Nach Transplantationsskandal warten weniger Menschen auf Organe
10.06.2014
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, ist die Zahl der Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, deutlich zurückgegangen. Dies könne möglicherweise damit zu tun haben, dass Ärzte nach dem Organspende-Skandal ihren Patienten seltener zu einer Transplantation raten.
Deutlich weniger Patienten warten auf ein Spenderorgan
Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) berichtet in ihrer Dienstagsausgabe, dass die Zahl der Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, deutlich zurückgegangen ist. Demnach wies die Deutsche Stiftung Organtransplantation am „Tag der Organspende“ auf das Schicksal der rund 11.000 Menschen hin, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen. Täglich sterben drei von ihnen, da sie nicht rechtzeitig ein Organ erhalten. Dem Bericht zufolge sollen hierzulande aber jahrzehntelang 12.000 auf der Warteliste gestanden haben. Wie erklärt sich also, dass es zuletzt laut dem aktuellsten Bericht der Stiftung Eurotransplant nur noch 10.784 gewesen sind?
Organspende-Skandale ließen Spendenbereitschaft sinken
Dass sie plötzlich genesen sind, „kann wohl ebenso ausgeschlossen werden wie eine bessere Versorgung mit Organen“, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz gegenüber der SZ. Die Spendenbereitschaft war infolge der Organspende-Skandale, bei denen an mehreren Universitätskliniken Manipulationen bei Transplantationen aufgedeckt worden waren, im vergangenen Jahr auf einen historischen Tiefstand gesunken. Lediglich 876 Organspender waren 2013 zu verzeichnen gewesen. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres sanken sie weiter um 4,7 Prozent auf 287. „Es ist durchaus möglich, dass seit dem Skandal weniger Patienten auf die Warteliste möchten“, so Richard Viebahn, Vorsitzender der Ethikkommission der Deutschen Transplantationsgesellschaft. Möglicherweise könnten die Medienberichte über das Für und Wider der Transplantationen dazu geführt haben.
Ärzte wägen mittlerweile offenbar stärker ab
Es werde jedoch gemutmaßt, dass die Gründe vor allem bei den Ärzten zu suchen seien. Offenbar wägen diese stärker ab, bevor sie einen Patienten listen. So entscheiden sie mitunter, gesünderen Patienten eine weniger belastende Behandlung anzubieten oder schwerstkranke Patienten wegen der oft nur geringen Überlebenschance seltener zu listen. „Es wird jetzt über jeden einzelnen Patienten ausführlich diskutiert“, so Eurotransplant-Präsident Bruno Meiser. Seit den Skandalen entscheiden nicht mehr einzelne Ärzte über die Aufnahme auf die Warteliste, sondern Teams von mindestens drei Medizinern. Meiser erklärte, dass diesen auch bewusst sei, dass es noch weniger Organe zu verteilen gibt als früher.
Warteliste wurde besonders oft bei der Leber manipuliert
Vor allem bei zwei Organen sei die verkürzte Liste auffällig. Während ebenso viele Menschen wie vor fünf Jahren auf Herzen und Nieren warten, sind es bei Lunge und Leber rund 30 Prozent weniger als noch im Jahr 2009. Seit Kurzem entscheiden bei der Lunge Messwerte der Körperfunktionen und weniger die Ärzte darüber, ob ein Patient überhaupt gelistet werden darf. Und die Leber sei das Organ, bei dem die Warteliste besonders oft manipuliert und das viel zu kranken Patienten transplantiert wurde. Viele von ihnen seien bereits im ersten Jahr nach der Transplantation gestorben – und mit ihnen auch das gespendete Organ.
Menschen zum Ausfüllen eines Organspendeausweises bewegen
Dem Rückgang der Spendenbereitschaft hat sich auch die Politik angenommen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wirbt für mehr Organspenden mit der Kampagne „Ich entscheide“. Damit sollen möglichst viele Menschen zum Ausfüllen eines Organspendeausweises bewegt werden. Laut einer Umfrage im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erklärten sich zwar 68 Prozent der Deutschen einverstanden, ihre Organe nach dem Tod zu spenden. Doch nur 28 Prozent der Bundesbürger haben einen Organspendeausweis. (ad)
Bild: Lothar Wandtner / pixelio.de
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