Vorhofflimmern: Was man über die Volkskrankheit wissen sollte
Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung in Deutschland. Rund 1,8 Millionen Menschen sind hierzulande davon betroffen. Die Volkskrankheit sollte nicht als lästiges Herzstolpern abgetan werden, denn unbehandelt drohen schwere Herz-Komplikationen und Schlaganfälle. Zwei renommierte Herzexperten erläutern, was man über Vorhofflimmern wissen muss.
Professor Dr. med. Thomas Voigtländer ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses in Frankfurt am Main. Anlässlich des Weltherztages am 29. September 2021 berichtet der Herzexperte, wie Vorhofflimmern entsteht, wie man es erkennt und wie die Volkskrankheit behandelt werden kann.
Wie äußert sich ein Vorhofflimmern-Anfall?
Herzrhythmusstörungen können je nach Ursache, Ursprung und Schweregrad von harmlos bis akut lebensbedrohlich sein. Betroffene leiden nicht selten zusätzlich unter Ängsten und Panik, da es bei Anfällen oft zu heftigen Herzschlägen, einem Druckgefühl in der Brust und zu Luftnot kommt. Die Herzfrequenz kann bei solchen Anfällen 160 unregelmäßige Schläge pro Minute erreichen.
Vorhofflimmern kann lebensbedrohlich sein
„Vorhofflimmern ist eine ernst zu nehmende Herzrhythmusstörung, die manchmal aber auch ohne größere Symptome auftritt“, erklärt Professor Dr. med. Voigtländer. Unbemerkt und unbehandelt könne Vorhofflimmern zur lebensbedrohlichen Gefahr bis hin zu Herzschwäche und Schlaganfall werden.
Wie lässt sich unregelmäßiger Herzschlag feststellen?
„Mit Hilfe der Pulsmessung beim Arztbesuch, in der Apotheke oder einfach zu Hause, lässt sich ganz leicht ein unregelmäßiger Herzschlag feststellen“, so der Herzexperte. Dies sei bereits der erste Schritt, um schwere Komplikationen oder einen Schlaganfall aufgrund von unentdecktem Vorhofflimmern zu verhindern. Dafür müsse mehr sensibilisiert werden, betont der Professor.
Mit zunehmendem Alter und Begleiterkrankungen steigt das Risiko
20 bis 30 Prozent aller ischämischen Schlaganfälle und Herzschwächen lassen sich in Deutschland auf Vorhofflimmern zurückführen. Bei Personen über 60 Jahren sowie bei Betroffenen mit Bluthochdruck ist laut der Deutschen Herzstiftung das Risiko für Vorhofflimmern erhöht. Rund 60 Prozent aller Personen mit Vorhofflimmern haben gleichzeitig auch Hypertonie. „Besonders diese Personen sollten regelmäßig ihren Blutdruck und Puls messen, um dadurch unbemerktes Vorhofflimmern zu vermeiden“, empfiehlt der Kardiologe.
Mit zunehmenden Alter steigt gleichzeitig das Risiko an, aufgrund von Vorhofflimmern einen Schlaganfall zu erleiden. Weiter gesteigert wird das Risiko durch vorhandene Grunderkranken, wie beispielsweise
- koronare Herzkrankheit (KHK),
- Herzschwäche,
- Diabetes,
- Schilddrüsenerkrankungen,
- COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung),
- Adipositas.
Ab 60 Jahren sollte der Puls regelmäßig geprüft werden
Herzkranken Seniorinnen und Senioren wird daher seitens der Deutschen Herzstiftung angeraten, ab 60 Jahren an regelmäßigen Routinekontrollen teilzunehmen, bei denen der Herzschlag mittels einer Pulsmessung überprüft wird. Sogenannte „Wearables“ oder „Smartwatches“ mit Pulsmess- und EKG-Funktion oder entsprechende Apps fürs Smartphone können die Überwachung des Pulses unterstützen. Die Werte sollten jedoch unbedingt zusätzlich in einer Arztpraxis beurteilt werden, rät die Deutsche Herzstiftung.
Warum Vorhofflimmern einen Schlaganfall auslösen kann
Vorhofflimmern wird nach Angaben der Deutschen Herzstiftung durch elektrische Fehlreize im Reizleistungssystem des Herzens ausgelöst, deren Ursprung meist in den Lungenvenen liegt. Diese Venen münden in den linken Vorhof des Herzens. Durch den unregelmäßigen Herzschlags ziehen sich Herzkammern und Herzvorhöfe nicht mehr koordiniert zusammen. Durch das unkoordinierte und rasche Zucken können sich Blutgerinnsel im Vorhof bilden. Wenn sich die Gerinnsel lösen und mit dem Blutstrom weggeschwemmt werden, können sie ein Hirngefäß verstopfen und so einen Schlaganfall auslösen.
