Bluthochdruck (Hypertonie) kann zu einem Abbau der kognitiven Funktionen führen und das Demenz-Risiko deutlich erhöhen. Bestimmte Zellen des Immunsystems spielen bei diesem Zusammenhang offenbar eine entscheidende Rolle, was auch neue Therapieoptionen eröffnen könnte.
Ein Forschungsteam um Dr. Costantino Iadecola vom Feil Family Brain and Mind Research Institute (USA) und Dr. Monica M. Santisteban vom Vanderbilt University Medical Center hat an Mäusen untersucht, über welche Mechanismen der Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und Demenz vermittel wird. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.
Bluthochdruck und Demenz
Weltweit sind mehr als eine Milliarde Menschen von Bluthochdruck betroffen und dieser ist eine der Hauptursachen für kognitive Beeinträchtigungen, berichten die Forschenden. Beispielsweise hatte eine frühere Studie bereits gezeigt, dass hoher Blutdruck die kognitive Leistungskraft schwächt.
Außerdem ist durch verschiedene Forschungsarbeiten belegt, dass eine Blutdrucksenkung zur Demenz-Vorbeugung beitragen kann und dass ein schlecht eingestellter Bluthochdruck Schäden im Gehirn verursacht. Über welche Mechanismen die Hypertonie mit dem Abbau der kognitiven Funktionen verbunden ist, blieb bisher allerdings weitgehend unklar.
Einfluss von Interleukin-17
In Untersuchungen an Mäusen konnten die Fachleute jetzt nachweisen, dass die neurovaskuläre und kognitive Dysfunktion bei Bluthochdruck von Interleukin (IL)-17 abhängt, einem Zytokin, das bei Menschen mit Bluthochdruck erhöht ist.
Normalerweise wird Il-17 im Körper freigesetzt, um das Immunsystem im Gehirn und der Rückenmarks-Flüssigkeit zu aktivieren, erläutern die Forschenden. Das IL-17 aktiviere im Gehirn bestimmte Immunzellen, die sogenannten Makrophagen.
Aktivierte Hirn-Makrophagen
Eine Reihe von Experimenten bestätigte, dass diese Makrophagen für den beobachteten Rückgang der Kognition wichtig sind, berichtet das Team.
So seien sowohl bei Mäusen, denen der Rezeptor für IL-17 in Hirnmakrophagen fehlte, als auch bei Mäusen, deren Hirnmakrophagen erschöpft waren, keine Auswirkungen von hohem Blutdruck auf die kognitiven Fähigkeiten feststellbar gewesen – trotz anderer Symptome einer Hypertonie.
Zunächst vermuteten die Forschenden, dass das IL-17 im Darm freigesetzt wird und dann über den Blutkreislauf zum Gehirn gelangt, wo es die Fähigkeit der Blutgefäße beeinträchtigt, angemessen auf eine erhöhte Gehirnaktivität zu reagieren.
Doch eine Blockade der Fähigkeit der Blutgefäße des Gehirns, auf IL-17 zu reagieren, habe die kognitiven Beeinträchtigung nur teilweise behoben. So beeiflusse IL-17 offenbar auch über einen anderen Weg das Gehirn.
Ein Hinweis kam aus anderen neueren Studien, die darauf hindeuteten, dass eine Schicht der Schutzhülle des Gehirns, bekannt als Dura Mater, bestimmte Zellen des Immunsystems (T-Zellen) enthält, die IL-17 absondern und das Verhalten von Mäusen beeinflussen können, berichten die Forschenden.
IL-17 in der Dura Mater erhöht
So konnten sie an speziellen Mäuse, bei denen die Zellen fluoreszierend grün aufleuchten, wenn sie IL-17 produzieren, nachweisen, dass bei Bluthochdruck IL-17 in der Dura Mater erhöht ist und dann in das Gewebe freigesetzt wird.
Zudem waren die Schutzhüllen des Gehirns, die sogenannten Hirnhäute, die ein unerwünschtes Eindringen in das Gehirn verhindern, bei den Mäusen mit experimentell induziertem Bluthochdruck gestört, wodurch IL-17 in die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit gelangen konnte, berichten die Fachleute.
Der Einfluss der T-Zellen in der Dura Mater habe sich auch in weiteren Experimenten bestätigt. So konnten laut den Forschenden zum Beispiel Antikörper, die die Aktivität von T-Zellen in den Hirnhäuten blockieren, die kognitiven Einbußen bei den Mäusen mit Bluthochdruck beheben.
Zwei mögliche Mechanismen
Insgesamt legen die Studienergebnisse den Schluss nahe, dass Bluthochdruck über zwei Wege die kognitive Funktionen beeinträchtigen kann. Einer davon ist IL-17, das auf Blutgefäße wirkt, erläutern die Forschenden. Hier scheine der Einfluss allerdings relativ gering.
„Ein deutlicherer, zentraler Effekt wird dadurch verursacht, dass Zellen in der Hirnhaut IL-17 freisetzen, das sich direkt auf Immunzellen im Gehirn auswirkt. Es sind diese Immunzellen, die durch Signale aus der Hirnhaut aktiviert werden und letztlich das Gehirn in einer Weise beeinflussen, die zu kognitiven Beeinträchtigungen führt“, erklärt Dr. Iadecola.
Hoffnung auf neue Therapien
Die durchgeführten Experimente deuten laut den Forschenden zudem darauf hin, dass die gezielte Behandlung überaktiver T-Zellen ein neuer Behandlungsansatz sein könnte, um den Auswirkungen von Bluthochdruck auf die Kognition entgegenzuwirken und das Demenz-Risiko zu verringern. Dies müsse nun in weiteren Studien untersucht werden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Monica M. Santisteban, Samantha Schaeffer, Antoine Anfray, Giuseppe Faraco, David Brea, Gang Wang, Melissa J. Sobanko, Rose Sciortino, Gianfranco Racchumi, Ari Waisman, Laibaik Park, Josef Anrather, Costantino Iadecola: Meningeal interleukin-17-producing T cells mediate cognitive impairment in a mouse model of salt-sensitive hypertension; Nature Neuroscience (veröffentlicht 04.12.2023), nature.com
- Janine Gronewold, Martha Jokisch, Sara Schramm, Christiane Jockwitz, Tatiana Miller, Nils Lehmann, Susanne Moebus, Karl-Heinz Jöckel, Raimund Erbel, Svenja Caspers, Dirk M Hermann, Heinz Nixdorf Recall Study Investigative Group: Association of Blood Pressure, Its Treatment, and Treatment Efficacy With Volume of White Matter Hyperintensities in the Population-Based 1000BRAINS Study; in: Hypertension, (veröffentlicht: 11.10.2021), ahajournals.org
- American Heart Association: Lowering blood pressure significantly reduced dementia risk in people with hypertension (veröffentlicht 12.11.2023), eurekalert.org
- Simin Mahinrad, Shawn Kurian, Chaney R. Garner, u.a.: Cumulative Blood Pressure Exposure During Young Adulthood and Mobility and Cognitive Function in Midlife; in: Circulation (veröffentlicht 21.11.2019), ahajournals.org
- NIH/National Institute of Neurological Disorders and Stroke: Salty immune cells surrounding the brain linked to hypertension-induced dementia (veröffentlicht 04.12.2023), eurekalert.org
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