Medienberichte über gesundheitliche Risiken können Angst und echte Beschwerden auslösen
08.05.2013
Immer wieder tauchen Medienberichte über gefährliche Substanzen oder gesundheitsschädigende Strahlung auf. Bei manchen Menschen löst das nicht nur Angst sondern auch echte Beschwerden aus. Den sogenannten Nocebo-Effekt untersuchte ein deutscher Forscher im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes in England. Sein Fazit: "Wissenschaft und Medien sollten enger zusammenarbeiten und über Themen wie Gesundheitsgefahren möglichst wahrheitsgetreu berichten".
Allein die Erwartung einer Schädigung kann Angst und echte Beschwerden verursachen
Unzählige Berichte über tödlichen Viren, seltene tödliche Krankheiten und gesundheitsgefährdenden Elektrosmog geistern durch die Medien. Obwohl viele einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren, lösen die zum Teil sehr reißerischen Berichte Ängste aus. Bei einigen Menschen führt die Angst sogar soweit, dass sie echte Beschwerden entwickeln. Experten sprechen vom sogenannten Nocebo-Effekt, der gegenteilig wirkt wie der Placebo-Effekt. Während sich bei letzterem positive Effekte trotz wirkstofffreier Medikamente einstellen, leiden Menschen mit Nocebo-Effekt unter Krankheitssymptomen, obwohl keine tatsächliche Gesundheitsgefahr vorhanden ist. Allein Medienberichte beispielsweise über Mobilfunkstrahlung reichen aus, um bei Betroffenen Beschwerden wie Kopfschmerzen und Übelkeit hervorzurufen.
Der deutsche Wissenschaftler Dr. Michael Witthöft von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz untersuchte das Phänomen der elektromagnetischen Hypersensivität gemeinsam mit seinem Kollegen G. James Rubin während eines Forschungsaufenthaltes am Londoner King’s College. Anhand von Kernspintomographien konnten die Forscher erkennten, dass "die schmerzverarbeitenden Regionen im Gehirn von Betroffenen tatsächlich aktiviert wurden, obwohl keine reale Strahlung vorhanden war". Witthöft und Rubin kamen zu dem Ergebnis, dass "allein die Erwartung einer Schädigung Schmerzen und andere Beschwerden auslösen kann".
Probanden mit echten Beschwerden obwohl tatsächlich keine Risiken vorhanden waren
Im Rahmen der Untersuchung wurde einer Gruppe der insgesamt 147 Probanden ein Bericht gezeigt, in der über die gesundheitlichen Risiken von WLAN- und Mobilfunksignalen berichtet wurde. Die andere Gruppe sah eine Reportage zum Thema Sicherheit von Internet- und Handydaten. Danach wurde allen Studienteilnehmern vorgegaukelt, dass sie 15 Minuten lang einem WLAN-Signal ausgesetzt werden. 54 Prozent der Probanden berichteten anschließend von Beschwerden wie einem beklemmenden Gefühl, Konzentrationsstörungen und Beunruhigung. Vor allem die Probanden, die zuvor den Bericht über die gesundheitlichen Gefahren von WLAN-Signalen gesehen hatten, zeigten am häufigsten Symptome. Bei zwei Probanden mussten der Test sogar abgebrochen werden, obwohl tatsächlich keine Strahlung vorhanden war.
Die Tests hätten ergeben, dass Betroffene nicht unterscheiden konnten, „ob sie tatsächlich elektromagnetischen Feldern ausgesetzt sind und dass ihre Symptome genauso von einer Scheinexposition ausgelöst werden können wie von realer Strahlung“, berichtet Witthöft.
Die Untersuchung von Witthöft und Rubin hat gezeigt, welchen Einfluss reißerische Medienberichte auf viele Menschen haben. Allein die Suggestion von gesundheitlichen Gefahren reicht demnach aus, um bei einigen Menschen reale Beschwerden hervorzurufen. Witthöft fordert deshalb eine engere Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Medienmachern. Berichte über gesundheitliche Risiken müssten möglichst wahrheitsgetreu und „nach bestem Wissensstand an die Öffentlichkeit gelangen".
Der Nocebo-Effekt wurde erstmals in Arzneimittelstudien beobachtet, in denen die Probanden Nebenwirkungen zeigten, obwohl sie ein Placebo erhalten hatten. (ag)
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