Medizinische Sensation: Gelähmter kann wieder gehen
22.10.2014
Wissenschaftlern ist eine neue medizinische Sensation gelungen. Durch eine bestimmte Zelltherapie kann nun ein Patient, der seit vier Jahren von der Brust abwärts gelähmt war, wieder gehen. Einer der beteiligten Experten nannte den Erfolg „beeindruckender als ein Mond-Spaziergang“.
„Beeindruckender als ein Mond-Spaziergang“
Diese medizinische Sensation sorgt derzeit weltweit für Aufsehen: Ein einst gelähmter Mann aus Polen kann den Angaben seiner Ärzte zufolge dank einer neuartigen Zelltherapie wieder laufen. Wie das Fachjournal „Cell Transplantation“ berichtet, wurden dem Patienten Darek Fidyka bei der Behandlung in Polen mit Unterstützung britischer Forscher Nervenzellen aus der Nase ins verletzte Rückgrat eingesetzt. Der Erfolg sei „beeindruckender als ein Mond-Spaziergang“, meinte einer der beteiligten britischen Wissenschaftler.
Patient kann sich mit einer Gehilfe selbst fortbewegen
Der Patient war seit einer Messerattacke vor vier Jahren von der Brust abwärts gelähmt. Den Angaben zufolge kann er sich inzwischen wieder mit einer Gehilfe selbst fortbewegen und die Beine langsam voreinander setzen. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP sagte Fidyka gegenüber dem britischen Rundfunk BBC: „Wenn Du die Hälfte Deines Körpers nicht spüren kannst, bist Du hilflos, verloren.“ Er erklärte weiter: „Wenn es beginnt, zurückzukommen, fühlst Du Dich, als würdest Du Dein Leben noch mal von vorne beginnen. Wie eine Wiedergeburt, es ist ein unglaubliches Gefühl.“
Zellen aus der Nase ins Rückgrat verpflanzt
Den Angaben zufolge wurden für die Therapie Zellen des Geruchssinns ins Gewebe oberhalb und unterhalb der verletzten Stelle im Rückgrat verpflanzt. Von den Wissenschaftlern wird vermutet, dass sich dadurch die Nervenfasern regenerierten und wieder verbanden. „Wir haben ein Prinzip geschaffen, wonach Nervenzellen wieder wachsen und ihre Funktion wieder übernehmen können, wenn wir ihnen eine Brücke bauen“, erklärte Geoff Raisman vom Neurologie-Institut des Londoner University College und meinte, dass dieser Durchbruch beeindruckender sei, als ein Mann der auf dem Mond spazieren gehe. „Ich glaube, das ist der Augenblick, in dem eine Lähmung rückgängig gemacht werden kann.“ Entwickelt wurde die Methode von Raismann mit seinem Team. Den Angaben zufolge hat sie nun "erstmals außerhalb des Labors bei einem Menschen Erfolg gehabt".
Methode an Dackeln getestet
Viele Jahre galt die Regeneration eines verletzten Rückenmarks als unmöglich. „Es ist erstaunlich zu sehen, wie es nun Wirklichkeit wird“, so Pawel Tabakow, Neurochirurg an der Breslauer Universität, wo die Transplantation vorgenommen wurde. Nun planen die Wissenschaftler klinische Studien mit zehn weiteren Patienten in Großbritannien und Polen. Die Methode war bereits an Tieren erprobt worden. Gegenüber der „Times“ bezeichnete Robert Franklin, der die Methode an der Universität Cambridge an Dackeln getestet hat, die Ergebnisse des Fachartikels als „ziemlich spektakulär“ und ermutigend. Doch erst wenn es weitere Studien gebe, wisse man, wie gut sie wirklich funktioniere.
Keine „Zauberformel gegen Querschnittslähmungen“
Kritik äußerte Simone Di Giovanni vom Imperial College London und meinte, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis gebe, dass die verpflanzten Zellen für die Fortschritte des Patienten verantwortlich seien. „Ich erwarte bestenfalls, dass es beim klinischen Erfolg große Unterschiede geben wird, weil das Gewebe, das sie reparieren wollen, so komplex ist und das Ausmaß des Schadens bei jedem Patienten anders ist“, erklärte der Experte einer dpa-Meldung zufolge. Frank Rainer Abel, Vorsitzender der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie (DMGP) sagte, dass jeder berichtete Fortschritt eines Eingriffs am Rückenmark zwar eine gute Nachricht sei, doch „eine Zauberformel gegen Querschnittslähmungen haben die Kollegen nicht gefunden.“ Da es viele unterschiedliche Ausprägungen von Querschnittslähmungen gebe, sei es schwierig, das eine Erfolgsrezept zu finden. Außerdem mahnt der Mediziner: „Eine solche Operation am Rückenmark birgt starke Risiken. Der Patient könnte dabei mögliche Restfunktionen verlieren.“
Erfolge in der Vergangenheit blieben aus
Vor einigen Jahren wurde aus den USA über eine Stammzellentherapie berichtet, die "möglicherweise Querschnittgelähmten mit einer Rückenmark-Verletzung helfen könnte". Mediziner hatten damals an einem "teilweise gelähmten Patienten in einem Krankenhaus in Atlanta die auf Stammzellen basierende Therapie unternommen. Diese hatte sich in ersten Versuchen an Tieren als erfolgversprechend gezeigt". Auch damals zeigten sich manche Experten hoffnungsvoll, doch offenbar blieben nachweisbare Erfolge aus. (ad)
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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