Vogelgrippe-Viren von Mineralschicht umgeben und dadurch infektiös für Menschen
Mehrfach sind in den vergangenen Jahren bereits Übertragungen der Vogelrippe-Viren auf Menschen erfolgt und Experten haben eindringlich vor einer drohenden Pandemie gewarnt, sollten die Erreger auch zwischen Menschen übertragbar werden. Dass die Viren Menschen infizieren können, liegt laut einer aktuellen Studie an einer Art Eierschale, die die Erreger im Körper der Vögel aufbauen. Demnach ist eine zwischenmenschliche Übertragung allerdings unwahrscheinlich.
Ursache der Infektionen beim Menschen „könnte eine Eierschalen-artige Mineralschicht sein, die die Viren aufgrund der hohen Calcium-Konzentration im Darm von Vögeln bekommen“, berichtet die Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ in einer Pressaussendung zu den aktuellen Studienergebnisse chinesischer Wissenschaftler. In ihrer Studie konnten die Forscher der Zhejiang University (Hangzhou, China) nachweisen, dass die mineralisierten Viren deutlich infektiöser und dabei robuster und hitzestabiler als die nativen Viren sind.
Vogelgrippe-Viren auch für Menschen eine Bedrohung
Zwar ist die Vogelgrippe unter Vögeln eine hochansteckende Krankheit und kann ganze Populationen auslöschen, doch bislang waren nur relativ wenige Ausbrüche mit Übertragung auf Menschen festzustellen. Dennoch sind die Viren nach Ansicht von Experten als ernsten Bedrohung für die menschliche Gesundheit zu bewerten. Denn bei engem Kontakt mit kranken Vögeln oder deren Ausscheidungen kann eine Infektion erfolgen. Ansteckungen unter Menschen bleiben dagegen begrenzt, was dafür spreche, dass diese Viren Menschen nicht direkt infizieren können, berichtet das Fachmagazin „Angewandte Chemie“.
Mutationen nicht die Ursache für Infektionen bei Menschen
Sollten Vogelgrippe-Viren auch zwischen Menschen übertragbar werden, droht schlimmstenfalls eine Pandemie. Eine solche zwischenmenschliche Übertragbarkeit könnte durch Mutationen der Viren eintreten, so die bisherige Annahme. Auch die bereits erfolgten Infektionen bei Menschen wurden von Medizinern auf Mutationen der Viren zurückgeführt, was jedoch den aktuellen Studienergebnisse zufolge eine Fehleinschätzung ist. Denn die Befunde zeigen, dass Vogelgrippeviren, welche aus erkrankten Menschen isoliert wurden, die gleichen Gensequenzen aufweisen wie die Erreger aus Vögeln. Die bisherige Annahme, dass die Viren durch Mutationen oder eine Rekombination mit anderen Erregern die Artengrenze überschreiten konnten, muss demnach korrigiert werden.
Aufbau einer mineralischen Schutzhülle
Ursache der Vogelgrippe-Infektionen bei Menschen ist den Ergebnissen der chinesischen Forscher zufolge nicht eine Mutation, sondern die Bildung einer Art Eierschale um die Erreger. Im Vogeldarm bauen die Viren unter den calciumreichen Bedingungen eine mineralische Schutzschicht auf, erläutern die Wissenschaftler. „Anhand von Versuchen in einer dem Vogeldarm-Milieu nachempfundenen Lösung konnten die Forscher jetzt zeigen, dass sich um H9N2- und H1N1-Viren 5 bis 6 nm dicke Schalen aus einem Calciumphosphat-Mineral bilden“, berichtet das Fachmagazin „Angewandte Chemie“. Diese mineralisierten Viren hätten sich sowohl in einer Zellkultur als auch bei Mäusen als deutlich infektiöser – und tödlicher – als native Viren erwiesen.
Effekte der mineralischen Schutzschicht
Den Angaben der Experten zufolge verändert die mineralische Hülle das elektrische Oberflächenpotenzial der Viren, wodurch die mineralisierten Viren wesentlich effektiver an die Oberfläche zukünftiger Wirtszellen adsorbieren. Auch der Aufnahmemechanismus in die Zelle sei ein anderer. Denn normalerweise docke das Virus an Rezeptoren auf der Zelloberfläche an und werde daraufhin in die Zelle geschleust. Durch die Mineralschicht der Viren werde dies zwar verhindert, aber offenbar gleichzeitig eine sehr effektive Aufnahme auf anderem Wege stimuliert. Schließlich erreichen die mineralisierten Viren innerhalb der Zelle die sogenannten Lysosomen, deren leicht saures Milieu die Mineralüberzüge auflöst und die Viren freisetzt.
Da die Vogelgrippeviren bei Menschen vor allem den Atemtrakt befallen und sich dann hauptsächlich in Körperflüssigkeiten bewegen, die zu geringe Calciumkonzentrationen für eine Mineralisierung aufweisen, fehlt den Erregern hier die schützende Schale und sie sind daher weniger infektiös. Die Erkenntnisse können insgesamt gut erklären, warum sich Menschen eher bei Vögeln als bei infizierten Mitmenschen anstecken, betonen die Wissenschaftler. Auch lassen sich möglicherweise neue Ansätze zur Bekämpfung der Vogelgrippe ableiten, so die Hoffnung der Forscher. (fp)
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