Herzrhythmusstörung: Früher Rhythmuserhalt bei Vorhofflimmern
Vorhofflimmern ist eine meist chronische Herzrhythmusstörung. Die Erkrankung ist mit einem höheren Schlaganfall-Risiko verbunden und die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen kann abnehmen. Eine Studie hat gezeigt, dass ein früher Rhythmuserhalt bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern Komplikationen verhindert.
Personen mit Vorhofflimmern profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Behandlung. Diese verhindert Komplikationen besser als die übliche Therapie. Das hat die vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) durchgeführte EAST – AFNET 4 Studie ergeben, berichtet das AFNET in einer aktuellen Mitteilung.
Rund zwei Millionen Betroffene in Deutschland
Vorhofflimmern, die häufigste Herzrhythmusstörung bei älteren Menschen mit rund zwei Millionen Betroffenen in Deutschland, geht mit einem unregelmäßigen und oftmals schnellen Herzschlag einher. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, da während der Rhythmusstörung Blutgerinnsel insbesondere im linken Herzvorhof entstehen und mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangen können.
Patientinnen und Patienten mit dieser Herzrhythmusstörung sterben häufig vorzeitig oder erleiden schwere Folgekrankheiten – sogar dann, wenn sie nach den aktuellen Leitlinien behandelt werden.
Üblicherweise wird Vorhofflimmern heute mit Medikamenten behandelt, welche die Herzfrequenz regulieren und so den Herzmuskel vor Überlastung schützen. Zudem erhalten Betroffene Blutgerinnungshemmer, um das Schlaganfallrisiko zu senken.
Zusätzlich zu dieser bisher üblichen Therapie gibt es Rhythmusmedikamente (Antiarrhythmika) und nichtmedikamentöse Maßnahmen (Katheterablation), um den normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) wieder herzustellen und zu erhalten.
Diese rhythmuserhaltenden Maßnahmen, die potentiell auch Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen können, kamen bisher vor allem bei den Patientinnen und Patienten zum Einsatz, die unter besonders schweren Symptomen leiden.
Ob eine rhythmuserhaltende Behandlung lediglich die Beschwerden lindert oder darüber hinaus auch Komplikationen und Krankenhausaufenthalte verhindert und das Leben der Betroffenen verlängert, war bisher unklar. Dafür fehlten bislang die wissenschaftlichen Beweise.
Wirksamer als die bisher übliche Behandlung
Die EAST – AFNET 4 (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) Studie hat in ihrem, 2020 in der Fachzeitschrift „The New England Journal of Medicine“ (NEJM) publizierten Hauptergebnis gezeigt:
Eine frühzeitige, innerhalb eines Jahres nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnene rhythmuserhaltende Behandlung mit Medikamenten oder einer Katheterablation verhindert Todesfälle, Schlaganfälle und Krankenhauseinweisungen wegen Herzschwäche oder einem sogenannten akuten Koronarsyndrom, also einer potentiellen Durchblutungsstörung des Herzmuskels, wirksamer als die bisher übliche Therapie.
Ob dieses Ergebnis auf alle Personen mit Vorhofflimmern zutrifft oder ob für Patientinnen und Patienten mit bestimmten Besonderheiten möglicherweise Einschränkungen gelten, wurde in Subanalysen überprüft.
In diesen wurden bestimmte Untergruppen der Studienteilnehmenden genauer unter die Lupe genommen, insbesondere solche, die bisher für eine rhythmuserhaltende Therapie eher weniger geeignet schienen.
Rolle von Begleiterkrankungen untersucht
In der neuesten Subanalyse, die in dem Fachjournal „Circulation“ veröffentlicht wurde, wurde die Rolle von Begleiterkrankungen untersucht.
Wie der wissenschaftliche Leiter der EAST – AFNET 4 Studie, Professor Paulus Kirchhof vom Universitären Herz- und Gefäßzentrum UKE, Hamburg, erklärt, neigen behandelnde Ärztinnen und Ärzte dazu, relativ jungen und gesunden Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern eine rhythmuserhaltende Therapie anzubieten.
