Anhebung der Versicherungspflichtgrenze ermöglicht Rückkehr in die Gesetzliche Krankenversicherung
13.01.2012
Mit dem Jahreswechsel haben sich einige Bedingungen im Bereich der Krankenversicherungen geändert. Als wesentliche Abweichungen gegenüber dem Vorjahr sind eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, die Einführung von Unisex-Tarifen und deutliche Beitragserhöhungen bei einigen privaten Krankenversicherungen zu nennen.
Durch die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze auf 50.850,- Euro Jahreseinkommen ab Januar 2012, wird vielen Privatversicherte die bisher ausgeschlossene Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ermöglicht. So berichteten einige gesetzlichen Krankenkassen jüngst über eine massive Wechselwelle von der PKV in Richtung GKV. Angesichts der Beitragserhöhungen bei mehreren privaten Krankenversicherungen scheinen mehr Menschen von der Wechselmöglichkeit Gebrauch zu machen, als von der Politik ursprünglich erwartet. Der PKV-Verband dementierte jedoch umgehend die angebliche Wechselwelle in Richtung der GKV und betonte, dass die privaten Krankenversicherungen in den vergangenen Jahren massiv Mitglieder gewinnen konnten. Dies bestätigten auch die Debeka und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Rückstrom von Privatversicherten in die GKV
Der regelrechte Ansturm von „Rückwechslern“ ist dennoch nicht von der Hand zu weisen. Denn während der Wechsel in die PKV von der schwarz-gelben Bundesregierung in den letzten Jahren kontinuierlich erleichtert wurde und viele gut verdienende Beschäftigte in Richtung der PKV wechselten, wurde Anfang 2012 durch die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze eine Rückkehr in die GKV vereinfacht. Im Zusammenspiel mit den teilweise erheblichen Beitragserhöhungen in der PKV hat dies zur Folge, dass Branchenkenner für das Jahr 2012 mit einem Rückstrom in Richtung der GKV rechnen. Hier dürfte ebenfalls eine Rolle spielen, dass laut berichten des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ einige private Krankenversicherungen zum Jahresbeginn ihre Beiträge um bis zu 50 Prozent erhöht haben, wobei insbesondere ältere Menschen häufig von drastischen Beitragserhöhungen betroffen seien.
Anhebung der Versicherungspflichtgrenze erleichtert die Rückkehr zur GKV
Die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze zum Jahresbeginn 2012 ermöglicht zahlreichen Privatversicherten nun eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung. Denn seit Januar 2012 besteht eine Versicherungspflicht in der GKV erst für Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen bis zu 50.850,- Euro (Monatseinkommen von 4.237,50 Euro). Im Jahr 2011 lag diese Grenze noch bei 49.500,- Euro (Monatseinkommen von 4.125,- Euro). Bei Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze steht den Betroffenen frei, ob sie in die private Krankenversicherung wechseln möchten oder sich stattdessen in der GKV freiwillig versichern lassen. Durch die deutliche Anhebung der Versicherungspflichtgrenze fallen jedoch zahlreiche Arbeitnehmer, die im vergangenen Jahr noch über der Einkommensgrenze lagen, wieder unter die Versicherungspflicht in der GKV. Wer bereits in die PKV gewechselt hat, jedoch weniger als 50.850,- Euro im Jahr verdient, kann nun wieder in die GKV zurückkehren. Eine Ausnahme bilden hier Versicherte, die bereits vor dem Jahr 2003 in die PKV wechselten. Für sie gilt eine Versicherungspflichtgrenze von 45.900,- Euro Jahreseinkommen beziehungsweise 3.825,- Euro Monatseinkommen.
Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
Privatversicherte, die aufgrund des zu geringen Einkommens wieder unter die Versicherungspflicht der GKV fallen würden, können sich jedoch von der Versicherungspflicht befreien lassen und weiter privat krankenversichert bleiben. Allerdings kann die Befreiung von der GKV-Versicherungspflicht anschließend nicht mehr widerrufen werden, so die Aussage im Sozialgesetzbuch V (SGB V, §8 Absatz 2). Damit bleiben die Versicherten fortan in der Regel an die PKV gebunden – allerdings ermöglichen einige Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen unter Umständen trotzdem eine Rückkehr. Zum Beispiel bleiben die Betroffenen zwar solange von einer Rückkehr ausgeschlossen, wie sie in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig sind (auch bei weiter sinkendem Einkommen), doch sobald sie ihren Job verlieren und Arbeitslosengeld I beziehen, werden sie wieder in der GKV versicherungspflichtig. Die Betroffenen können in einem solchen Fall ihre private Krankenversicherung kündigen und sich eine neue gesetzliche Krankenkasse suchen, so die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25. Mai 2011 (Az.: B 12 KR 9/09 R).
