Wie die Krebsforschung noch immer von den Zellen der vor rund 60 Jahren verstorbenen Henrietta Lacks profitiert
09.08.2013
Vor etwa 60 Jahren verstarb die Farmarbeiterin Henrietta Lacks an Krebs. Der Afroamerikanerin wurden damals Zellen – die sogenannten HeLa-Zellen – zu entnommen. Lange Zeit war der Ursprung der besonders langlebigen Zellen jedoch unbekannt. Man wusste lediglich, dass es sich um Zellen menschlichen Ursprungs handelte. Dank der HeLa-Zellen machte die Medizin große Fortschritte im Bereich der Krebsforschung aber auch in anderen Bereichen. So waren die Zellen unverzichtbar bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Kinderlähmung. Henrietta Lacks gilt deshalb als „wertvollstes“ menschliches Individuum. Die Familie der Frau ahnte jedoch lange Zeit nichts von all dem. Nachdem es Wissenschaftlern im März gelang, das Genom von Henrietta Lacks zu entschlüsseln, ohne das Einverständnis der Familie einzuholen, legte die Nachverfahren Einspruch ein. Am Mittwoch einigte sich die Familie schließlich mit dem amerikanischen Institut für Gesundheit (NIH).
HeLa-Zellen sind aus heutiger Zellforschung nicht mehr wegzudenken
Als Henrietta Lacks’ Mann David erfuhr, dass es sich bei den HeLa-Zellen um Zellen seiner verstorbenen Frau handelt, war er nahezu fassungslos. Nie wurde er darüber informiert, welch großen Dienst Henrietta bis heute der Medizinforschung erweist. Bis zu seinem Tod im Jahr 2002 kämpfte der Mann um die Rechte an den sterblichen Überresten seiner Frau, die kurz nach der Zellentnahme vor rund 60 Jahren verstorben war.
Das besondere an den HeLa-Zellen ist, dass sie sich in großen Mengen gut vermehren lassen, so dass bis heute etliche Tonnen der Epithelzellen gezüchtet und verkauft wurden. 1951 entnahm ein junger Assistenzarzt der 31-jährigen Henrietta die Zellen bei einer Biopsie aus einem Zervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs). Dem Ärzte Ehepaar Margret und George Gey gelang es anschließend die Zellen in Nährlösung – erstmals außerhalb des menschlichen Körpers – zu vermehren. Die Zellen wuchsen und wuchsen und schienen unsterblich zu sein. Heute sind die HeLa-Zellen fester Bestandteil der Zellforschung.
Mittlerweile weiß man, dass die ungewöhnliche Langlebigkeit der Zellen darauf zurückzuführen ist, dass das krebsverursachende Gen zusätzlich durch ein humanes Papillomavirus zu seiner Entartung angeregt wurde.
Ansprüche der Familie von Henrietta Lacks galten lange Zeit als verjährt
Laut Schätzungen könnten 74.000 medizinische Studien weltweit von den HeLa-Zellen profitiert haben. Mit den Zellen der aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Mutter von fünf Kinder wurde vielen Milliarden Dollar verdient. Ihre Angehörigen wussten von all dem lange Zeit nichts und hatten auch nach Bekanntwerden keinerlei Mitspracherecht. Eine Entschädigung oder Ähnliches erhielten sie ebenfalls nicht. Und schlimmer noch – die hohen Kosten für Henriettas Behandlung ließen die Familie noch weiter verarmen. Die Ansprüche der Familie waren angeblich verjährt.
Das konnte Henriettas Enkel, David Lacks Jr., nicht länger akzeptieren, nachdem Wissenschaftler im März das Genom seiner Großmutter entschlüsselten, ohne dafür das Einverständnis der Familie einzuholen. Am Mittwoch einigte sich die Familie schließlich mit dem amerikanischen Institut für Gesundheit (NIH).
„Das Hauptanliegen betraf die Sorge um die Privatsphäre", erklärte David Lacks Jr. gegenüber „USA Today“. „Im Moment sind wir noch in den frühen Stadien der Genforschung und der genetischen Medizin, aber wir wissen nicht, was zukünftig noch möglich sein wird."
Der Vereinbarung entsprechend darf die Forschung auch in Zukunft die Zellen von Henrietta Lacks nutzen. Der Familie der Farmarbeiterin wurde jedoch ein Mitsprachrecht eingeräumt. Das soll vor allem dann gelten, wenn die Forschung das gemeinsame Erbgut betrifft. (ag)
Bild: Andreas Dengs, www.photofreaks.ws / pixelio.de
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