„Nun haben wir innerhalb der EAST – AFNET 4 Studienpopulation die Gruppe der älteren Menschen mit Vorhofflimmern und mehreren zusätzlichen Erkrankungen, insbesondere solchen, welche das Schlaganfall- sowie das Herzinfarktrisiko erhöhen, genauer analysiert und herausgefunden: Auch bei diesen Menschen verhindert eine frühe rhythmuserhaltende Therapie Komplikationen besser als die übliche Behandlung“, so der Experte.
Gerade diese sehr kranken Patientinnen und Patienten sollten seiner Aussage nach also vorrangig mit rhythmuserhaltenden Maßnahmen behandelt werden, um vor Folgeschäden geschützt zu sein.
Subgruppenanalysen durchgeführt
Im Lauf der vergangenen zwei Jahre wurden zudem Subgruppenanalysen zu den folgenden speziellen Fragestellungen durchgeführt:
Rhythmuserhalt bei Herzschwäche: Die in der Fachzeitschrift „Circulation“ veröffentlichten Ergebnisse bestätigen für die Gruppe, bei denen Vorhofflimmern gemeinsam mit einer Herzschwäche oder einer eingeschränkten Pumpfunktion des Herzens auftritt, den Nutzen einer frühen rhythmuserhaltenden Behandlung zweifelsfrei.
Rhythmuserhalt bei asymptomatischen Patientinnen und Patienten: Viele Betroffene spüren keinerlei Symptome und erfahren nur durch Zufall, dass sie an einer Rhythmusstörung leiden. Auch diese als asymptomatisch bezeichneten Personen profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie, wie die in dem „European Heart Journal“ publizierten Ergebnisse zeigen.
Rhythmuserhalt auch bei persistierendem Vorhofflimmern: Laut den Daten schützt ein früher Rhythmuserhalt alle Personen mit Vorhofflimmern vor Komplikationen, unabhängig davon, ob sie wiederkehrende Vorhofflimmeranfälle oder anhaltendes Vorhofflimmern haben oder ob die Rhythmusstörung bei ihnen zum ersten Mal diagnostiziert wurde. Bei der letztgenannten Gruppe führten rhythmuserhaltende Maßnahmen allerdings öfter zu Krankenhausaufenthalten. Daher bleibt der Nutzen für diese Menschen vorerst unklar.
Rhythmuserhalt bei Männern und Frauen: Im Vergleich der Studiendaten von Männern und Frauen erwies sich eine frühe rhythmuserhaltende Therapie bei beiden Geschlechtern als vorteilhaft. Frauen erlitten jedoch unabhängig von der Behandlungsstrategie insgesamt weniger Komplikationen als Männer.
Die Forschenden konnten auch Zweifel, ob möglicherweise Unterschiede in der Behandlung in den beiden Studiengruppen das Ergebnis verfälscht haben könnten, durch Detail-Analysen ausräumen. Die Gerinnungshemmung und die Behandlung von Begleiterkrankungen erfolgte in beiden Studiengruppen gleichermaßen konform mit den derzeit gültigen Leitlinien. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET): Früher Rhythmuserhalt nützt allen Menschen mit Vorhofflimmern, (Abruf: 23.08.2022), Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
- Kirchhof P et al.: Early Rhythm-Control Therapy in Patients with Atrial Fibrillation; in: The New England Journal of Medicine, (veröffentlicht: 01.10.2020), The New England Journal of Medicine
- Rillig A et al.: Early Rhythm Control in Patients With Atrial Fibrillation and High Comorbidity Burden; in: Circulation, (veröffentlicht: 15.08.2022), Circulation
- Rillig A et al.: Early Rhythm Control Therapy in Patients With Atrial Fibrillation and Heart Failure; in: Circulation, (veröffentlicht: 30.07.2021), Circulation
- Willems S et al.: Systematic, early rhythm control strategy for atrial fibrillation in patients with or without symptoms: the EAST-AFNET 4 trial; in: European Heart Journal, (veröffentlicht: 21.03.2022), European Heart Journal
- Goette A et al.: Presenting Pattern of Atrial Fibrillation and Outcomes of Early Rhythm Control Therapy; in: Journal of the American College of Cardiology, (veröffentlicht in: Vol. 80 No. 4, Juli 2022), Journal of the American College of Cardiology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.