der Kritiker nicht aus, um die Wirkungsweise der Pille – insbesondere im weiblichen Organismus – abschließend zu beurteilen. Zudem bestehe die Gefahr, dass Anwender sich durch die Einnahme derartiger Arzneimittel in falscher Sicherheit wiegen könnten. Auch haben einige Ärzte bereits die Sorge geäußert, dass die HI-Viren gegen Truvada Resistenzen entwickeln könnten. Des weiteren zeigten die bisherigen Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft im Kampf gegen Aids in den vergangenen Jahren auch ohne derartige Präparate durchaus Wirkung. So erklärte der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im Vorwort zu dem aktuellen Report des HIV/Aids-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS), „es gibt eine reale Chance, Neuinfektionen von Kindern in den kommenden drei Jahren auszumerzen.“ Auch für die HIV-Neuinfektionen insgesamt, welche in den vergangenen zehn Jahren bereits um 20 Prozent gesunken waren, wird in dem UNAIDS-Report ein weiterer Rückgang erwartet.
Überflüssiger oder nützliches HIV-Medikament?
So stellt sich die Frage, ob die vorbeugende Einnahme von Truvada tatsächlich zur Eindämmung von HIV benötigt wird. Zumal an der Verhütung mit Kondomen ohnehin kein Weg vorbei führt und Truvada lediglich ergänzend eingesetzt werden kann. Auch die dauerhafte medikamentöse Versorgung gesunder Menschen mag zwar für den Hersteller der Arzneimittel ein durchaus lukratives Geschäft sein, wird jedoch von Kritikern scharf bemängelt. Nicht nur da unter Umständen erhebliche Nebenwirkungen drohen, sondern auch weil bei Truvada mit circa 1.000 Euro monatlich relativ hohe Kosten anfallen. So wird die angekündigte Zulassung von Truvada als HIV-Präventionsmittel sicher auch auf der 19. Internationalen Aids-Konferenz in Washington Thema unter den erwarteten rund 25.000 Teilnehmern sein. (fp)
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