Amnion sorgt für außergewöhnliche Wundheilung
Um die Plazenta ranken sich zahlreiche Mythen. Jahrhundertealte Bräuche raten zum Verspeisen oder zum Vergraben im Garten. Tatsächlich ist die Plazenta reich an Nähr- und Abwehrstoffen, da das Organ die Versorgung des ungeborenen Kindes sichert. In den letzten Jahren eröffnete sich eine neue Verwendung: Das aus der Plazenta gewonnene Amnion, eine hauchdünne Membran, soll als Wundauflage sogar chronische Wunden heilen.
Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation gGmbH (DGFG) und das Rhein-Maas Klinikum berichten von außergewöhnlichen Ergebnissen bei Wundbehandlungen mit aus Plazenta-Spenden gewonnenen Amnion-Membranen. Selbst chronische Wunden, unter denen Betroffene seit Jahren litten, begannen nach der Auflage von Amnion zu heilen.
Operationsnaht verheilte nicht
Chronische Wunden, die nicht mehr heilen, können eine starke Belastung für die Betroffenen darstellen. In einem Fallbeispiel berichten die Medizinerinnen und Mediziner von Harald. H., einem 54-jährigen Patienten, der sich bei einem Arbeitsunfall einen Achillessehnenriss zuzog, welcher in einer Operation behandelt wurde. Die Operationsnaht entzündete sich jedoch und verheilte nicht – jahrelang.
Zahlreiche Behandlungen halfen nicht
Alltägliche Dinge wie Auto fahren, Sport treiben oder duschen waren für Harald H. fortan nur noch mit Hilfe seiner Frau möglich. Zahlreiche Behandlungen schlugen fehl, bis schließlich Professor Dr. Hans-Oliver Rennekampff, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie am Rhein-Maas Klinikum, bei der Behandlungsstrategie umdachte und Amnion auflegte.
Ausgezeichnete Behandlungserfolge
Der Mediziner beschreibt den Effekt als regelrechtes Wundermittel: Die Wunde begann sich bereits kurze Zeit später zu schließen. „Ich wäre definitiv wieder zu einer Amnionbehandlung bereit“, betont der Patient im Interview mit der DGFG. Die Behandlung sei unkompliziert und sehr entlastend.
Der Fall von Harald H. ist einer von drei Fällen, bei denen bereits nach erstmaliger Amnionanwendung ein deutlicher Fortschritt bei der Heilung chronischer Wunden erzielt werden konnte. Für die Behandlungserfolge wurde die DGFG und das Rhein-Maas Klinikum mit dem deutschen Wundpreis 2021 ausgezeichnet.
Woher stammt das Amnion?
Das Aminion ist eine von der kindlichen Seite der Plazenta stammende Membran, die aus einer Spende der mütterlichen Plazenta bei einem geplanten Kaiserschnitt gewonnen werden kann. Die Membran besitzt besondere wundheilungsfördernde und antientzündliche Eigenschaften. Dennoch wird Amnion als Therapieoption derzeit äußerst selten eingesetzt.
Verbesserte Selbstheilung durch Amnion
Laut Rennekampff eine verpasste Chance: „Bei einer absoluten Stagnation der Wundheilung und fehlender Therapieoptionen ist das Amnion wie eine Art Booster, welches die Wunde zur besseren Selbstheilung anregen soll“, erklärt der Professor.
Mehr Menschen sollen von Amnion profitieren
Die DGFG will nun Behandlungen mit Amnion-Membranen bei chronischen Wunden für eine größere Gruppe von Patientinnen und Patienten zugänglich machen. Das Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hat hierzu die Genehmigung erteilt. „Während die Wirksamkeit der Amnionmembran international anerkannt ist, werden ihre Vorteile in der Patientenanwendung bisher noch wenig genutzt“, fügt Dr. Nicola Hofmann hinzu.
Die Natur hat eine perfekte Lösung gefunden
Dabei zeigen die Praxiserfolge die besonderen Qualitäten der Amnion: Neben den wundheilungsfördernden und antientzündlichen Eigenschaften, verhindert eine Amnion-Auflage Narbenbildung. Darüber hinaus wird die Auflage kaum vom Immunsystem abgestoßen. „Es zeigt sich einmal mehr, dass die Natur hier eine perfekte Lösung gefunden hat“, verdeutlicht Dr. Hofmann.
Denn die Amnion-Membran trenne auf natürliche Weise die Immunsysteme von Mutter und Kind. Daher komme es auch zu keinen Abstoßungsreaktionen oder Unverträglichkeiten bei der Wundauflage, erklärt die Medizinerin.
Mögliche Anwendungsgebiete
Die Amnion-Membran könne bei zahlreichen Wundheilungsstörungen, wie beispielsweise beim diabetischen Fußsyndrom, eingesetzt werden. Darüber hinaus sei Amnion im orbitalen, mund- und kieferchirurgischen Tätigkeitsbereich einsetzbar. Auch in der gynäkologischen Chirurgie sowie als temporärer Hautersatz bei Verbrennungen könne die Membran zum Einsatz kommen.
Plazentaspende kann helfen
Wie die Medizinerinnen und Mediziner unterstreichen, können aus einer einzigen Plazentaspende bis zu mehreren hundert Amniontransplantate gewonnen werden. Im vergangenen Jahr konnte die DGFG mehr als 2.000 solcher Amnionpräparate vermitteln. „Wir erfahren immer mehr Zuspruch in der Amnionspende und -vermittlung, was nicht zuletzt dem wachsenden Netzwerk an kooperierenden Häusern geschuldet ist“, resümiert DGFG-Geschäftsführer Martin Börgel. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation gGmbH (DGFG): Wund(er)heilung mit Amnion – DGFG erhält deutschen Wundpreis 2021 (veröffentlicht: 09.07.2021), gewebenetzwerk.de
Wichtiger Hinweis:
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