Schlafstörungen: Tipps für Nacharbeit-Beschäftigte
02.07.2014
Ärzte, Barkeeper, Nachtwächter: Viele von ihnen haben mit Schlafstörungen zu kämpfen. Jeder elfte Beschäftigte in Deutschland arbeitet nachts. Schicht- und Nachtarbeit sorgen nicht nur für schlechten Schlaf, sondern haben auch soziale Auswirkungen. Mitarbeiter sollten einige Tipps und Tricks beachten, um die gesundheitlichen Folgen zu mindern.
Jeder elfte Beschäftigte arbeitet nachts
Jeder elfte Arbeitnehmer (9,2 Prozent) in Deutschland arbeitete 2012 laut Zahlen des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) nachts. Mit elf Prozent machten dies Männer im Vergleich zu den Frauen mit sechs Prozent deutlich häufiger. Zur Nachtarbeit zählen nach dem Arbeitszeitgesetz alle Tätigkeiten, die mindestens zwei Stunden lang zwischen 23.00 Uhr und 06.00 Uhr verrichtet werden. Es ist dabei egal, ob Angestellte am Fließband stehen, Streife fahren oder einen Blinddarm operieren: „Schichtarbeit ist nie wirklich gesund“, sagte Psychologin Hiltraut Paridon von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa. „Unser Körper ist nicht dafür gemacht, nachts zu arbeiten.“ Auch wenn es Menschen gebe, die mit der Nachtschicht besser klarkommen als andere, sollte niemand auf Dauer nur nachts arbeiten.
Viele haben Probleme mit dem Einschlafen
Viele der Körperfunktionen schwanken in einem 24-Stunden-Rhythmus. So wird das Schlafhormon Melatonin in verschiedenen Mengen ausgeschüttet – tagsüber weniger, nachts mehr. Dieser Rhythmus kommt durcheinander, wenn Beschäftigte in der Nacht arbeiten. „Viele Menschen leiden unter Schlafstörungen, sie haben Probleme mit dem Einschlafen nach der Schicht oder können nicht durchschlafen“, so Paridon. Auch der 38-jährige Oberarzt an der Klinik in Mühldorf am Inn, Christian Umschlag, brauchte in seiner Zeit als Assistenzarbeit nach einer Woche Nachtschicht vor allem eins: Schlaf. Auch wenn er diese Nachtschichten mittlerweile nicht mehr schieben muss, so hat er neben seinen Diensten auch Bereitschaften, die 24 Stunden dauern und bei denen er zu jeder Tages- und Nachtzeit in die Klinik muss, wenn es ein Notfall verlangt. „Das ist nicht minder anstrengend, weil man immer damit rechnet, dass das Telefon klingelt“, so der Chirurg. Doch nicht nur Ärzte und Klinikpersonal arbeiten regelmäßig Nachtschichten, auch Polizisten, Bahnmitarbeiter und Angestellte im produzierenden Gewerbe sind im Einsatz, wenn es draußen dunkel ist. „Auch Mitarbeiter in Callcentern arbeiten zunehmend rund um die Uhr“, so Paridon.
Schichtarbeiter leben im Durchschnitt ungesünder
Mit Schichtarbeit werden auch eine Reihe von Krankheiten assoziiert, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Probleme mit dem Verdauungssystem. Paridon sagte dazu: „Schichtarbeiter ernähren sich im Durchschnitt ungesünder, rauchen mehr und machen weniger Sport.“ US-Forscher der Vanderbilt University in Nashville haben im vergangenen Jahr in einer Studie herausgefunden, dass bestimmte Arbeitsweisen wie Schichtarbeit und zu wenig Schlaf die Stoffwechselerkrankung Diabetes begünstigen. Zudem zeigten frühere Untersuchungen, dass Menschen, die unter Schlafstörungen leiden, etwa weil sie ständig in der Nacht arbeiten, auch zu Übergewicht und Bluthochdruck neigen. Mit Nacharbeit wird zudem ein erhöhtes Krebsrisiko in Verbindung gebracht. Um nicht zu oft auf Schokoriegel oder ähnlich Ungesundes zurückzugreifen, sollten sich Beschäftigte etwas Gesundes von zu Hause zur Arbeit mitbringen. Zudem sollten sie sich um ein regelmäßiges Sportprogramm in ihrer Freizeit bemühen.
Nächtliche Arbeitszeiten können zu sozialer Isolation führen
Neben dem Körper werde oft auch die Seele in Mitleidenschaft gezogen. Psychologie-Professor und Vorsitzender der Gesellschaft für Arbeits-, Wirtschafts- und Organisationspsychologische Forschung (GAWO) in Oldenburg Friedhelm Nachreiner erläuterte: „Die sozialen Kontakte werden durch die Schichtarbeit beeinflusst.“ Die ungewöhnlichen Arbeitszeiten könnten schlimmstenfalls zur sozialen Isolation führen. Wenn Schichtarbeiter morgens ins Bett gehen, fängt um sie herum das Leben an. Darum sollten sie sich bemühen, nach einem festen Rhythmus zu leben, etwa indem sie sich regelmäßig mit Freunden und Familie zum Essen oder zu gelegentlichen Ausflügen verabreden. Schichtarbeiter sollten sich die Tage, die sie zum Ausruhen brauchen, keinesfalls mit Arbeit überfrachten, beispielsweise damit, tagtäglich den Hausbau voranzutreiben oder an einem Tag sämtliche Behördengänge zu erledigen. „Das ist nicht nur anstrengend, sondern das Unfallrisiko steigt enorm“, so Paridon. Auch wenn der Körper zwischen 02.00 und 04.00 Uhr seinen Leistungstiefpunkt hat, kann er zum Morgen wieder aufdrehen. Trotzdem sollten Nachtarbeiter darauf achten, dass sie ausreichend Schlaf nach ihrer Schicht bekommen.
Mit Hilfe von Ritualen zur Ruhe kommen
Dabei sei es typabhängig, wann man schlafen geht. Manche machen dies unmittelbar nach getaner Arbeit, andere wiederum brauchen erst eine Weile, um die Anspannung abzubauen. Dabei können Rituale helfen, zur Ruhe zu kommen. Paridon erläuterte: „Ob das ein Tee ist, eine Weile die Zeitung zu lesen oder unter die Dusche zu gehen, muss jeder für sich selbst herausfinden.“ Manche Menschen schwören auf Entspannungsübungen wie Yoga oder Autogenes Training. Grundsätzlich wichtig für einen erholsamen Schlaf seien eine ruhige Umwelt sowie dunkle Vorhänge. „Auf gar keinen Fall sollte man regelmäßig zu Schlafmitteln greifen.“ Berufstätige gewöhnten sich an die Medikamente und gerieten in psychische Abhängigkeiten. In der Naturheilkunde haben sich einige Schlafhilfen bewährt, wie etwa Baldrianextrakte allein oder in Kombination mit Hopfen, Melisse und Passionsblume. Diese Mittel haben sich in einer großen Anzahl von klinischen Studien als eine Alternative zu den riskanten synthetischen Hypnotika und Sedativa erwiesen. Der Mediziner Christian Umschlag setzt der Anspannung im Job bewusste Entspannung entgegen und hat mit einem festen Sportprogramm begonnen. Er kann mit seinen Schichten ganz gut leben und meinte: „Sie gehören schließlich zu meinem Beruf.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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