Forscher entdecken Jungbrunnen für Zellen
06.12.2013
Ulmer Wissenschaftler sind einem Jungbrunnen für Zellen auf die Spur gekommen. Wie sie im Fachmagazin „Forschung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) berichten, ist das Protein „RhoGTPase Cdc42“ für den Alterungsprozess von Stammzellen verantwortlich. Wenn Stammzellen altern, sind sie nicht mehr in der Lage, richtig Blut zu bilden, so dass die Immunabwehr des Körpers geschwächt wird und weniger rote Blutkörperchen produziert werden. Das führt zur altersbedingte Blutarmut, die eine Schwächung des Körpers zur Folge hat. In Experimenten mit gentechnisch veränderten Mäusen gelang es den Wissenschaftlern jüngst, diesen Prozess rückgängig zu machen, indem sie die Proteinaktivität hemmten und so die Zellen verjüngten.
Alterung der Blutstammzellen führt zur Schwächung des Körpers
Hartmut Geiger, Professor für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Ulm, und sein Team untersuchten den Alterungsprozess von Blutstammzellen an Mäusen. Blutbildende Stammzellen befinden sich vor allem im Knochenmark, wo sie tagtäglich unzählige neue Blutzellen bilden. So produzieren sie die für den Sauerstofftransport zuständigen roten Blutkörperchen und die weißen Blutkörperchen, die eine wichtige Rolle in der Immunabwehr spielen. Zudem bilden sie Blutplättchen, die für die Gerinnung des Blutes verantwortlich sind. Während Blutzellen nur eine begrenzte Lebensdauer haben und sich wenig teilen, sind Blutstammzellen nahezu unbegrenzt teilbar. Lediglich der Alterungsprozess führt dazu, dass die Stammzellen nicht mehr richtig Blut bilden können.
Geiger und seinen Kollegen gelang es, genau dieses Phänomen bei Mäusen rückgängig zu machen, nachdem sie zunächst belegten, dass Blutstammzellen durch eine erhöhte Aktivität des Proteins RhoGTPase Cdc42 schneller altern. Die Forscher beobachteten, dass die Hemmung des Proteins bei den Mäusen zu einer Reorganisation der Stammzellen führte, die sie nachhaltig verjüngte. „Der Alterungsprozess konnte also an diesem Punkt rückgängig gemacht werden. Dieser Ansatz könnte zunächst in der Maus dazu beitragen, dass ihr Immunsystem auch im Alter noch gut funktioniert und die altersbedingte Blutarmut verlangsamt wird", schreibt Geiger im Fachmagazin. „Ob sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen und damit neue Therapieansätze liefern, muss die Forschung in den nächsten Jahren herausfinden. Dennoch wird deutlich: Die Alterung auf molekularer und zellulärer Ebene muss keine Einbahnstraße sein.“
Lässt sich die Alterung der Zellen zukünftig aufhalten?
Zukünftig könnte es demnach möglich sein, den Alterungsprozess nicht nur aufzuhalten sogar auch umzukehren. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn nicht nur die Blutstammzellen sondern auch alle anderen Zellen des Körpers altern. So lässt auch die Funktion der Organe mit Alter nach. Gelingt es der Forschung, diesen Prozess zu entschlüsseln, könnten auch Lunge, Herz, Nieren und Leber länger und besser funktionieren. Damit könnte ein wichtiger Beitrag zur Gesundheit im Alter geleistet werden, der letztlich ein längeres, gesünderes Leben ermöglichen würde. Derzeit beschäftigt sich die Altersforscher aber noch nicht mit konkreten Maßnahmen, sondern vielmehr mit der Entschlüsselung der molekularen Mechanismen der Zellalterung.
„Es sind vor allem Modellorganismen wie Hefe, Fadenwurm, Fruchtfliege oder Maus, die den Wissenschaftlern helfen, dem Alterungsprozess grundlegend auf die Spur zu kommen“ so Geiger. Ihr Vorteil bestehe vor allen darin, dass sie im Vergleich zum Menschen sehr schnell alterten. Bei einer Hefezellen seien es wenige Tage, bei einer Maus drei Jahre. Mittlerweile sei zudem bekannt, dass einige Mechanismen der Alterung bei Hefe, Wurm und Maus sehr ähnlich funktionierten, erläutert der Wissenschaftler. Das könnte dafür sprechen, dass sich die Ergebnisse zumindest teilweise auch auf den menschlichen Organismus übertragen lassen.
Telomere haben Einfluss auf die Alterung der Zellen
Unabhängig von diesen Mechanismen altert aber jeder Organismus auch individuell, denn jede Zelle beinhaltet individuelle DNA, Erbgut, das unter anderem die Blaupläne für die Zellproteine codiert. Diese Proteine und Protein-Verbünde versorgen die Zelle mit allem, was sie benötigt. Da die Zellalterung mit einer verminderten Funktion der Zelle einhergeht, vermuten Forscher, dass sowohl geschädigte DNA als auch geschädigte Proteine für den Alterungsprozess verantwortlich sind.
In diesem Zusammenhang konzentriert sich die Forschung auch auf sogenannte Telomere, die von den US-amerikanischen Zellbiologen Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak entdeckt wurden. Die Forscher erhielten dafür den Medizin-Nobelpreis. Telomore sind die Schlussstücke von Chromosomen, den Trägern des Erbguts der Zellen. Sie sitzen wie Schutzkappen am Ende der Chromosomen und sorgen dafür, dass sie nicht ausfransen. Auf diese Weise verhindern die Telomere, dass die Enden nicht als beschädigtes Erbgut erkannt und vom Immunsystem bekämpft werden. „Allerdings verkürzen sich die Telomere mit jeder Zellteilung. Unterschreiten sie eine kritische Länge, hört die Zelle auf, sich zu teilen, oder stirbt. Je älter ein Mensch, desto kürzer sind deshalb normalerweise die Telomere seiner Chromosomen“, berichtet Geiger. „Das Protein Telomerase ist eine Art Gegenspieler, der den Alterungsprozess verlangsamt, indem es dafür sorgt, dass diese Schutzkappen nicht zu kurz werden. Doch nicht alle Zellen besitzen ausreichend von diesem lebensverlängernden Enzym. Eine Theorie geht davon aus, dass die Länge der Telomere ein Indikator für die Lebenserwartung der Zelle ist.“ Dennoch wäre ein Therapie mit Telomerase-Medikamenten keine Lösung, da nicht nur Stammzellen sondern auch Krebszellen Telomerase enthalten. Somit würden Telomerase-Medikamente zwar den Altersprozess bremsen, gleichzeitig begünstigen sie aber auch Krebserkrankungen. (ag)
Bild: Jens Goetzke / pixelio.de
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