Das Gehirn sendet über den Vagusnerv Signale an die sogenannten Brunner-Drüsen im Dünndarm, die ihrerseits die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen. Auf diesem Weg kann beispielsweise Stress zu einer Reduzierung der nützlichen Bakterien im Darmmikrobiom führen.
Ein internationales Forschungsteam konnte in einer aktuellen Studie einen entscheidenden Mechanismus aufzeigen, über den das Gehirn beziehungsweise die Psyche die Darmflora beeinflusst. Die entsprechenden Studienergebnisse sind in dem Fachmagazin „Cell“ veröffentlicht.
Verbindung zwischen Darmflora & Psyche
Verschiedene frühere Studien hatten bereits einen Zusammenhang zwischen der Darmflora und dem psychischen Wohlbefinden hergestellt, wobei sich diese vorwiegend auf die Auswirkungen des Darmmikrobioms auf die Psyche konzentrierten.
So kamen Forschende der Universität Heidelberg in einer vor gut zwei Jahren veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die Darmflora signifikanten Einfluss auf die Psyche hat.
Weitere Forschungsarbeiten verdeutlichten zudem, dass Darmbakterien über die Darm-Hirn-Achse Auswirkungen auf Depressionen haben, aber auch dass psychischer Stress die Anzahl der nützlichen Bakterien im Darm verringern und damit die Immunität beeinträchtigen kann.
Kommunikation in beide Richtungen
Das Gehirn und der Darm befinden sich in einem ständigem Austausch, wobei die Kommunikation in beide Richtungen läuft, erläutern Autorinnen und Autoren der neuen Studie. Die zugrundeliegenden Mechanismen seien bislang jedoch an vielen Stellen unklar.
Das Team unter Beteiligung von Forschenden der Icahn School of Medicine at Mount Sinai (USA) und des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen hat jetzt eine wichtige Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Darm identifiziert, die den Einfluss der Psyche auf die Darmflora begründet.
Einfluss der Brunner-Drüsen
Eine entscheidende Rolle spielen demnach offenbar die sogenannten Brunner-Drüsen im oberen Abschnitt des Dünndarms, die Schleim absondern, der die Darmwand auskleidet und als Substrat für das Wachstum nützlicher Darmbakterien dient.
So beobachteten die Fachleuten bei Mäusen, denen die Brunner-Drüsen entfernt wurden, eine geringere Anzahl von Laktobazillen im Darm und infolge dessen starben die Mäuse häufiger an Darminfektionen und zeigten verschiedene Anzeichen systemischer Entzündung, berichtet das Team.
Chronischer Stress habe bei den Tieren die gleichen Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Darmflora und die allgemeine Gesundheit entfaltet wie die chirurgische Entfernung der Drüsen.
Verbindung zwischen Gehirn und Darm
Des Weiteren stellten die Forschenden fest, dass das Gehirn die Aktivität der Brunner-Drüsen über den Vagusnerv reguliert, der die Drüsen mit der Amygdala verbindet, einem Gehirnareal, das für emotionale Reaktionen zuständig ist.
Bei Furcht oder Ängstlichkeit reduziert die Amygdala ihre Aktivität und sendet weniger Signale an den Vagusnerv, wodurch die Brunner-Drüsen weniger Schleim absondern, was wiederum die Immunität beeinträchtigt und Veränderungen der Zusammensetzung der Darmflora verursacht, erläutert das Team.
„Dieses einzigartiges, vom Vagusnerv gesteuerte System stellt eine direkte Verbindung vom Gehirn zum Darmmikrobiom her“, betont der Erstautor Hao Chang von der Icahn School of Medicine in eienr aktuellen Pressemitteilung. Die Brunner-Drüsen seien offenbar wichtiger als bislang angenommen.
Neue therapeutische Optionen
Die nachgewiesene Verbindung könnte nach Ansicht der Forschenden auch erklären, warum psychosozialer Stress die Wahrscheinlichkeit einer Infektionserkrankung erhöht und anderseits neue Möglichkeiten eröffnen, dem entgegenzuwirken
So habe eine Stimulation der Amygdala oder alternativ des Vagusnervs der gestressten Mäuse die Schleimsekretion normalisiert und die Auswirkungen des Stresses auf die Darmflora und die Immunität kompensiert.
Ebenso war die Verabreichung von Probiotika ausreichend, um die negativen Folgen der psychischen Belastung wettzumachen, betonen die Forschenden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hao Chang, Matthew H. Perkins, Leonardo S. Novaes, Feng Qian, Tong Zhang, Peter H. Neckel, Simon Scherer, Ruth E. Ley, Wenfei, Han, Ivan E. de Araujo: Stress-sensitive neural circuits change the gut microbiome via duodenal glands; in: Cell (veröffentlicht 19.09.2024), cell.com
- Thomann, A.K., Wüstenberg, T., Wirbel, J., Knoedler, L.L., Thomann, P.A., Zeller, G., Ebert, M.P., Lis, S. & Reindl, W.: Depression and fatigue in active IBD from a microbiome perspective—a Bayesian approach to faecal metagenomics; in: BMC Medicine, (veröffentlicht: 17.10.2022),, bmcmedicine.biomedcentral.com
- Max-Planck-Gesellschaft: Wie die Psyche die Darmgesundheit beeinflusst (veröffentlicht 19.09.2024), mpg.de
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