Wegberger Klinikskandal: Chefarzt gesteht Körperverletzung mit Todesfolge
02.03.2011
Der ehemalige Chefarzt gesteht vor Gericht fehlerhafte, unnötige Operationen und die Versorgung von Wunden mit Zitronensaft. Im Prozess um den Wegberger Klinikskandal legte der Ex-Chefarzt, Arnold Pier, gestern vor dem Mönchengladbacher Landgericht ein umfassendes Geständnis ab.
Nachdem der Chefarzt des Wegberger Krankenhauses zum Prozessauftakt im Jahr 2009 noch alle Anschuldigungen bestritten hatte, gestand der Mediziner gestern, Patienten fehlerhaft und unnötig ohne Einwilligung operiert zu haben. Außerdem sei Zitronensaft zur Behandlung eingesetzt und die Bedeutung einer Patientenverfügung ignoriert worden, bestätigte Arnold Pier die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft. Schon nach den ersten Vorwürfen im Jahr 2007 hatte die Grüne Landtagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen Dr. Ruth Seidl erklärt, die ungewöhnliche Machtfülle des Klinikleiters als Besitzer, Chefarzt und ärztlicher Direktor habe nach Expertenmeinung einen solchen Skandal erst möglich gemacht.
Machtposition als Chefarzt, Klinikinhaber und ärztlicher Direktor
Nur ein Jahr vor den ersten Anzeichen des Wegberger Klinikskandals hatte der ehemalige Chefarzt Arnold Pier im Jahr 2006 die Sankt Antonius Klinik in Wegberg gekauft und fortan offenbar seine Machtposition missbraucht. Mit fatalen Folgen für die Patienten. Nachdem mehrere Patienten verstarben und die Vorwürfe der Angehörigen immer massiver wurden, kamen durch eine anonyme Anklage bereits 2007 die ersten ersten Missstände ans Tageslicht und das Gericht entzog dem Chefarzt seine Approbation. Im Jahr 2009 klagte die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach den ehemaligen Chefarzt der Wegberger Klinik unter anderem wegen des Todes von sechs Menschen an. Einige der Angehörigen der Todesopfer, wie beispielsweise Gerhard Lenzen aus Mönchengladbach, dessen Mutter im Januar 2007 in dem Klinikum gestorben war, traten dabei als Nebenkläger auf. Doch Arnold Pier zeigte sich zum Prozessauftakt 2009 wenig einsichtig und statt eines Geständnisses kam ein Befangenheitsantrag seiner Anwälte gegen Richter Lothar Beckers und eine Beisitzerin. Für die Angehörigen ein Schlag ins Gesicht, wie auch Gerhard Lenzen nach dem Prozessauftakt bestätigte. „Kaum jemand denkt an die Opfer“, kritisierte der Nebenkläger damals.
Ehemaliger Chefarzt gesteht Körperverletzung mit Todesfolge
Nun hat sich der ehemalige Chefarzt angesichts des relativ großzügigen Verständigungsvorschlag des Gerichtes (dreieinhalb bis viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe und Berufsverbot gegen ein Geständnis) offenbar eines besseren besonnen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft erklärten ihr Einverständnis mit dem Vorschlag des Gerichtes und der Angeklagte gab gestern mehrere Körperverletzungen mit Todesfolge sowie eine Reihe weiterer Körperverletzungen zu. Auch den Vorwurf der Behandlung mit Zitronensaft und der Missachtung einer Patientenverfügung bestätigte der ehemalige Chefarzt am Dienstag vor Gericht. Das Gericht signalisierte, dass bei der bevorstehenden Haftstrafe von maximal viereinhalb Jahren aufgrund der „überlangen Verfahrensdauer“ 9 bis 13 Monate als bereits vollstreckt angerechnet werden sollen.
Geständnis des Mediziners erleichtert Urteilsfindung erheblich
Das Mönchengladbacher Landgericht ist dem ehemaligen Chefarzt mit der drohenden Strafe sicher auch ein Stück weit entgegen gekommen, um das schwierige bisweilen zähe Verfahren in einem der größten deutschen Prozesse dieser Art zu einem Abschluss zu bringen. Denn der Nachweis von Behandlungsfehlern gestaltet sich teilweise äußerst kompliziert und ein Geständnis vereinfacht die Urteilsfindung hier erheblich. So zeigte sich trotz des relativ milden Strafmaßes auch Nebenkläger Gerhard Lenzen angesichts der Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zufrieden. Denn endlich habe der Angeklagte seine Verfehlungen gestanden und das Gerichtsverfahren, das alle Beteiligten und Betroffenen schon genug Nerven gekostet habe, könne nun zu einem Ende gebracht werden, erklärte der Nebenkläger gegenüber der „Rheinischen Post“. Derweil erholt sich auch die Klinik Wegberg nach dem Weiterverkauf im Oktober 2009 allmählich von dem Skandal, den der ehemalige Chefarzt, Inhaber und ärztliche Direktor ausgelöst hatte. (fp)
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Bildnachweis: Gerd Altmann, Pixelio.de
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