Welche Beschwerden weisen auf Vorhofflimmern hin?
Laut der Deutschen Herzstiftung deuten folgende Beschwerden auf Vorhofflimmern hin:
- allgemeine Erschöpfung (Leistungsschwäche),
- Herzstolpern,
- Herzrasen,
- innerer Unruhe,
- Angst,
- Neigung zum Schwitzen,
- Atemnot,
- Schwindelattacken,
- Brustschmerzen,
- kurzzeitige Bewusstlosigkeit.
Bei Patientinnen und Patienten, die bereits unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, haben die Rhythmusstörungen oft stärkere Auswirkungen als bei ansonsten gesunden Personen. Atemnot, Brustschmerzen und Schwindel treten bei dieser Personengruppe besonders häufig auf. „Bei diesen Symptomen sollte man sofort den Arzt aufsuchen“, ergänzt Rhythmologe Professor Dr. med. Andreas Götte vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Er ist zudem Leiter der Kardiologie am St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn.
Wie wird die Gefährlichkeit von Vorhofflimmern ermittelt?
„Der Arzt kann mit einem EKG, Langzeit-EKG oder Ereignis-Rekorder klären, ob das Herzstolpern nur eine harmlose Unregelmäßigkeit des Herzschlags ist oder ob Vorhofflimmern vorliegt“, schildert Professor Götte. Liegt Vorhofflimmern vor, kann je nach Schweregrad die konsequente Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten („Blutverdünner“) erforderlich werden.
Welche Medikamente helfen bei Vorhofflimmern?
Hierfür eignen sich nach Angaben der Deutschen Herzstiftung beispielsweise klassische Medikamente wie die sogenannten Vitamin-K-Antagonisten aus der Wirkstoffgruppe der Cumarine (zum Beispiel Marcumar oder Falithrom) oder neuere Direkte Orale Antikoagulantien (DOAKs). Welche Arznei für wen am geeignetsten ist, muss im Einzelfall ärztlich abgeklärt werden. Da es sich um eine vorbeugende Therapie handelt, werden Medikamente nicht immer bei Vorhofflimmern verschrieben. Die Abwägung erfolgt auf Grundlage des individuellen Schlaganfallrisikos.
Wie hoch das Schlaganfall-Risiko ist, wird in der Regel über die sogenannte CHA2DS2-VASc-Score bestimmt. Zu den relevanten Risikofaktoren gehören beispielsweise Herzschwäche, Bluthochdruck, Diabetes, fortgeschrittenes Alter sowie frühere Thromboembolien. „Je mehr Punkte sich aufgrund des Scores ergeben, umso höher ist das Schlaganfallrisiko und desto dringlicher ist die Einnahme gerinnungshemmender Medikamente“, fasst Götte zusammen.
Gesunder Lebensstil beugt Komplikationen vor
„Oft ist es sinnvoll, Vorhofflimmern bei seltenen Anfällen, die nur ein- bis dreimal im Monat auftreten und nur wenige Sekunden dauern, zunächst nicht zu behandeln, sondern nur die Grunderkrankung, die die Rhythmusstörung verursacht“, erklärt Götte. Betroffene sollten vor allem auf einen gesunden Lebensstil achten. Als nichtmedikamentöse Maßnahmen empfiehlt die Deutsche Herzstiftung drei- bis fünfmal die Woche ein 20- bis 30-minütiges Ausdauertraining, Abnehmen bei Übergewicht, gesunde Ernährung sowie Rauchverzicht und möglichst wenig Alkoholkonsum.
Risikofaktoren für Vorhofflimmern
Selbst geringer Alkoholkonsum von rund 120 Millilitern Wein oder 330 Millilitern Bier pro Tag kann laut der Deutschen Herzstiftung sogar bei gesunden Personen das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen. Schlafentzug, extremer Stress, Rauchen und starker Koffeinkonsum können das Risiko weiter anheben. Darüber hinaus können Störungen des Salzhaushalts mit einem Mangel an Kalium und Magnesium Vorhofflimmern begünstigen.
Katheterablation bei Vorhofflimmern
Neben Medikamenten und Lebensstilinterventionen stehen auch operative Verfahren zur Verfügung. Im Vordergrund steht hier die sogenannte Katheterablation. „Dabei werden durch einen Eingriff per Katheter mittels Kälte, Hitze oder kleiner Stromstöße die Leitungspfade unterbrochen, die das Durcheinander der elektrischen Signale verursachen“, berichtet Götte. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Herzstiftung: Nicht nur lästiges Herzstolpern: Was man über Vorhofflimmern wissen muss (veröffentlicht: 23.09.2021), herzstiftung.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.