Uniklinik Mannheim: Mangelnde Hygiene gefährdete tausende Patienten?
Am Uniklinikum Mannheim wurden offenbar jahrelang Hygienevorschriften missachtet. Berichten zufolge sind unter anderem unsaubere Bestecke wie Skalpelle bei Operationen zum Einsatz gekommen. Infektionen bei tausenden Patienten wurden in Kauf genommen. Der Fall weitet sich zu einem riesigen Hygieneskandal aus.
Akte mit Infektionsdaten könnte für Klinik teuer werden
Bereits sei über einem Jahr wird über unhygienische Zustände im Klinikum Mannheim berichtet. Der Geschäftsführer der Uniklinik, Alfred Dänzer, war im Oktober 2014 zurückgetreten. Der Skandal um missachtete Hygienegesetze und verdreckte OP-Bestecke wie Skalpelle schlägt immer größere Wellen. Als Konsequenz aus dem Hygieneskandal hatten Patientenschützer unter anderem eine Hygiene-Ampel für Krankenhäuser gefordert. Und noch immer setzen sich verschiedene Verbände und Experten für Strafen und Rücktritte ein. Nun gibt es für Zehntausende Patienten, die in Mannheim behandelt wurden, einen juristischen Hoffnungsschimmer und zwar eine Akte mit Infektionsdaten. Diese könnte für die Skandalklinik teuer werden, wie das Internet-Portal „derwesten.de“ berichtet.
Bis zu 350.000 Patienten möglicherweise mit unsauberem Besteck operiert
Dem Portal zufolge kommt eine Gutachterkommission zu dem Schluss, das die Klinik jahrelang an Medizinproduktegesetz und Infektionsschutzgesetz vorbei operiert haben soll. „Nach objektiver Einschätzung“ so die Prüfer: Die Klinik sei von 2007 bis 2014 sowohl technisch, personell als auch organisatorisch nicht in der Lage gewesen, Sterilgut korrekt zu säubern. Den Angaben zufolge könnten bis zu 350.000 Patienten unter Messer gekommen sein, die niemals hätten benutzt werden dürfen. „Das ist ein Schock. Das vermutet man ja höchstens in der Dritten Welt“ meinte Professor Klaus-Dieter Zastrow, Chef des Berufsverbandes Deutscher Hygieniker (BDH) und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Solche unsaubere Instrumente seien „ein Angriff auf die Gesundheit der Patienten“.
Bei Operationen waren „Infektionen unvermeidbar“
Zastrow, Hygiene-Chef des größten kommunalen Krankenhauskonzerns in Deutschland, der Vivantes Klinikum GmbH in Berlin, sagte weiter, dass bei Operationen mit solchen Geräten „Infektionen unvermeidbar“ seien. Die Leitung der Klinik habe das hohe Risiko „billigend in Kauf genommen“ und die Aufsichtsbehörde habe „völlig versagt“, als sie die Zentralsterilisation trotz erkannter Mängel weiter laufen ließ. „Die hätte sofort geschlossen werden müssen“, so Zastrow. Von der Deutschen Stiftung Patientenschutz wird der Rücktritt des Klinik-Aufsichtsrates gefordert. „Es wird Zeit, dass er sich zu seiner Verantwortung bekennt“, sagte Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung mit rund 55.000 Mitgliedern und Förderern. Und Jan Schultze-Melling vom Ärzteverband Marburger Bund meinte, der Skandal sei „die Folge des Diktats: Rendite regiert“. Die Devise „Sparen bei der Hygiene und Sparen beim Personal“ könne nicht gut gehen.
„Eine Zumutung“ für Patienten und Mitarbeiter
„Das ist eine Katastrophe, die Konsequenzen haben muss“, so Patientenanwalt Burkhard Kirchhoff. Es sei sowohl für Patienten als auch für Mitarbeiter „eine Zumutung, unter gravierenden Versäumnissen führender Köpfe leiden zu müssen“. Personen, die mit Keimen infiziert worden seien, haben vor Gericht „angesichts dieser Mängel durchaus ordentliche Chancen“. Zudem steigen laut dem Bericht von „derwesten.de“ möglicherweise die Chancen durch eine Akte, die die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt hat. Informationen der Funke-Mediengruppe zufolge enthält sie Infektionsstatistiken. Diese weisen gehäufte Komplikationen aus: Den Angaben zufolge Infektionsraten von bis zu 20 Prozent. „Das wäre nicht normal. Damit müsste die Klinik ihre Unschuld beweisen“, so Schultze-Melling. (ad)
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