Unentdeckter Schmerzauslöser: Sieben Fragen rund um das Iliosakralgelenk
Circa 90 Prozent der Deutschen kennen dieses plagende Phänomen: Rückenschmerzen. Doch bei jedem fünften Betroffenen bleiben die Ursprünge der Beschwerden unerkannt, da diese nicht im Rücken, sondern im Iliosakralgelenk (ISG) liegen. Prof. Dr. Jürgen Harms, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Experte für Wirbelsäulenchirurgie in Heidelberg, klärt die wichtigsten Fragen rund um das oftmals unterschätzte Gelenk.
Inhaltsverzeichnis
Welche Aufgaben erfüllt das ISG?
Das Iliosakralgelenk verbindet das Kreuz- mit dem Darmbein und stellt eine Art Brücke zwischen Wirbelsäule und Beinachse dar. Es bildet die Schnittstelle bei der Kraftübertragung zwischen Ober- und Unterkörper und trägt somit maßgeblich zur Stabilität des Körpers bei.
Warum bleibt das ISG als Schmerzauslöser häufig unerkannt?
Bei Schmerzen im unteren Rücken vermuten Patienten und Mediziner meist einen Bandscheibenvorfall. Dessen Symptome ähneln sehr einer ISG-Blockade, daher kommt es häufig zu falschen Diagnosen und in der Folge zu fehlerhaften Behandlungen.
Was sind die häufigsten Ursachen für ISG-Beschwerden?
Zerrungen, Verhebungen, Fehltritte oder Stürze auf das Gesäß zählen zu den häufigsten Auslösern. Solch eine Unachtsamkeit bringt das stabile Korsett aus Bändern, Sehnen und Muskeln aus dem Gleichgewicht. Als Folge verkantet sich das Gelenk und blockiert schmerzhaft. Auch Beckenfehlstellungen können langfristig zu Problemen führen.
Gibt es Personen, die für das ISG-Syndrom besonders anfällig sind?
Menschen mit leichten Fehlstellungen in der Hüfte oder unterschiedlichen Beinlängen belasten bei jeder Bewegung das ISG. Bei besonderer Beanspruchung, beispielsweise beim Sport, verschieben sich plötzlich die Gelenkflächen und lösen Schmerzen aus. Daneben stellen Schwangere eine Risikogruppe dar. Während und nach der Schwangerschaft sorgen bestimmte Hormone für eine Lockerung des Bandapparats, was ebenso eine Blockade der beiden Gelenkplatten hervorrufen kann. Darüber hinaus gelten auch ältere Menschen als besonders gefährdet, da sich altersbedingte Verschleißerscheinungen, beispielsweise Arthrose, negativ auf das ISG ausüben.
Wie kann ein ISG-Syndrom festgestellt werden?
Bei ziehenden Schmerzen im unteren Rücken gibt es viele potenzielle Ursachen. Nehmen die Beschwerden zu, sobald sich Betroffene nach vorn beugen oder den Schneidersitz einnehmen, kommt das ISG als Quelle infrage. Später fallen selbst einfachste Bewegungsabläufe wie Treppensteigen oder Schuheanziehen immer schwerer. Eine richtige Diagnose erhalten Patienten jedoch nur beim Arzt. Dieser führt eine gründliche Anamnese durch und kann mithilfe sogenannter Provokationstests und einer Schmerzmittelinjektion direkt in das Gelenk die Ursache erkennen.
Wie lassen sich Schmerzen im ISG behandeln?
Zunächst kommen konservative Therapien zum Einsatz. Sollten leichte Schmerzmittel, Wärmeanwendungen oder eine Infiltrationstherapie in Kombination mit einer Physiotherapie zum Muskelaufbau keinerlei Besserungen hervorrufen, wird die Radiofrequenz-Thermokoagulation angewendet. Diese verödet dauerstrapazierte Nerven. Erst wenn diese Methoden ausgeschöpft sind, greifen Mediziner heutzutage auf moderne Dreiecksimplantate zurück. Die sogenannten iFuse-Implantate geben dem Gelenk neuen Halt.
Wie hoch sind die Chancen auf einen normalen Alltag nach der Operation?
Früher griffen Ärzte auf spezielle Schraubsysteme zurück, um das Iliosakralgelenk zu stabilisieren. Da diese Methode in vielen Fällen jedoch erfolglos blieb, nutzt die moderne Medizin die dreieckigen iFuse-Implantate. Diese verwachsen dank einer speziellen porösen Oberflächenbeschichtung innerhalb von drei bis sechs Wochen mit dem umliegenden Knochen. Patienten nehmen bereits unmittelbar nach dem Eingriff erste Erfolge wahr und kehren bald darauf beschwerdefrei in ihren Alltag zurück. Sowohl gesetzliche als auch private Krankenkassen übernehmen die Kosten für diese Behandlung.(sb/pm)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.