Verpackungen beschummeln die Verbraucher: Die Lüge von der glücklichen Kuh
31.03.2013
„Kühe, die auf dem Feld glücklich grasen und frische Milch abgeben“. Dieses Bild haftet den meisten Konsumenten im Kopf. Doch die Realität sieht heute gänzlich anders aus: Die meisten Milchkühe werden in Ställen mit Kraftfutter gemästet, um die Milchproduktion zu steigern. Weil kritische Verbraucher hiervon wissen, bevorzugen viele Milch oder Milchprodukte von sogenannten Weidekühen. Doch viele Milchproduzenten führen die Konsumenten in die Irre und täuschen mit den Verpackungen. Eine Testung der Verbraucherinitiative Öko-Test zeigte vor allem bei den großen Milchkonzernen schlechte Resultate.
Über vier Millionen Kühe werden in Deutschland für die Produktion von Milch gehalten. Während in den ostdeutschen Ländern die Kühe in Massentieranlagen mit hunderten und tausenden Tieren gehalten werden, existieren im Süden auch kleinere Betriebe mit weniger als 30 Kühen. „Die meiste Milch, die wir trinken, stammt aus Großbetrieben“, wie das Verbraucherschutzmagazin „Öko-Test“ ermittelte. Zwar vermittle der Blick in das Supermarktregal ein landwirtschaftliches und oft auch ökologisches Idylle, doch die Realität sieht meist gänzlich anders aus.
Verpackungen leiten Verbraucher in Irre
Auf den Milchverbpackungen, aber auch auf den Verpackungen von Joghurt, Käse oder Butter werden Kühe abgebildet, die scheinbar glücklich saftiges Grünes auf wunderschönen Weiden fressen. „Doch die Milch kommt nicht von den abgebildeten Kühen“, berichtet die Zeitschrift in seiner aktuellen Ausgabe vom April. Etwa zwei Drittel der Milcherzeugnisse, die ein „Weiderind“ abgebildet haben oder den Käufer mit saftigen Wiesen locken, seien laut der Ökotester von Kühen, die noch nie oder nur selten in ihrem Leben eine grüne Weide gesehen haben. Zudem würden nur die wenigsten Milchlieferanten die Verwendung von Genmanipuliertem Soja beim Futter verbieten.
In vielen Regionen sind die Kühe auf den Wiesen in den letzten zehn Jahren komplett verschwunden. Heutzutage stehen die Tiere zum Teil dicht gedrängt in den Ställen. Stattdessen wird auf den Weiden nun Getreide oder Mais angebaut. Der Mais landet dann wiederum als haltbare Silage im Trog, zusammen mit Kraftnahrung aus Rapsschrot, Rübenschnitzeln und Gen-Soja. Die eiweiß- und energiereiche Kraftnahrung wird den Kühen verabreicht, damit sie noch mehr Milch liefern. Waren es vor gut 15 Jahren rund 2000 Liter pro Euter und Jahr, sind es heute bereits über 7000 Liter.
Tierhaltung mindert die Milchqualität
Doch die Qualität der Milch leidet unter dieser Tierhaltung. Denn eine hohe Kraftfutterdosis ist für die Kühe alles andere als gut, ihre Verdauung ist auf Grasrohkost ausgelegt und nicht auf Kunstfutter. Hierdurch verändert sich nicht nur die Gesundheit der Tiere, sondern auch der Menschen. Milch von glücklichen Tieren auf der Weide enthält deutlich mehr ungesättigte Fettsäuren, als die Milch von Milchkühen aus den Ställen. Das hat nicht nur den Vorteil, dass die Butter der Weidekühen streichzart ist, sondern besitzt auch eine ernährungsphysiologische Bedeutung. So schützen Omega III-Fettsäuren die Gefäßen, senken den Blutdruck, das Diabetes-Risiko und mindert somit den Risiko von kardiovaskulären Vorfällen wie dem Herzinfarkt.
