Viele Menschen erleben Stress. Dieser äußert sich in der Nacht nicht selten mit Zähneknirschen. Die Betroffenen pressen und knirschen während des Schlafs mit den Zähnen. Das kann jedoch zu ernsthaften Folgebeschwerden führen.
„Eine Bagatellisieren von Zähneknirschen wäre falsch“, sagt Peter Minder, Zahnarzt aus Osterode. „Die Zähne werden kürzer, es gibt kein Fissurenrelief mehr, die oberste Schicht wird auf Dauer weggerieben“, erklärt auch Thomas Wolf vom Bundesvorstand des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte. Etwa acht Prozent der deutschen Erwachsenen knirschen laut zahnärztlicher Experten nachts mit den Zähnen. Erst ab einem Alter von über 65 Jahren nehme das Problem wieder ab, von den Älteren sollen nur noch drei Prozent knirschen. Beim Zähneknirschen, auch Bruxismus genannt, werden Zahnschmelz, Kiefermuskeln- und gelenke teilweise enorm beschädigt. Außerdem können neben der Kaumuskulatur auch andere Muskelgruppen geschädigt werden, die zur Stabilisierung des Kopfes angespannt werden. Unterschieden wird zwischen tag- und nachtaktiven Knirschern. Die zahnärztliche Leiterin des Bereichs Psychosomatik in der Zahnheilkunde an der Universitätspoliklinik in Münster, Dr. Anne Wolowski erklärte: „Beim Schlafbruxismus knirschen die Betroffenen eher, beim Wachbruxismus pressen sie meist die Zähne zusammen“.
Gravierende gesundheitliche Folgeschäden
Die gesundheitlichen Folgeschäden können gravierend sein. So kann es unter anderem zu schweren Schmerzsyndromen und Ohrensausen kommen. Oft treten auch Schwindel, Sehstörungen und Übelkeit auf. Zudem leiden Betroffene häufig an Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Schulterschmerzen und Schmerzen an der Beckenmuskulatur. Des weiteren führt das Zähneknirschen teilweise zu Schlafproblemen und Zahnproblemen. Dazu zählen etwa Risse im Zahnschmelz, abgebrochene Ecken, lockere Füllungen, Kieferfehlstellungen und vollkommen weggeriebene Zahnsubstanz. Viele Betroffene bemerken aber erst mal gar nichts davon und suchen erst dann Hilfe beim Zahnarzt, wenn der Schaden bereits groß ist. „Es kommt vor, dass wir alle Zähne überkronen müssen, weil sie so geschädigt sind“, sagte die Münsteraner Zahnspezialistin.
Unterschiedliche Ursachen
Die Ursachen für Bruxismus sind wissenschaftlich noch immer wenig erforscht. Als Risikofaktoren gelten unter anderem Schlafstörungen, aber auch Einflüsse durch Alkohol, Rauchen, Koffein oder manche Medikamente. Es können auch Abweichungen im Kiefergelenk oder Zahnfehlstellungen Ursache für die zahnvernichtende Aktivität sein. Laut zahlreichen Experten zählen zudem seelische Probleme bis hin zu Depressionen, chronischer Stress oder Angst zu den Auslösern. „Vielen fehlt die Fähigkeit, in Phasen, die nicht stressig sind, zu entspannen“, so Wolowski. Die Spezialistin erklärte weiter: „Die Stresssituation ist also der Auslöser, das Problem aber das nicht mehr Abschalten können.“
Aufbissschienen schützen das Gebiss
Normalerweise wird Bruxismus von einem Zahnarzt diagnostiziert. Als Standardtherapie gilt eine sogenannte Knirscherschiene (Aufbissschiene), die die Betroffenen in der Regel nachts tragen müssen. Mit diesen Kunststoffschienen soll die Überlastung der Zähne, Muskeln und Gelenke verhindert, das Gebiss geschützt und Unregelmäßigkeiten ausgeglichen werden. In einer wissenschaftlichen Stellungnahme empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und –therapie (DGFDT) harte Schienen, die über die Zähne gestülpt auch auf der anderen Seite ein Kauflächenrelief haben, das den Oberkiefer beim Zubeißen in eine möglichst optimale Haltung bringt. „Weiche Schienen empfehlen wir nicht, denn die gibt so sehr nach, dass sie einen Kaugummieffekt auslöst“, so Wolowski. Allerdings wird durch diese Therapie am Grundproblem des Knirschens nichts geändert.
Mechanismen zur Stressbewältigung
Um das Problem an der Wurzel zu packen, sollte man Mechanismen zur Stressbewältigung erlernen und die Selbstwahrnehmung schärfen. „Jemand, der einen vollkommen verspannten Nacken hat, hilft man nicht weiter, indem man ihn auffordert, einfach mal locker zu lassen. Der kann das nicht“, erläuterte die Zahnspezialistin. Experten raten in diesem Zusammenhang oft zu Yoga, Autogenem Training, Hypnotherapie, Progressiver Muskelrelaxation nach Jacobsen, Biodfeedback oder einer Verhaltenstherapie. In der Physiotherapie werden zunächst hartnäckige Verkrampfungen gelöst und danach lernen die Patienten, wie sie den Kiefer entlasten können und wie Kaubewegungen und das Öffnen und Schließen des Kiefers gerade ausgeführt werden. Neuerdings bieten Zahnärzte auch eine Behandlung mit Botox an, um die durch das Mahlen der Zähne verhärtete Muskulatur zu entspannen. Allerdings gibt es dafür noch wenig Erkenntnisse über die längerfristigen Folgen. Von Medikamenten, die kurzfristig für Abhilfe sorgen, raten Experten hingegen meist ab. (ad)
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