Transition: Wenn chronisch kranke Kinder erwachsen werden
10.05.2014
In der Vergangenheit waren viele chronisch kranke Kinder häufig früh gestorben. Dank dem medizinischen Fortschritt werden sie heutzutage oft älter; dadurch offenbart sich eine Lücke bei der ärztlichen Betreuung. Ein relativ junger Bereich der Medizin bemüht sich um einen bessere Versorgung: die Transitionsmedizin.
27 Prozent der Jugendlichen leiden an chronischen Krankheiten
Etwa 27 Prozent der 12- bis 18-jährigen Kinder und Jugendlichen leiden an einer chronischen Krankheit; dies gab der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Wolfram Hartmann, im vergangenen Jahr an. Wenn chronisch Kranke erwachsen werden, sind Mediziner dem nicht immer gewachsen. In der Regel geben Kinderärzte ihre Patienten, wenn diese 18 Jahre alt werden, an Erwachsenenärzte weiter. Dabei entstehen häufig Lücken bei Fragen, die bei Menschen mit einer chronischen Erkrankung wie Asthma, Diabetes oder Mukoviszidose (CF) komplexer zu beantworten sind, wie etwa zu Sexualität, Berufswahl oder Kinderwunsch. Zudem kommen bei Erwachsenen oft neue gesundheitliche Komplikationen hinzu, wie Bluthochdruck, Osteoporose oder Gelenkerkrankungen. „Diese Patienten brauchen eine bessere Versorgung in der Erwachsenenmedizin“, sagte Silvia Müther, Vorstandsmitglied in der Deutschen Gesellschaft für Transitionsmedizin, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Unter Transitionsmedizin versteht man den Übergang von einer kinderzentrierten hin zu einer erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung.
Viele Pädiater sind überfordert
Häufig starben Patienten in der Vergangenheit bevor sie erwachsen wurden, wenn sie an bestimmten chronischen Krankheiten litten. So etwa bei der vererbbaren Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt. Laut dem Bericht „Qualitätssicherung Mukoviszidose“ von 2011 ist die Lebenserwartung solcher Patienten jedoch enorm gestiegen. Waren vor rund 35 Jahren weniger als zwei Prozent von ihnen erwachsen, so sind es heute etwas mehr als die Hälfte. Im Mittel erreichten sie 2011 das 40. Lebensjahr. Eine Umfrage des Projektes Mukoviszidose ergab, dass knapp 40 Prozent der erwachsenen CF-Patienten weiter in der Pädiatrie (Kinderheilkunde) versorgt werden. Der Lungenarzt Carsten Schwarz vom CF-Zentrum der Berliner Charité meinte, dass viele Pädiater überfordert und Erwachsenenärzte oft nicht ausreichend mit den seltenen Krankheiten vertraut seien.
Bedarf für Transitionsmedizin ist da
Wie der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Michael Manns erklärte, sei der Bedarf für Transitionsmedizin da. „Die Pädiater kommen selbst auf uns Internisten zu. Sie wollen, dass die Bezugsperson wechselt“, so der Experte. Pädiater und Erwachsenenarzt sollten sich zwei Jahre lang gemeinsam um den Patienten kümmern, meinen Transitionsmediziner. Unter anderem wird dies am Christiane Herzog CF-Zentrum an der Frankfurter Uniklinik erprobt. Dort sind Erwachsenenärzte Teil des Teams und deshalb müssen heranwachsende Patienten nicht plötzlich zu fremden Ärzten wechseln. Christina Smaczny, Oberärztin an der Frankfurter CF-Ambulanz, sagte, dass solche Strukturen finanziell unterstützt werden sollten. Derzeit überlebten die Zentren nur durch Spenden. Sie hält es für sinnvoll, die Kosten als Vorsorge fest ins Programm der Krankenkassen aufzunehmen. Dies sieht der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, GKV, jedoch anders: „Diese Probleme löst man nicht durch mehr Geld, sondern durch eine bessere Kooperation der Ärzte untereinander“, teilte ein Sprecher mit.
In der Erwachsenenmedizin geht alles schneller
In der Erwachsenenmedizin läuft vieles anders als in der Pädiatrie. „Es geht alles viel schneller“, meint die Berliner Kinder- und Jugendärztin Silvia Müther, die im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Transitionsmedizin ist. Es falle Jugendlichen oft schwer, ohne ihre Eltern alleine die Verantwortung zu übernehmen. Auch der Leiter der Abteilung für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie an der Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr. med. Berthold P. Hauffa, äußerte sich im vergangenen Jahr ähnlich: „In der Erwachsenenmedizin treten viele junge Menschen in eine ganz neue Welt ein. In der Pädiatrie waren sie es gewohnt, zusammen mit ihren Eltern die Ratschläge, die der Kinder- und Jugendarzt vorgibt, anzunehmen und den Behandlungsvorgaben des Arztes einfach zu vertrauen.“ Noch sei es aber ein langer Weg zu einem flächendeckend besseren und strukturierterem Übergang. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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