„Störfeuer“ im Herz: Wie Vorhofflimmern die Herzfunktion beeinträchtigt
Ein Forschungsteam aus Regensburg konnte die Erkenntnisse über die Auswirkungen von Vorhofflimmern auf das gesamte Herz erweitern. Bislang lag der Fokus der Forschung auf den Folgen für die Vorhöfe des Herzens. Die aktuelle Studie klärt erstmals über die Beeinträchtigungen des gesamten Herzens auf, die durch Vorhofflimmern entstehen können. Demnach ist ein gestörter Kalzium-Haushalt für Schäden an den Herzkammern verantwortlich.
Eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. med. Samuel Sossalla von dem Universitätsklinikum Regensburg erhält den Wilhelm P. Winterstein-Preis der Deutschen Herzstiftung für die neuen Erkenntnisse darüber, wie sich Vorhofflimmern auf das gesamte Herz auswirken kann. Die Studie wurde in dem renommierten Fachjournal „Circulation Research“ vorgestellt.
Erkenntnisse werfen neues Licht auf Vorhofflimmern
Die aktuellen Forschungsergebnisse werfen der Deutschen Herzstiftung zufolge ein komplett neues Licht auf die Prozesse, die bei Vorhofflimmern ablaufen. Demnach kann durch das Flimmern das gesamte Herz in Mitleidenschaft gezogen werden.
Die neusten Erkenntnisse geben erstmals Aufschluss darüber, welche Auswirkungen das Vorhofflimmern auf die Herzkammern haben kann. Die Abläufe im Vorhof bei Vorhofflimmern sind nach Angaben der Forschenden recht gut bekannt.
„Noch unverstanden sind hingegen die Effekte des Vorhofflimmerns auf die Funktion der Herzkammer, den sogenannten Ventrikel, und damit auf das gesamte Herz“, hebt Dr. med. Steffen Pabel aus dem Studienteam hervor.
„Die Erkenntnisse von Dr. Pabel und Team sind für die klinische Forschung von großer Bedeutung, weil sie erstmals die nachteiligen Effekte von Vorhofflimmern auf den menschlichen Ventrikel beschreiben“, bestätigt Herzchirurg Professor Dr. med. Armin Welz, der auch Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung ist.
Vorhofflimmern oft in Kombination mit Herzschwäche
In Deutschland sind rund 1,8 Millionen Menschen von dem sogenannten nicht-tachykarden Vorhofflimmern (VHF) betroffen. Damit ist VHF die häufigste Form von Herzrhythmusstörung. Oft tritt VHF zusammen mit Herzschwäche auf, an der rund vier Millionen Menschen in Deutschland erkrankt sind.
In früheren Studien wurde bereits nachgewiesen, dass durch eine Therapie gegen Vorhofflimmern vor allem bei Betroffenen, die zusätzlich unter einer Herzschwäche leiden, die Funktion der linken Herzkammer verbessert und die Sterblichkeit verringert werden kann.
Ablauf der Studie
Das Team um Pabel und Sossalla fand nun heraus, warum die Herzkammer durch VHF geschädigt werden kann. Die Forschenden verglichen Teilnehmende mit normalem Herzrhythmus (Sinusrhythmus) mit einer Gruppe von Probandinnen und Probanden mit Vorhofflimmern. Dazu wurde unter anderem das Herzmuskelgewebe aus der linken Herzkammer analysiert.
Dabei zeigte sich, dass das Vorhofflimmern frequenzkontrolliert war. Das bedeutet, dass die Herzfrequenz zwar normal war, der Herzschlag hingegen unregelmäßig. Genau wie bei Menschen ohne VHF konnte das Team jedoch keine strukturellen Unterschiede wie beispielsweise Narbengewebe im Herzmuskel der linken Herzkammer vorfinden.
Kalziumhaushalt für Herzkammer-Schäden verantwortlich
„Allerdings haben wir bei den Patienten mit Vorhofflimmern feststellen können, dass in den Herzmuskelzellen, den Kardiomyozyten, der linken Herzkammer der für die Kontraktion des Herzmuskels wichtige Kalziumhaushalt gestört war“, erklärt Pabel.
Im Rahmen von In-vitro-Versuchen konnte das Team bestätigen, dass auch künstlich erzeugtes Vorhofflimmern den Kalziumhaushalt in Herzmuskelzellen beeinträchtigt.
Unregelmäßigkeit in der Kalzium-Versorgung bei Vorhofflimmern
Denn ein geordnetes Ein- und Ausströmen von Kalzium (Ca²+), Natrium (Na+) und Kalium (K+) sei für die ordentliche Funktion der Herzmuskelzellen entscheidend. Nur ein regelmäßiger Herzschlag stelle die gleichbleibende Versorgung dieser Nährstoffe sicher.
Das Team erläutert den Ablauf genauer: Jede einzelne Herzmuskelzelle ist an dem Zusammenziehen und der darauffolgenden Entspannung des Herzmuskels beteiligt. Damit sich der Herzmuskel zusammenziehen kann, muss zunächst ein sogenanntes Aktionspotenzial aufgebaut werden, welches sich über das gesamte Muskelgewebe ausbreitet.
Aufgebaut wird dieses Aktionspotenzial durch eine kurzzeitige Änderung des elektrischen Erregungszustands innerhalb einer Muskelzelle. Dies hat eine Verschiebung der Ionen (Ca²+, Na+ und K+) zur Folge.
Im Endeffekt wird durch diese Kettenreaktion die Kontraktion, also der Herzschlag, ausgelöst. Entscheidend für den reibungslosen Ablauf sind hierbei Kalzium beziehungsweise Kalziumionen (Ca²+).
Vorhofflimmern – eine Erkrankung des gesamten Herzens
„Eine reduzierte systolische Konzentration von Kalziumionen in Herzzellen kann daher mit einer eingeschränkten Kontraktionsfähigkeit des Herzens einhergehen und auf eine Fehlfunktion des Herzens in der Systole, der Kontraktionsphase, hindeuten“, fasst Dr. Pabel zusammen.
„Unsere Erkenntnisse zu den nachteiligen Effekten des Vorhofflimmerns auf die Herzkammer sollte Ärzte und Wissenschaftler dazu anregen, Vorhofflimmern nicht nur als eine Erkrankung des Vorhofs, sondern als eine Erkrankung des gesamten Herzens zu verstehen“, resümiert der Leiter der preisgekrönten Forschungsarbeit. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Herzstiftung: Störfeuer nicht nur im Vorhof: Vorhofflimmern kann dem ganzen Herz schaden (veröffentlicht: 18.06.2022), herzstiftung.de
- Pabel S. et al, Effects of Atrial Fibrillation on the Human Ventricle; in: Circulation Research (2022), doi.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.