Großbritanien: Zu Weihnachten gibt es „Pille danach“ gratis
09.12.2011
Deutsche Gynäkologen sind schockiert: In Großbritannien können Frauen die „Pille danach“ bis Weihnachten kostenlos und ohne ärztliche Untersuchung im Internet bestellen. Hintergrund ist eine Kampagne des British Pregnancy Advisory Service (BPAS), einer Beratungsorganisation für Schwangerschaftsabbrüche.
Die Kampagne „Pille danach“
Hintergrund der großangelegten Kampagne des BPAS ist die steigende Zahl der Teenagerschwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche von Minderjährigen in Großbritannien, die in keinem westeuropäischen Land höher ist. Die Beratungsorganisation begründet ihre „Weihnachtsaktion“ damit, dass im Januar mehr ungewollt Schwangere in die Beratungsstellen kommen als in allen anderen Monaten.
In Großbritannien können Teenager und Frauen die „Pille danach“ rezeptfrei in Drogerien erwerben. Sie kostet etwa 30 Euro und ist für viele Teenager nur schwer zu finanzieren. Außerdem sei sie gerade an den Feiertagen schwierig zu beschaffen, informiert der BPAS. Deshalb kann sie noch bis Weihnachten kostenlos im Internet auf der Seite santacomes.org (übersetzt „Der Weihnachtsmann kommt“) über ein einfaches Formular bestellt werden. Kurz nach Absenden der Bestellung, ruft eine Krankenschwester zurück, um insbesondere die unter 16-Jährigen zu identifizieren. Spricht nichts dagegen, verschickt die BPAS ein Päckchen mit Kondomen, einer Infobroschüre und Levonelle , der „Pille danach“. Diese soll bis zu 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr einen Eisprung oder die Einnistung der Eizelle verhindern.
Fördert „Pille danach“ verantwortungsloses Verhalten?
Die Idee des BPAS, vor den Feiertagen die „Pille danach“ kostenlos zu verteilen, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, erntet jedoch viel Kritik. Ist es nicht verantwortungsvoller vorzubeugen, beispielsweise mit Kondomen oder der Antibabypille, statt nachzusorgen mit der „Pille danach“? Führt nicht gerade eine solche Kampagne zu verantwortungslosem, ungeschütztem Sex, wenn die „Pille danach“ bereits in der Schublade wartet? Darauf antwortet Abigail Fitzgibbon vom BPAS gegenüber Spiegel Online wie folgt: „ Es ist gut, wenn die Frau weiß, sie hat die Pille im Schrank liegen. Es hat etwas mit Verantwortung zu tun, eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern." Ob die „Pille danach“ verantwortungsloses Verhalten fördert, entkräftet Fitzgibbon wie folgt: „Eben nicht. Verhütungsmittel versagen auch innerhalb einer Ehe. Die Hälfte der Frauen, die in Großbritannien eine Abtreibung vornehmen lässt, sind Mütter. Die Leute planen eben keinen ungeplanten Sex, sie nehmen sich nicht vor, sich schlecht zu verhalten. Auch nicht wenn sie die „Pille danach“ im Schrank liegen haben.“
Viel Kritik an der Kampagne
Die Kampagne wird von Politikern, Ärzten und Verbänden zum Teil stark kritisiert. Neben dem Vorwurf, dass die „Pille danach“ so leicht zu bekommen sei wie beispielsweise eine Pizza, werden vor allem die gesundheitlichen Bedenken in den Vordergrund der Kritik gestellt. Wer die „Pille danach“ als Notfallkontrazeption einnimmt, sollte unbedingt ärztlich begleitet werden, da es zu starken Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Übelkeit kommen kann.
Der Berufsverband der Frauenärzte teilt mit: „Steroidhormone zur Notfallkontrazeption sind keine beliebigen Pharmaka, sondern hoch wirksame und daher indiziert zu verordnende Substanzen. Sie erfordern unbedingt ärztliches Know-how und Begleitung. Dies ist umso wichtiger, weil z.B. die Dosis von Levonorgestrel (PiDaNa°)das 15fache der üblichen Tagesdosis von Antibabypillen bzw. das 100fache von Hormonersatz-Präparaten gegen Wechseljahrsbeschwerden beträgt.“ In Deutschland ist die „Pille danach“ verschreibungspflichtig. (ag)
Bild: Jetti Kuhlemann / pixelio.de
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