BGH: Gericht muss geschlossene Unterbringung genehmigen
Karlsruhe (jur). Soll eine verschlossene Außentür eines Behindertenwohnheims das eigenmächtige Weglaufen der Bewohner verhindern, ist dies eine genehmigungspflichtige freiheitsentziehende Unterbringung. Die hierfür notwendige Genehmigung muss aber von einem Gericht erteilt werden, wenn ansonsten eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten droht, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag, 20. Juni 2017, veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 577/16).
Konkret ging es um eine schwer geistig behinderte Rollstuhlfahrerin, die am sogenannten Coffin-Lowry-Syndrom erkrankt ist. Es besteht zudem eine Epilepsie, sprachlich äußern kann sie sich nur sehr schwer. Seit Juni 1999 ist sie in einer speziellen Wohneinrichtung untergebracht. Wegen ihrer Einschränkungen kann sie nur in einer Fördergruppe ihres Wohnheims mit Bastelarbeiten beschäftigt werden.
Wegen ihrer Behinderung ist die Schwester der Frau zur Betreuerin bestimmt worden. Diese hatte im August 2015 beim Amtsgericht Eckernförde die Verlängerung der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen in der Wohneinrichtung beantragt. Dabei wurde die Außentür der Einrichtung so verschlossen, dass die Rollstuhlfahrerin nicht auf eigene Faust auf die Straße fahren konnte.
Um die Rechte der Frau in dem Verfahren gewährleisten zu können, bestellte das Amtsgericht einen sogenannten Verfahrenspfleger.
Dieser hielt die freiheitsentziehende Maßnahme der geschlossenen Unterbringung jedoch für rechtswidrig. Die gerichtliche Genehmigung der Maßnahme sei nur bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen zulässig. Hier habe die Rollstuhlfahrerin bislang aber keinerlei Versuch unternommen, die Einrichtung eigenmächtig zu verlassen.
Gutachter kamen jedoch zu einem anderen Schluss. Danach könne die geistig behinderte Frau durchaus spontan den natürlichen Willen zu einer Ortsveränderung bilden. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass sie eine offene Einrichtung verlassen könnte und sich im Straßenverkehr gefährden würde. Damit bestehe auch die „hochgradige Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens“.
Nach einem vergeblichen Versuch, ein persönliches Gespräch mit der Betroffenen zu führen, hatte das Amtsgericht schließlich die geschlossene Unterbringung für zwei Jahre genehmigt. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom Landgericht zurückgewiesen.
Der BGH wies die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde in seinem Beschluss vom 24. Mai 2017 ab. Die für die Frau verschlossene Außentür stelle zwar eine Freiheitsentziehung dar, so dass die geschlossene Unterbringung genehmigt werden müsse. Dies hätten die Vorinstanzen aber zu Recht so angeordnet. Für die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung sei keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr des Betreuten erforderlich. Dabei reichten konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens aus.
Dies sei hier der Fall. Gutachter hätten bestätigt, dass die geistig behinderte Rollstuhlfahrerin eine offene Einrichtung durchaus spontan selbst verlassen und sich damit im Straßenverkehr gefährden könne. Damit sei die Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahme erforderlich, um die bestehende Gefahr für Leib und Leben abzuwenden. fle/mwo
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