Klinik und Patient einigen sich auf einen Vergleich im Streit um den Wartelistenplatz für eine Herztransplantation
23.12.2013
Fehlende Deutschkenntnisse als Grund für die Verweigerung, einen Patienten auf die Warteliste für eine Herztransplantation aufzunehmen? Wer glaubt, dass allein medizinische Gesichtspunkte bei den Anmeldungen für eine Herztransplantation eine Rolle spielen, dürfte bei dem aktuellen Vergleich, der nun zwischen dem Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) in Bad Oeynhausen und einem 62-jährigen Flüchtling aus dem Irak geschlossen wurde, zumindest kurz nachdenklich werden.
Dem Betroffenen werden 5.000 Euro zugestanden, da er ursprünglich mit Verweis auf die fehlenden Deutschkenntnisse nicht auf die Warteliste für eine Herztransplantation aufgenommen wurde. Das HDZ hatte die Ablehnung mit der Richtlinie der Bundesärztekammer begründet, in der gravierende Verständigungsprobleme als möglicher Ablehnungsgrund benannt werden.
Die Argumentation in der „Richtlinie der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Herz- und Lungentransplantation“ stützt sich darauf, dass bei fehlenden Sprachkenntnissen die Compliance beziehungsweise die Mitwirkung der Patienten bei der Vor- und Nachbehandlung nicht gewährleistet sei. Der seit 13 Jahren in Deutschland lebende Patient hatte sich gegen seine Ablehnung auf dem Rechtsweg zu Wehr gesetzt und hierfür zunächst vor dem Bundesverfassungsgericht Prozesskostenhilfe erstritten, um nach diesem Teilerfolg auch gegen das seiner Ansicht nach diskriminierende Vorgehen bei der Aufnahme auf die Warteliste anzugehen. Eine Schmerzensgeld-Forderung von 10.000 Euro gegen das HDZ stand im Raum. Nun haben sich die beiden Parteien vor dem Landgericht Bielefeld auf einen Vergleich geeinigt, der die Zahlung von 5.000 Euro vorsieht. Der Patient steht mittlerweile auf der Warteliste für eine Herztransplantation an der Uni-Klinik Münster. Das Gericht hat jedoch keine Entscheidung zu der Richtlinie der Bundesärztekammer im Allgemeinen getroffen, so dass hier künftig weiterhin mit vergleichbaren Fällen zu rechnen ist. Der Anwalt des HDZ, Wolfgang Gansweid, erklärte gegenüber der Presse, dass der Vergleich keineswegs mit einem Schuldeingeständnis gleichzusetzen sei, sondern nur ein jahrelanger Prozess mit ungewissem Ausgang vermieden werden sollte.
Diskriminierung bei der Vergabe der Wartelistenplätze
Die Richtlinie der Bundesärztekammer für die Vergabe der Wartelistenplätze wurde in der Vergangenheit bereits vielfach kritisiert, da einerseits „formal die Richtlinienermächtigung der Bundesärztekammer“ angezweifelt und anderseits vor allem eine Unvereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 im Grundgesetz bemängelt wird, erläuterte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu der beantragten Prozesskostenhilfe des Betroffenen Patienten. Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz ergänzte gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“, es gehe „um Regeln, die so intransparent sind, dass man sich als Spender fragt: Kann das richtig sein?“ Bei der Auslegung herrsche regelrechte Willkür, so die Kritik der Patientenschützer. Allerdings ändert sich hieran mit dem nun am Landgericht Bielefeld geschlossenen Vergleich nichts. Denn zu der Rechtmäßigkeit der Richtlinie wurde keine Entscheidung getroffen.
Fehlende Grundsatzentscheidung zu den Richtlinien der Bundesärztekammer
Bislang fehlt eine gerichtliche Entscheidung zu der „Richtlinie der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Herz- und Lungentransplantation“ beziehungsweise der Ablehnung von Patienten aufgrund fehlender Sprachkenntnisse, bemängelte auch Richter Wolfgang Drees zum Auftakt des Prozesses. Ein entsprechendes Urteil zu erwirken, würde jedoch voraussichtlich Jahren dauern. Zeit, die die meisten Betroffenen nicht haben – abgesehen davon, dass auch einige Kosten mit einem derartigen Prozess verbunden sein dürften. In dem aktuellen Fall hatte der Kläger Hassan Rashow-Hussein über seinen Anwalt erklärt, dass ihm schlichtweg die Kraft fehle, um auf eine solche Entscheidung hinzuwirken. Es habe ihn „stark mitgenommen, dass wir dreieinhalb Jahre allein um die Prozesskostenhilfe kämpfen mussten“, erläuterte der Anwalt. Nachdem das HDZ die vorgeschlagene Vergleichssumme des Gerichts von 2.500 Euro auf 5.000 Euro verdoppelt hatte, nahm der 62-Jährige daher den Vergleich an. Für alle weiteren Patienten mit fehlenden Deutschkenntnissen, die auf eine Transplantation hoffen, bleibt die Situation nun jedoch weiterhin unklar. (fp)
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