Jedes vierte Tierprodukt von einem kranken Tier gewonnen
Lebensmittel mit tierischen Zutaten sind weit verbreitet, doch stammen diese häufig von kranken Tieren, so die aktuelle Mitteilung der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Mindestens jedes vierte Tierprodukt wurde von kranken Tieren gewonnen, berichtet Foodwatch. Die Produkte kranker Tiere würden regelmäßig als „gesunde“ Lebensmittel angeboten.
Viele Menschen achten auf ihre Ernährung und setzten gezielt auf gesunde Lebensmittel. Ein Verzicht auf tierische Zutaten in Form einer veganen Ernährung ist dabei allerdings bis heute eher die Ausnahme. Die Tierprodukte werden jedoch oftmals von kranken Tieren gewonnen. „Sie kaufen Milch von Kühen mit entzündeten Eutern und Eier von Hühnern mit Knochenbrüchen“, so die Mitteilung von Foodwatch. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten davon ausgehen, dass ein erheblicher Anteil der Tierprodukt von einem kranken Tier stammt. Dies sei beim Einkauf nicht zu erkennen.
Jeder zehnte Liter Milch aus einem entzündeten Euter
Den Angaben der Verbraucherschutzorganisation zufolge erfährt beispielsweise „mindestens jede zweite Milchkuh einmal im Jahr haltungsbedingte Krankheiten, die größtenteils vermeidbar sind.“ So stamme rund jeder zehnte Liter Milch von einer Kuh mit entzündetem Euter. Bei Schweinen habe sich in Schlachthofbefunden gezeigt, dass etwa jedes zweite Tier an haltungsbedingten Krankheiten litt und statistisch gesehen sei zudem mindestens jedes vierte verarbeitete Hähnchen vorher ein kranker Hahn gewesen. Vier von zehn Eiern stammen laut Foodwatch von einer Henne mit Knochenbrüchen. Die ausgewerteten Studien lassen sich angesichts der uneinheitlichen Datenlage zwar nur näherungsweise zusammenfassen, doch Verbraucherinnen und Verbraucher müssen als Faustregel davon ausgehen, dass jedes vierte Tierprodukt von einem kranken Tier stammt, berichtet Foodwatch weiter.
Kein signifikanter Unterschied bei der Bio-Haltung
Zu den Krankheitsbildern der Tiere erläutert die Verbraucherschutzorganisation, dass Milchkühe regelmäßig unter Lahmheit, Fruchtbarkeits- und Stoffwechselstörungen sowie Euterentzündungen leiden. Bei Schweinen seien laut Studienlage chronische Gelenkerkrankungen und Organveränderungen die häufigsten Krankheitsbilder. „Bei Hühnern werden zahlreiche Symptome wie Gelenkerkrankungen, Brustbeinschäden, Knochenbrüche, Eileiterentzündungen, Wurmbefall und Fußballenveränderungen festgestellt“, berichtet Foodwatch. Hier seien zudem keine signifikanten Unterschiede zwischen konventioneller und Bio-Haltung, zwischen kleinen Höfen und Großbetrieben festzustellen. „Entscheidend für die Gesundheit der Tiere ist vor allem die Qualität des Betriebsmanagements“, so das Fazit der Verbraucherschützer.
Falsche Anreize im System
Der grundsätzliche Fehler liegt nach Einschätzung von Foodwatch jedoch im System, das falsche Anreize setze. „Vor allem der Handel ist verantwortlich für einen Wettbewerb, der sich nicht um Qualität, sondern nur um den Preis dreht – das kann nur zu Lasten von Tieren, Bauern und letztlich auch Kunden gehen“, so Matthias Wolfschmidt, Veterinärmediziner und Kampagnenleiter von Foodwatch. Wenn es um Tierhaltung geht, werde bisher fast nur über formale Kriterien wie Platzbedarf oder Ausgestaltung der Ställe gesprochen, was jedoch viel zu kurz gegriffen sei. Dass ein Großteil der Nutztiere unter massiven Krankheitssymptomen leidet, werde verschwiegen und aus Kostengründen nichts dagegen getan. Denn auch aus kranken Tieren lassen sich noch Lebensmittel gewinnen.
Lösungsansätze klar definiert
Foodwatch verweist in seiner aktuellen Mitteilung auch auf die möglichen Lösungsansätze, die von Matthias Wolfschmidt in dem neuen Buch „Das Schweinesystem“ dargestellt werden. Hierzu zählen beispielsweise gesetzliche Vorgaben zur tiergerechten Haltung bei allen Nutztieren oder die Erfassung des Auftretens haltungsbedingter Krankheiten für jeden Betrieb mit anschließender Ableitung verbindlicher Zielvorgaben, die sich an den besten Betrieben der Branche orientieren. Auch dürften nur noch solche Produkte mit tierischen Bestandteilen auf den Markt kommen, die die Tierschutzvorgaben nachweislich einhalten. Nicht zuletzt müsse ein solches „Konzept EU-weit umgesetzt werden, verbunden mit einem Vermarktungsverbot für nicht-tiergerecht erzeugte Lebensmittel aus Drittstaaten“, erläutert Wolfschmidt.
Höhere Lebensmittelpreise erforderlich
„Wenn wir schon Tiere zur Produktion von Lebensmitteln halten, dann schulden wir allen von ihnen die bestmöglichen Umstände“, betont der Foodwatch-Experte. Weder Nischenproduktionen noch Tierschutzlabel oder 0-1-2-3-Kennzeichnungen seien daher die Lösung, „sondern einzig und allein klare gesetzliche Vorgaben und entsprechende Vergütungen von Tierschutzleistungen der Landwirte.“ Um die genannten Standards zu etablieren, müssten der Handel und die Lebensmittelindustrie die Tierhalter allerdings besser entlohnen, was letztlich auch zu höheren Preisen für Verbraucherinnen und Verbraucher führen würde. „Doch wer das Leben hunderttausender krankgemachter Tiere wirklich verbessern will, muss diesen Preis bezahlen“, so das Fazit von Wolfschmidt. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.