Menschen mit einem gestörten Blutzuckerstoffwechsel, die ein Vorstadium des Diabetes aufweisen (= Prädiabetes), haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Demenz und Krebs. Aber ihr individuelles Risiko für diese Erkrankungen unterscheidet sich deutlich. Neue Analysen zeigen, dass die Untersuchung auf Fettleber, vermehrtes Bauchfett sowie Störung der Produktion und Wirkung von Insulin helfen kann, das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Typ-2-Diabetes besser vorherzusagen und vorzubeugen. Diese Ergebnisse wurden von DZD-Wissenschaftlern im renommierten Journal The Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht.
Diabetes und seine Vorstufen haben weltweit epidemische Ausmaße erreicht. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass ein erhöhter Blutzucker bereits bei Prädiabetes mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Demenz und Krebs einhergeht. Aber sogar im Stadium des Prädiabetes unterscheidet sich das Risiko für diese Erkrankungen deutlich zwischen den Menschen. Diese Erkenntnis nahmen Wissenschaftler der Abteilung für Innere Medizin IV des Universitätsklinikums Tübingen und des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München, Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), zum Anlass zu untersuchen, welche Faktoren diese Unterschiede im Krankheitsrisiko erklären könnten.
Typ-2-Diabetes ist nicht gleich Typ-2-Diabetes
Mehrere Mechanismen spielen bei der Entstehung des Typ-2-Diabetes eine Rolle. Aber im klinischen Alltag ist es schwierig, diese Mechanismen auseinanderzuhalten – was für die personalisierte Prävention und Therapie des Diabetes sehr hilfreich wäre. Beispielsweise kann nur der Nüchternblutzucker erhöht sein oder es kann vorkommen, dass der Zuckerstoffwechsel innerhalb weniger Stunden nach der Nahrungsaufnahme entgleist. Bei anderen Patienten wiederum sind beide Phänomene zu beobachten. Anhand der Erscheinungsbilder lassen sich verschiedene „Risiko-Phänotypen“ unterscheiden.
Phänotypen bestimmen das Herz-Kreislauf-Risiko
Im Rahmen einer Analyse der Daten von 1.003 Teilnehmern der Tübinger Diabetes Familienstudie, bei der 405 Menschen Prädiabetes hatten, waren die vier Risiko-Phänotypen Fettleber, vermehrtes Bauchfett – gemessen im Rahmen einer Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) – und eine Störung der Produktion und Wirkung von Insulin ausschlaggebend für das Diabetes-Risiko. Die drei Risiko-Phänotypen Fettleber und eine Störung der Produktion und Wirkung von Insulin sagten auch voraus, wie erfolgreich eine Lebensstilintervention zur Normalisierung erhöhter Blutzuckerwerte bei Menschen mit Prädiabetes war. Zudem zeigten vor allem Patienten mit Fettleber und vermehrtem Bauchfettgehalt eine Verdickung der Halsschlagader und somit ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen.
Phänotypen des Prädiabetes
Basierend auf dem zunehmenden Wissen über das Vorliegen der verschiedenen Phänotypen des Stoffwechsels, die den stoffwechselgesunden fettleibigen Menschen und den stoffwechselkranken normalgewichtigen Menschen charakterisieren, haben die Wissenschaftler die Häufigkeit der vier Risiko-Phänotypen unter den unterschiedlichen BMI-Kategorien (Normalgewicht, Übergewicht, Fettleibigkeit) bei Menschen mit normalen Blutzuckerwerten und bei Menschen mit Prädiabetes untersucht. Sie konnten zeigen, dass zwischen den BMI-Kategorien eine unterschiedliche Verteilung dieser Phänotypen vorliegt (Abbildung). Während z.B. ein Insulinproduktionsdefekt der mit Abstand häufigste Risiko-Phänotyp bei normalgewichtigen Menschen mit Prädiabetes ist, nehmen die Häufigkeiten der Fettleber und des vermehrten Bauchfettgehalts bei übergewichtigen und adipösen Menschen deutlich zu.
Schlussfolgerungen für Prävention und Therapie
Norbert Stefan, Erstautor der Arbeit, schlägt vor, dass „nach der Klassifikation der Kategorien normale Zuckerstoffwechsellage und Prädiabetes, die Fettleber, der vermehrte Bauchfettgehalt und eine Störung der Produktion und Wirkung von Insulin bei der Beurteilung des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen und von Typ-2-Diabetes berücksichtigt werden sollen. Wenn sich dieses Vorgehen als erfolgsversprechend herausstellen sollte, dann könnte es Einzug in die medizinischen Leitlinien zur Prävention und Therapie von Diabetes und der damit verbundenen Erkrankungen halten.“ Hans-Ulrich Häring, Letztautor der Arbeit, fügt hinzu, dass „die Anwendung von präzisen Phänotypisierungsstrategien im Rahmen von klinischen Studien das Verständnis der Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen und des Typ-2-Diabetes verbessern wird.“
Original-Publikation:
Norbert Stefan, Andreas Fritsche, Fritz Schick, Hans-Ulrich Häring. Phenotypes of prediabetes and stratification of cardiometabolic risk. Lancet Diabetes & Endocrinology 2016 [epub ahead of print] DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S2213-8587(16)00082-6
Autoren- und Quelleninformationen
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