COVID-19: Adipositas erhöht das Risiko für Schwerverläufe und Krankenhausaufenthalte
Eine Studie von Wissenschaftlern “NYU Langone Medical Center” in New York untersuchte die Falldaten eingelieferter COVID-19-Patientinnen und -Patienten. Die Auswertung zeigt, dass Fettleibigkeit (Adipositas) für Schwerverläufe verantwortlich sein können. Die Fallstudie deckt sich mit den Ergebnissen einer kleinen Auswertung von Forschenden in Deutschland. Die Gründe für das erhöhte Risiko schwerer Verläufe bei Adipositas sind allerdings noch unbekannt.
Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 führt vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten sowie bei Betroffenen mit Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes zu schweren Verläufen. Eine neue US-Studie konnte eine weitere Risikogruppe ausfindig machen. So soll vor allem starkes Übergewicht einen schweren Verlauf bei COVID-19 begünstigen.
Studie mit Daten von 4100 hospitalisierten Erkrankten
Im Verlauf der Studie wurden die Daten von rund 4100 Covid-19-Betroffenen zwischen dem 1. März und dem 1. April 2020 ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass etwa 40 Prozent der stationär behandelten Patientinnen und Patienten an Adipositas litten.
Unter den Erkrankten, die an einer der vier Kliniken und 260 ambulanten Zentren des NYU Langone Medical Center therapiert wurden, waren 1.101 fettleibig. In den USA ist der Anteil der stark Übergewichtigen sehr hoch. Über ein Drittel der US-Bevölkerung weist einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 kg/m2 auf. Die Betroffenen gelten damit als fettleibig. Die Forschenden wiesen darauf hin, dass der Anteil der adipösen Erkrankten in der Fallstudie allerdings geringer war, als der Landesdurchschnitt. Dies könne damit zusammenhängen, dass “eher höhere Einkommensgruppen in Kliniken der NYU Langone Medical Center behandelt wurden” und in besser gestellten Gesellschaftsgruppen ist der Adipositas-Anteil in den USA generell geringer, so die Forschenden.
Mehr Männer mit schweren Verläufen
“Die Krankenhauspatienten waren eher männlich (62,6% gegenüber 39,0%) und hatten wesentlich mehr Vorerkrankungen als nicht hospitalisierte Patienten, insbesondere im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (44,6% vs. 16,4%), Diabetes (31,8% vs. 5,4%) und Fettleibigkeit (39,8% vs. 14,5%)”, schreibt das Forschungsteam in seiner Studie.
Gut 50 Prozent der adipösen Erkrankten musste aufgrund ihres schweren Verlaufs intubiert, also künstlich beatmet werden. Die Betroffenen waren vermehrt älteren Jahrgangs (durchschnittlich 62 versus 41 Jahre), eher männlich (62,6 versus 39,0 %), sie litten gehäuft an chronische Vorerkrankungen (71,9 versus 29,9 %) und sie waren häufiger stark Übergewichtig (39,8 versus 14,4 %) als Patienten mit COVID-19, die nicht in einer Klinik aufgenommen werden mussten.
Adipositas beinhaltet größtes Risiko für schwere COVID-19 Verläufe
Erstaunlich ist die Hauptaussage der Studie. So schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: „Die chronische Erkrankung, die am stärksten mit einer schweren Covid-Infektion im Zusammenhang steht, ist Adipositas – und zwar in einem substanziell höheren Risikoverhältnis als jede Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankung“.
Ähnliche Beobachtungen auch in Deutschland
Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte eine deutsche Studie von Ärzten und Ärztinnen der Uniklinik RWTH Aachen. Erkrankte, die ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) entwickelten und künstlich beatmet werden mussten, waren in 83 Prozent der Fällen übergewichtig oder adipös. Die Forschenden untersuchten insgesamt 50 Covid-19-Betroffenen mit schweren Verläufen aus dem Landkreis Heinsberg.
Gegenüber der Zeitung “Die Welt” sagte Dr. med. Karsten Schmidts, Facharzt für Anästhesie und leitender Oberarzt auf der anästhesiologischen Intensivstation am Universitätsklinikum Essen, dass sich die Studienergebnisse mit seinen Beobachtungen decken. „Die meisten Patienten, die mit schweren Covid-Verläufen zu uns auf die Intensivstation kommen, sind tatsächlich übergewichtig bis adipös. Die Normalgewichtigen sind in der Unterzahl“, so der Mediziner.
Keine voreiligen Schlüsse daraus ziehen
Der Oberarzt warnte jedoch davor, falsche Schlüsse aus der Studie zu ziehen. Nicht alle Menschen, die an Übergewicht leiden, seien auch gleichzeitig Risikopatienten. Denn in den USA ist Adipositas zu einer Volkskrankheit avanciert. So schreiben auch die Studienautoren: „Bedauerlicherweise zeigt sich, dass Adipositas bei Menschen unter 60 Jahren als neuer epidemiologischer Risikofaktor gelten muss, der möglicherweise zu den erhöhten Erkrankungszahlen in den USA beiträgt“.
Ursache noch ungeklärt
Warum es bei fettleibigen Patienten gehäuft zu schweren Verläufen bei COVID-19 kommt, ist noch ungeklärt. Die Studienautoren vermuten, dass die Entzündungsreaktionen, die mit einer Adipositas verbunden sind, eine Rolle spielen könnten. Weitere klinische Studien seien hierzu notwenig.
BMI berechnen
Der BMI lässt sich berechnen, indem man das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat teilt. Das Bundeszentrum für Gesundheit stellt auf seiner Webseite auch einen einfachen BMI-Rechner zur Verfügung.
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Christopher M. Petrilli, Simon A. Jones, Jie Yang, Harish Rajagopalan, Luke O’Donnell, Helena Chernyak, Katie A. Tobin, Robert J. Cerfolio, Fritz Francois, Leora I. Horwitz: Factors associated with hospitalization and critical illness among 4,103 patients with Covid-19 disease in New York City (veröffentlicht 11.04.2020), Medrxiv
- Katja Ridderbusch: „Die Normalgewichtigen sind in der Minderheit“ (veröffentlich 01.05.2020), Welt
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.