Dieser Unterschied ist labortechnisch sehr schnell nachweisbar. Für ihre Ernährungsstudie machten sich die Experten von Ökotest diese Besonderheit zu eigen. Im Labor konnte so festgestellt werden, ob die Kühe auf der Weide gelebt und gefressen haben oder ob sie mit Kraftfutter im Stall gemästet wurden.
34 Milchweide-Produkte auf dem Prüfstand
Insgesamt 34 Milchprodukte wurden labortechnisch analysiert, sechs von den Produkten trugen das Bio-Label. Alle untersuchten Milchwaren hatten grüne Landschaften oder Kühe auf den Weiden auf ihren Verpackungen abgebildet. Einige der Waren trugen auch Bezeichnungen wie „Weidebutter“, „Weideglück“ oder gar „artgerechte Tierhaltung“. Alle diese Bezeichnungen bedeuteten nicht, dass die Tiere wirklich regelmäßig auf die Weide kamen, wie der Labortest zeigte.
Die Bioprodukte konnten gegenüber den konventionellen Milcherzeugnissen punkten. 20 der 28 konventionellen Produkte zeigten im Test, dass die Kühe nie oder nur kaum eine Wiesen zu Gesicht bekommen. Zudem kritisierten die Tester, dass die meisten Unternehmen ihren Herstellern die Verwendung von Gen-Soja nicht verbieten. Laut Ökotest fiel besonders negativ der Hersteller „Almette“ auf. Dieser preist seinen „Alpenfrischkäse Natur“ mit „100 Prozent natürlichen Zutaten“ an. Hier soll laut Ökotest jedoch auf Genmanipuliertem Soja nicht verzichtet worden sein. Immerhin war die Milchfettzusammensetzung ausreichend, so dass dies auf eine ausreichende Grünfutterspeisung schließen lässt. Auch der „Arlas Esrom-Käse“ sei hierbei aufgefallen, obwohl auch hier mit „nur aus natürlichen Zutaten“ geworben wird.
Markenprodukte mit negativen Ergebnissen
Moniert wurden auch die Praktiken der Molkerei Friesland Campina. Der Konzern bewirbt seine Produkte „Frico Maasdamer“ und die „Landliebe H-Milch“ mit dem Verkaufsargument, die Kühe würden viel Grünfutter zu fressen bekommen. Doch im Labor konnte diese Aussage nicht bestätigt werden. Ebenfalls negativ fiel die sogenannte Weidebutter von „Frau Antje“ auf. In dieser konnten nur wenig typische Fettsäuren nachgewiesen werden. Hier besonders ärgerlich: Der Name suggeriert, des handele sich um ein Produkt von Weidenkühen. Enttäuscht waren die Lebensmittelexperten auch von „Meggles Alpenbutter“, der frischen Alpenmilch von Weihenstephan oder auch Müllers Buttermilch. Auch zeigten die Werte nicht an, dass die Kühe regelmäßig auf einer Weide grasen.
Biowaren schnitten in der Mehrheit gut ab
Erfreulich: Einige Produkte hielten auch das was sie plakativ versprechen. Diese Produkte kommen jedoch an aller Regel von kleineren Herstellern wie etwa den Milchwerken Berchtesgadener Land oder der Bergader Privatkäserei. Weniger Kritik hatte das Ökomagazin an den Bioprodukten auszusetzen. Diese Milchwaren dürfen keine Gen-Technik einsetzen. Zwar existiert bei Milch oder Milcherzeugnissen mit dem Bio-Logo keine Pflicht, die Kühe auf der Weide grasen zu lassen, allerdings geben die meisten Biobauern kein Kraftfutter sondern Gras zum fressen, wie die Studie zeigte. Einzig und allein die Biomilch von Aldi zeigte geringe Werte der positiven Milchfettzusammensetzung. Hier war zu wenig Gras im Futter vorhanden. (sb)
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