Experten-Tagung zum Thema Placebo-Effekte: Einfühlsame Ärzte heilsamer als Medikamente
22.01.2013
Eine freundliche Behandlung im medizinischen Bereich kann sich positiv auf die Genesung des Patienten auswirken und sogar effektiver sein als Medikamente – diese Meinung vertreten eine Reihe von Experten, die sich ab morgen in Tübingen zu einer dreitägigen internationalen Konferenz zusammen finden, um die Wirksamkeit von Schein-Medikamenten und einfühlsamen Ärzten zu diskutieren.
Placebo-Effekte ebenso stark wie Medikamente
Laut dem Tagungspräsidenten Paul Enck, Professor für Medizinische Psychologie und Forschungsleiter der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Uniklinik Tübingen, sei es in der Medizin äußerst wichtig, positive psychische Effekte zu verstärken und den Patienten dabei zu helfen, Ängste zu überwinden. „Solche Placebo-Effekte können häufig ebenso stark sein wie neu entwickelte Medikamente“, erörtert Professor Enck – die Auflistung möglicher Nebenwirkungen von Medikamenten würde viele Patienten hingegen tatsächlich krank machen: „Studien zeigen: Wenn eine Nebenwirkung aus dem Beipackzettel verschwindet, dann taucht sie auch nicht auf“, so Enck weiter.
Auch sei zu beobachten, dass eine ausführliche Risiko-Aufklärung vor einer Operation häufig dazu führe, dass eine der genannten Komplikationen später tatsächlich auftreten würde. Daher finden diese sogenannten „Nocebo-Effekte“, also die negative Version der „Placebo-Effekte“, in der medizinischen Forschung immer stärker Beachtung. Experte Enck sieht klar die Ärzte in der Pflicht und fordert eine stärkere Selbst-Reflexion: „Ärzte müssten sich viel mehr Gedanken darüber machen, wie sie auf ihre Patienten wirken.“
Studien belegen ebenfalls positive Placebo-Effekte
Ist der Placebo-Effekt also wirklich nachweisbar? Nach Meinung von Professor Enck sei der Placebo-Effekt keine Einbildung, sondern würde im Körper des Patienten tatsächlich die Wirkung von Medikamenten simulieren – wovon die Mediziner bei der Behandlung profitieren könnten. „Wenn ich etwa Placebo statt Schmerzmittel nehme, dann werden im Kopf Prozesse ausgelöst, die zu einer neurobiologischen Antwort führen – und die heißt in diesem Fall eben Schmerzhemmung“, so Enck.
Zu diesem Ergebnis waren auch US-Wissenschaftler der Harvard Medical School im Jahr 2010 gekommen: Eine Studie mit 80 Frauen und Männer, die an einem Reizdarmsyndrom litten, hatte gezeigt, dass ein wirkungsloses Präparat eine Linderung der Beschwerden bewirken konnte – selbst wenn den Patienten bewusst war, dass sie ein Schein-Medikament einnahmen. Damit hatten die Forscher aufgezeigt, dass die positiven Effekte nicht – wie vielfach angenommen – nur durch positives Denken bzw. die Erwartungshaltung an das vermeintlich „echte“ Medikament ausgelöst wurden. Stattdessen wurde das Placebo ganz klar kenntlich gemacht: „Wir machten nicht nur absolut deutlich, dass diese Tabletten keine wirksamen Inhaltsstoffe enthielten, sondern wir druckten sogar Placebo auf den Verpackungen“, erläuterte der Studienautor Ted Kaptchuk, und weiter: „Wir sagten den Patienten, dass sie nicht unbedingt an den Placebo-Effekt glauben müssen. Sie sollten einfach nur die Tabletten einnehmen.“
Nette Ärzte gleich schnellere Genesung?
Zugleich käme aber laut Enck auch dem Arzt selbst immer mehr Bedeutung zu: So hätten Studien ergeben, dass sich Patienten mit einer Erkältung durchschnittlich einen Tag schneller wieder fit gefühlt hätten, wenn sie von ihrem Arzt freundlich und einfühlsam behandelt worden waren. Ähnliches hätte sich auch bei Herz-Operationen gezeigt – sodass für den Forscher klar ist:„Placebo-Effekte haben viel mehr mit den Ärzten zu tun als mit den Patienten.“ (sb)
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Bild: Jörg Sabel / pixelio.de
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