Patientin erlebt Bauchspiegelung bei vollem Bewusstsein
Die Geschichte ist der wahr gewordene Albtraum: Die Kanadierin Donna Penner wurde während einer Bauch-Operation wach und bekam vom Einsatz des Skalpells bis zu den Gesprächen der Ärzte alles genau mit. Ein traumatisches Erlebnis, welches die Betroffene nur mithilfe einer Psychotherapie verarbeiten konnte. Nun hat sie beim Sender „BBC“ von den Geschehnissen berichtet.
Betroffene möchte mit ihrer Geschichte für Aufklärung sorgen
Was Donna Penner im Jahr 2008 erlebt hat, ist für viele Menschen eines der grauenvollsten Dinge, die man sich vorstellen kann: Die Kanadierin wachte während einer operativen Bauchspiegelung (Laparoskopie) aus der Narkose auf – noch bevor der Arzt das Skalpell angesetzt hatte. Ein Albtraum, von dem die Frau nun beim Sender BBC erzählt hat.
Bislang keine Probleme mit Narkose
Donna war 44 Jahre alt, als sie 2008 in ein Krankenhaus in ihrer Heimatprovinz Manitoba fuhr, um eine Laparoskopie aufgrund starker Regelblutungen durchführen zu lassen, so der Bericht. Sie hatte schon Erfahrungen mit der Anästhesie gemacht und wusste, dass auch für die bevorstehende Untersuchung eine Vollnarkose notwendig werden würde. Bei einer Bauchspiegelung werden statt eines großen Bauchschnitts mehrere kleine Einschnitte in die Bauchdecke gesetzt, durch welche ein spezielles Endoskop (Laparoskop) und chirurgische Instrumente ins Bauchinnere eingeführt werden.
„Ich hatte nie ein Problem mit der Narkose, aber als wir ins Krankenhaus kamen, fühlte ich mich sehr ängstlich“, so die Patientin. Zunächst sei alles ganz normal gelaufen – sie wurde für die OP vorbereitet, an die Geräte angeschlossen und bekam vom Anästhesisten ein Betäubungsmittel über einen intravenösen Tropf. Dann habe der Arzt eine Maske auf Donnas Gesicht gelegt und gesagt: „Atmen Sie tief ein.” Das tat die Patientin und schlief ein.
Narkose endet noch vor vor Ansetzen des Skalpells
Doch die Narkose hielt nur kurz an – viel zu kurz, denn der Eingriff hatte noch nicht einmal begonnen. „Als ich aufwachte, hörte ich immer noch die Geräusche im Operationssaal. Ich hörte, wie das Personal klopfte und klapperte und die Maschinen liefen. Ich dachte, ‘Oh gut, es ist vorbei, es ist erledigt’“, berichtet Donna. Sie habe da gelegen und sich etwas mitgenommen gefühlt, sei gleichzeitig aber auch aufmerksam und entspannt gewesen.
Das änderte sich jedoch einige Sekunden später, als sie den Chirurgen sagen hörte: „Skalpell bitte.” Sie sei erstarrt und habe gedacht “Was habe ich gerade gehört?“ berichtet Donna weiter. Der Versuch, sich bemerkbar zu machen, scheiterte, da sie durch ein Muskelrelaxans bewegungsunfähig war. Das ist nicht ungewöhnlich, denn ein solches Medikament wird vor einer Bauch-Operation gegeben, um die Muskelspannung in diesem Bereich abzusetzen. „Leider hat die Allgemeinanästhesie nicht funktioniert, das Muskelrelaxans aber schon“, so die Patientin.
Muskelrelaxans sorgt für Bewegungsunfähigkeit
In der Folge hatte sie keine Chance, auf sich aufmerksam zu machen und war bei vollem Bewusstsein, als sie merkte, dass der erste Schnitt gemacht wurde. „Ich habe keine Worte, um die Schmerzen zu beschreiben – es war schrecklich“, erzählt Donna. Sie wollte etwas sagen, sich bewegen – aber konnte es nicht. Sogar weinen war nicht möglich.
„Ich war in einem Zustand des schieren Terrors. Ich konnte hören, wie sie an mir arbeiteten, ich konnte sie sprechen hören. Ich fühlte, wie der Chirurg diese Einschnitte machte und diese Instrumente durch meinen Bauch schob.“ Die OP dauerte etwa eineinhalb Stunden lang, in denen Donna Höllenqualen erlebte.
Da sie vorübergehend gelähmt war, hatten die Ärzte sie zudem intubiert und an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Dieses gab nur sieben Mal pro Minute Luft ab – obwohl ihre Herzfrequenz bei 148 Schlägen pro Minute lag. „Ich erstickte. Es fühlte sich an, als ob meine Lungen brannten“, berichtet die Betroffene.
Patientin erlebt außerkörperliche Erfahrung
Als sie erkannte, dass das Relaxans nachließ, bewegte sie mit der Zunge den Atemschlauch, der sich noch in ihrem Hals befand. Der Anästhesist bemerkte es zwar – irrte sich aber leider bei der Einschätzung des Lähmungszustands und entfernte zu früh den Beatmungsschlauch. Sie konnte nicht atmen und erlebte das Gefühl, sich außerhalb ihres Körpers zu befinden. „Ich war nicht mehr auf der Erde. Ich wusste, ich war woanders. Es war leise. Die Geräusche des Operationssaals waren im Hintergrund, ich konnte sie noch hören. Aber es klang, als wären sie sehr, sehr weit weg“, berichtet Donna. Angst und Schmerzen waren weg und „instinktiv wusste ich, dass ich nicht allein war“, erzählt sie weiter.
Schließlich holten die Ärzte sie mittels manueller Beatmung zurück ins Leben und der Anästhesist gab ihr ein Mittel, um der Lähmung entgegenzuwirken. Es dauerte nicht lange, da konnte sie wieder sprechen und von ihren Qualen berichten. Der Narkose-Arzt habe geweint, als er später noch einmal mit ihr sprach und sich mehrmals entschuldigt – doch der Schmerz blieb. Unmittelbar nach der Operation startete Donna eine Therapie, um das Erlebte zu verarbeiten.
Mindestens 8.000 Fälle jedes Jahr
Der Alptraum, den Donna Penners am eigenen Leib erfahren musste, ist zwar ein seltener Fall – kommt aber immer wieder vor. Hierzulande tritt die so genannte intraoperative Wachheit (englisch: „Accidental awareness“) laut einer Übersichtsarbeit von Petra Bischoff und Ingrid Rundshagen mit einer Häufigkeit von ein bis zwei Fällen pro 1.000 Narkosen auf (0,1 bis 0,2 %). Ausgehend von jährlich schätzungsweise 8 Millionen Anästhesien, seien demnach 8.000 beziehungsweise 16.000 Patienten pro Jahr von einem solchen Wachphänomen betroffen. Vierzig Prozent der Betroffenen würden laut der BBC anschließend unter schweren psychischen Schäden leiden.
„Ich möchte, dass die Menschen verstehen, dass diese Sache passieren kann und passiert. Ich möchte das Bewusstsein wecken und dadurch vielleicht etwas Gutes aus dieser schrecklichen Erfahrung herausholen“, erklärt Donna. (nr)
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