Möglichkeiten das Einkommen unter die Versicherungspflichtgrenze zu drücken
Wer unbedingt in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren möchte, jedoch mit seinem Einkommen auch im Jahr 2012 über der Versicherungspflichtgrenze liegt, hat unter Umständen die Möglichkeit sein Einkommen durch Einzahlungen in eine betriebliche Altersvorsorge unter die kritische Einkommensgrenze zu drücken. Dabei können Arbeitnehmer bis zu 224 Euro ihres Bruttomonatseinkommens beitragsfrei über eine Entgeltumwandlung für die Altersvorsorge bei Seite legen und auf diese Weise ihre sozialbeitragspflichtigen Einkünfte im Jahr um 2.688 Euro reduzieren. Eine weitere Option zur Senkung des versicherungspflichtigen Einkommens ist die Bildung von Rückstellungen aus Einkommensbestandteilen auf einem Langzeit- beziehungsweise Lebensarbeitszeitkonto. Liegt durch derartige Maßnahmen das jährliche Einkommen unter der Versicherungspflichtgrenze, haben die betroffenen Privatversicherten die Möglichkeit in die GKV zurückzukehren.
Ab 55 Jahren keine Rückkehr in die GKV mehr möglich
Allerdings gilt stets die Altersgrenze von 55 Jahren als zeitliches Ultimatum für eine Rückkehr in die GKV. Privatversicherte, die bereits 55 Jahre oder älter sind, haben in der Regel keine Option mehr, in die GKV zurückkehren, so die Aussage im § 6, Abs. 3a des SGB V. Demnach bleibt „nach Vollendung des 55. Lebensjahres“ die Rückkehr in die GKV versperrt, wenn die Betroffenen in den letzten fünf Jahren zu keinem Zeitpunkt gesetzlich versichert waren. 55 Jahre ist meist auch das Alter, ab dem die Beiträge in der PKV einen rasanten Anstieg erfahren. So sollten sich wechselwillige Privatversicherte in jedem Fall vor ihrem 55. Lebensjahr um eine Rückkehr in die GKV bemühen. Diese Rückkehr kann sich nach Einschätzung der Experten vor allem für ältere Versicherte mit Kindern lohnen. Denn sie haben in der GKV keine einschneidenden Beitragserhöhungen mit zunehmendem Lebensalter zu befürchten und können außerdem ihre Kinder sowie gering verdienende Ehepartner beitragsfrei über die Familienversicherung in der GKV unterbringen.
Missbrauch der Solidargemeinschaft?
Allerdings ist zu erwähnen, dass eine Flucht aus der Solidargemeinschaft der GKV bei hohem Einkommen und gutem Gesundheitszustand in jungen Jahren, sowie eine anschließende Rückkehr im höheren Lebensalter, bei vergleichsweise schlechterem Gesundheitszustand, sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers ist. Hier wird das Solidaritätsprinzip der GKV ausgehebelt, zu Lasten derjenigen, für die aufgrund des zu geringen Einkommens kein Wechsel in die PKV in Frage kommt. Nicht ohne Grund bestehen zahlreiche regulatorische Hürden, die eine Rückkehr aus der PKV in Richtung GKV erschweren beziehungsweise unmöglich machen sollen. Durch die vermehrte Ausnutzung von Schlupflöchern und Ausnahmeregeln im Zusammenspiel mit der aktuellen Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, scheint hier die Intention des Gesetzgebers jedoch nicht erreichbar. Die Wechselwelle in Richtung der GKV ist daher durchaus kritisch zu bewerten, auch wenn sich die gesetzlichen Krankenkasse nach eigenen Angaben über den Zustrom von Versicherten freuen. (fp)
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