Dick durch Weichmacher – Veränderungen im Hormonhaushalt führen zu Übergewicht
In Kunststoffen enthaltene Weichmacher wie Phthalate können über die Haut oder die Nahrung aufgenommen werden und das Hormonsystem deutlich beeinträchtigen. Seit längerem stehen die Weichmacher bereits im Verdacht, Einfluss auf das Körpergewicht zu nehmen, allerdings waren „die genauen Zusammenhänge und Mechanismen bislang noch unklar“, so die aktuelle Mitteilung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Für das Phthalat DEHP haben Forscher des UFZ nun in Kooperation mit Wissenschaftlern vom Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Adipositas Erkrankungen der Universität und des Universitätsklinikums Leipzig den Stoffwechselweg identifiziert, der die Gewichtszunahme verursacht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „PLOS ONE“.
Den Angaben der Forscher zufolge gibt es „für die Entwicklung von Übergewicht viele Ursachen“, wobei „neben falschen Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel sicherlich auch genetische Faktoren eine Rolle“ spielen. Allerdings ist der Einfluss bestimmter Umweltschadstoffe nicht zu unterschätzen. So könnten zum Beispiel Phthalate für die Entwicklung von Übergewicht mitverantwortlich sein. Denn laut Professor Martin von Bergen, Leiter des Departments Molekulare Systembiologie am UFZ wurden „in epidemiologischen Studien bereits ernstzunehmende Zusammenhänge zwischen erhöhten Phthalat-Konzentrationen im menschlichen Körper und der Entwicklung von Übergewicht nachgewiesen.“ Diese sollten daher „weitergehend mechanistisch untersucht werden“, begründet der UFZ-Experte die aktuelle Studie.
Weichmacher können aus der Verpackung auf Lebensmittel übergehen
In Deutschland ist den Angaben der Forscher zufolge fast jeder zweite Erwachsene übergewichtig und selbst bei Kindern und Jugendlichen seien bereits rund 15 Prozent von Übergewicht betroffen. „Die Zahlen sind alarmierend, denn mit jedem Kilo, das zu viel ist, erhöht sich das Gesundheitsrisiko für Herzkreislauferkrankungen, Gelenkschäden, chronische Entzündungen und Krebs“, betont Professor Martin von Bergen. Zudem steige weltweit die Zahl der Menschen mit Übergewicht stetig an. Welchen Einfluss Weichmacher dabei auf die Entwicklung haben, ist bislang unklar. Grundsätzlich sind diese in Kunststoffen enthalten, um sie weich, biegsam oder dehnbar zu machen. Allerdings können die Phthalate „unter bestimmten Bedingungen auch aus dem Material austreten und über die Nahrung in unseren Körper aufgenommen werden“, warnen die Forscher. So würden bei Lebensmittelverpackungen Phthalate insbesondere in fetthaltige Produkte übergehen, beispielsweise in Käse oder Wurst.
Deutliche Gewichtszunahme und veränderter Stoffwechsel
Welche Wirkung aufgenommene Weichmacher im Organismus entfalten, und wie sie Einfluss auf das Körpergewicht nehmen können, bliebt bisher weitestgehend unklar. Die Wissenschaftler des UFZ und des IFB haben daher anhand von Mäusen den Effekt des Weichmachers DEHP untersucht. Dr. Nora Klöting und Professor Matthias Blüher vom IFB ließen in Versuchen an der Universität Leipzig Mäuse das Phthalat DEHP über ihr Trinkwasser aufnehmen. Die Tiere legten anschließend deutlich an Gewicht zu, wobei „dies vor allem bei den weiblichen Tieren der Fall“ war, berichten die Forscher. Am UFZ erfolgte eine Untersuchung von Blutproben der Mäuse, mit dem Schwerpunkt auf einer Charakterisierung der Stoffwechselprodukte im Blut. Dabei konnten die Forscher feststellen, „dass der Anteil ungesättigter Fettsäuren im Blut unter Phthalat-Einwirkung zunahm und der Glukosestoffwechsel gestört war“, so die Mitteilung des UFZ. Darüber hinaus sei „auch die Zusammensetzung von im Blut befindlichen Rezeptoren, die für den Gesamtstoffwechsel wichtig sind und zu einer Umstellung des Stoffwechsels führen können“, verändert gewesen.
Eingriff in den Hormonhaushalt
Die Wissenschaftler berichten weiter, dass einige Stoffwechselprodukte, die vom Fettgewebe gebildet werden, unter anderem auch als Botenstoffe aktiv seien und die Funktionen in anderen Organen steuern. „Noch ist aber nicht abschließend geklärt, wie sich die unterschiedlichen Effekte von Phthalaten auf den Stoffwechsel untereinander beeinflussen und letztlich zu einer Gewichtszunahme führen“, betont Professor Martin von Bergen. Fest stehe allerdings, dass Phthalate ganz offensichtlich massiv in den Hormonhaushalt eingreifen. „Bereits in geringen Konzentrationen führen sie zu deutlichen Veränderungen, wie beispielsweise der Gewichtszunahme“, erklärt von Bergen.
Grundlagenforschung zur Risikobewertung
In weiteren Untersuchungen planen die Wissenschaftler des UFZ, der Universität und des Universitätsklinikums Leipzig den Einfluss von Phthalaten auf den Stoffwechsel weiter zu erforschen. Auch wird darüber hinaus die Wirkung der Weichmacher auf die Entwicklung frühkindlicher Erkrankungen von Professor Martin von Bergen gemeinsam mit UFZ-Kollegen aus dem Department Umweltimmunologie im Rahmen der Mutter-Kind-Studie LiNA untersucht. Der Molekularbiologe betont, das eine „solide Grundlagenforschung“ Ziel ihrer Arbeit sei. Die Ergebnisse könnten „dann den für die Risikobewertung von Chemikalien zuständigen Behörden auf deutscher und europäischer Ebene helfen, ihre Bewertungen vorzunehmen“, so Professor Martin von Bergen. (fp)
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