Psychologie: Natürlicher Stress bei fremden Menschen verursacht ein geringeres Maß an Empathie im Vergleich zu Freunden
16.01.2015
Menschen die sich nicht kennen, sind weniger einfühlsam als Freunde. Dafür ist der natürliche Stress beim Kontakt mit Fremden verantwortlich. Stress-Abbau führt dagegen zu mehr Einfühlungsvermögen, wie eine Studie der McGill Universität in Montreal ergab, in der dieser Effekt sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen untersucht wurde. Um den Stress unter den fremden Probanden zu reduzieren, ließen sie die Forscher gemeinsam ein Videospiel spielen – mit Erfolg. Nach dem Spiel empfanden die zuvor Fremden deutlich mehr Empathie. Die Studie wurde im renommierten Fachjournal „Current Biology" veröffentlicht.
Stress-Abbau bei Fremden erhöht das Einfühlungsvermögen
Kanadische Forscher um Prof. Jeffrey Mogil von der McGill Universität wollten herausfinden, wo durch fehlende Empathie entsteht und wie diese überwunden werden kann. Dafür untersuchten sie zunächst das Verhalten von Mäusen. Denn diese reagieren häufig stark auf Schmerzen, die einem Artgenossen zugefügt werden. Jedoch kommt es nur dann zu dieser empathischen Reaktion, wenn sich die Tiere kennen. Bei fremden Mäusen verhalten sich die Tiere, als ob nicht geschehen wäre. Um zu sehen, ob sich ihre Reaktion bei reduziertem Stress verändert, verabreichten die Forscher den Tieren eine kleine Dosis des Stress-abbauenden Hormonblockers Metyrapon. Wie sich herausstellte reagierten die Tiere dadurch bei fremden Mäusen ähnlich wie bei Bekannten. „Diese Studie identifiziert einen Grund für fehlende Empathie und gibt Antwort auf die entscheidende Frage, wie wir es schaffen, Empathie zwischen Fremden herzustellen", wird Mogil, Senior-Autor der Studie, in einer Mitteilung der Universität zitiert.
Empathie kann durch stresslösendes Mittel erhöht werden
Um herauszufinden, ob dieser Stress-Effekt auch beim Menschen zum Tragen kommt, ließen sie Studenten ihre Hand in eine Schale mit Eiswasser halten. Dabei wurden sie zunächst von einem Bekannten und danach von einem Fremden begleitet, der zusah. Die Studienteilnehmer empfanden die Schmerzen viel stärker im Beisein eines Bekannten als eines Fremden, was die Forscher ebenfalls als Zeichen von Empathie deuteten. Gleichzeitig reagierten "auch die zuschauenden Freunde viel stärker auf den Schmerz als die Fremden". Ein stresslösendes Mittel "erhöhte die Empathie der Probanden deutlich". Das galt sowohl für die fremden Zuschauer als auch für die Teilnehmer, die ihre Hand in das Eiswasser tauchten. „Es könnte so erscheinen, als wären stärkere Schmerzen in der Gegenwart eines Freundes schlechte Nachrichten, aber es ist in der Tat ein Zeichen für große Empathie zwischen Menschen – sie fühlen tatsächlich die Schmerzen des anderen", erläutert Mogil.
Um den Stress-Abbau auf natürlichem Wege zu erreichen, baten die Forscher die Probanden, 15 Minuten lang das Videospiel „Rock Band“ zu spielen, bei dem gemeinsam musiziert wird. Wie sich herausstellte "führte eine Runde gemeinsames Spielen vor den Tests bei den einander Fremden zu ähnlichen Ergebnissen wie das stressabbauende Mittel". Sie waren viel einfühlsamer. Probanden, die das Videospiel alleine spielten, reagierten dagegen nicht empathischer. „Es stellt sich heraus, dass auch eine gemeinsame Erfahrung, die so oberflächlich ist, wie ein Videospiel gemeinsam zu spielen, Menschen aus der „Fremengruppe“ in die „Freundesgruppe“ wechseln lässt und ein sinnvolles Maß an Empathie erzeugt", erläutert Mogil. „Diese Forschung zeigt, dass uns grundlegende Strategien zum sozialen Stress-Abbau, von einem Empathie-Defizit zu einem Überschuss bewegen können."
Mechanismen des Einfühlungsvermögens scheinen bei Menschen und Mäusen gleich zu sein
Die Studie zeige zudem, dass der soziale Stress beim Kontakt zu Fremden für den Mangel an Empathie verantwortlich sei. „Diese Ergebnisse werfen viele faszinierende Fragen auf, weil wir wissen, dass Defizite des Einfühlungsvermögen eine zentrale Rolle bei verschiedenen psychischen Störungen und auch bei sozialen Konflikte sowohl auf persönlicher und als auch auf gesellschaftlicher Ebene spielen", erläutert Mogil. „Es ist auch ziemlich überraschend, dass Empathie offenbar bei Mäusen und Menschen auf die gleiche Weise funktioniert.“ (ag)
Bild: Alexandra H. / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.