Terror, Krankheiten, Umweltverschmutzung: Wovor Jugendliche Angst haben
„Heute haben es Jugendliche viel einfacher“, sagen manche Ältere und meinen, Teenager müssten sich keine großen Sorgen machen. Doch die Zukunft macht vielen jungen Menschen Angst. Das ist laut Experten auch normal. Wenn die Sorgen aber überhand nehmen, sollte eingegriffen werden.
Ängste der Menschen ändern sich
Seit Jahren wird über Verschiebungen bei den Ängsten der Deutschen berichtet. Diese werden unter anderem durch weltweite Entwicklungen und Vorfälle beeinflusst. So äußern mehr Menschen etwa Angst vor Krieg, Terroranschlägen oder Wirtschaftskrisen, wenn diese gerade irgendwo stattfinden oder stattgefunden haben. Auch die Ängste von jungen Menschen, die noch in der Pubertät stecken, verschieben sich im Laufe der Jahrzehnte. Politische Themen wie Terror, Umweltverschmutzung – vor allem die Belastung von Trinkwasser und anderen Ressourcen – sind Beispiele, vor denen sich Jugendliche heutzutage fürchten. Das erklärte Klaus Hurrelmann laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa. Der Professor für Public Health und Education an der Hertie School of Governance in Berlin ist Experte im Bereich Jugendforschung.
Prägende Ereignisse in der Jugend
Solche Themen klingen zwar zunächst sehr abstrakt, doch Hurrelmann findet diese Ängste keineswegs irrational: „Sie spiegeln Schlüsselerfahrungen der Generation Y wider.“ Für diese Generation waren die Anschläge vom 11. September 2001 oder die atomare Katastrophe in Fukushima während ihrer Jugendzeit zwischen 2000 und heute prägende Ereignisse. Ängste persönlicher Natur kommen für viele erst an zweiter Stelle. Das kann zum Beispiel die Furcht vor schweren Erkrankungen sein oder der Verlust eines wichtigen Menschen. Erst danach kommen ökonomische Sorgen. „Vor zwei bis drei Jahren war das Thema Arbeitsplatzsicherheit noch präsenter, ist inzwischen aber abgeklungen.“
Schon in der Schule wird Jugendlichen viel abverlangt
Der Geschäftsführer des Vereins „Nummer gegen Kummer“ in Wuppertal, Rainer Schütz, hat in seiner täglichen Arbeit vor allem mit konkreten Zukunftssorgen zu tun. Bei dieser kostenlosen Hotline für Jugendliche seien laut Schütz oft Ängste vor möglichen Schwangerschaften und Schulsorgen Thema. Der diplomierte Sozialwissenschaftler rät bei solchen konkreten Zukunftsängsten stets zum Handeln. „Wer ungeschützten Sex hatte, sollte sich schnell mit einem Test Klarheit verschaffen.“ Denn: „Ängste mit sich herumschleppen, macht die meist nur schlimmer.“ Zudem kann es helfen, sich einem Freund oder Verwandten mit seinen Zukunftsängsten anzuvertrauen.
„Erzählen eignet sich gut, um seine Sorgen und Nöte einmal zu sortieren und zwischen begründeten und unbegründeten Ängsten zu unterscheiden“, so der Experte. Auch die Ellbogengesellschaft stellt Heranwachsende oft vor Probleme. Erst vor kurzem zeigte eine Umfrage: Jeder 5. Jugendliche in Deutschland leider unter Stress. Bereits in der Schule wird Leistung verlangt, um später für den Kampf um die besten Arbeitsplätze gerüstet zu sein. Häufig machen hier auch die Eltern Druck. „Die Jagd nach guten Noten ist der rationale Weg, um auf diese Anforderungen zu reagieren“, so Hurrelmann. Diejenigen, die dies nicht schaffen, können wegen der entstehenden Zukunftsängste im Extremfall sogar psychische Probleme bekommen.
Körperliche Auswirkungen von Angst
Akute Zukunftsangst kann sich auch körperlich bemerkbar machen. „Anspannung, ständige innere Unruhe, Probleme mit dem Schlaf sind mögliche Folgen von Ängsten“, erklärte Christiane Wempe, Entwicklungspsychologin an der Universität Mannheim gegenüber der dpa. Sie hob hervor, dass Angst grundsätzlich kein negatives Gefühl sei. „Ängste gelten erst dann als psychische Störung, wenn sie das tägliche Leben erheblich beeinflussen.“ Betroffene seien meist regelrecht gelähmt in ihrem Tun. „Ihnen gelingt es dann etwa nicht, ihre Ausbildung zu Ende zu machen.“ Nehmen die Zukunftsängste überhand, sollte man sich helfen lassen. Neben Beratungsstellen an Universitäten und Schulen kann hier der Blick ins Internet Sinn machen. „Gerade junge Männer haben beim Thema Angst Hemmungen, sich anderen anzuvertrauen“, sagte die Psychologin.
Wempe erläuterte, Jugendliche können sich im Netz erst einmal orientieren und Hilfsangebote sondieren. Allerdings muss bei etwas Anspannung nicht gleich ein Experte eingeschaltet werden. Oft könne hier Sport weiterhelfen. Auch Entspannungsübungen zum Stressabbau wie etwa Yoga sind zu empfehlen. Alkohol und Drogen sind aber ein klares „No-Go“. „Das ist nur Problembewältigung für einen kurzen Moment. Danach kehren die Sorgen umso stärker zurück“, warnte Wempe.
Keine Furcht vor dem Scheitern
Rainer Schütz rät bei Gedanken an die persönliche Zukunft zu Gelassenheit. Die jungen Leute sollten keine Angst haben, sich auszuprobieren. Und auch keine Furcht vor dem Scheitern empfinden. „Fehler gehören dazu. Die können genauso eine Chance für etwas Neues sein.“ Wempe meinte jedoch, ein gewisses Maß an Zukunftsangst sei manchmal sogar nützlich. „Damit kann eine Extraportion Energie aktiviert werden.“ Diese helfe dann womöglich in Prüfungen und bei anderen Herausforderungen wie beispielsweise einem Vorstellungsgespräch. Angst vor der Zukunft ist im Jugendalter ganz normal. „Sie gehört zu dem Lebensabschnitt dazu“, so Hurrelmann.
„Familie, Schule, Gesellschaft. All das wird kritisch beäugt.“ Da Jugendliche dazu neigen, wahrgenommene Probleme und deren Folgen auch auf sich selbst zu projizieren, machen solche Beobachtungen schnell Angst. Der Experte hat auch einen kleinen Trost zum Schluss: „Mit zunehmenden Alter nehmen die Zukunftsängste wieder ab.“ (ad)
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