OVG Münster: Arzneimittelrecht verbietet auch gering Geschenke
Apotheken dürfen für die Einlösung eines Rezepts keinerlei Geschenke oder Rabatte gewähren. Auch ein Paar Kuschelsocken oder eine Rolle Geschenkpapier sind ein für preisgebundene Arzneimittel unzulässiger „geldwerter Vorteil“, urteilte am Freitag, 8. September 2017, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster (Az.: 13 A 2979/15 und 13 A 3027/15).
Zwei Apothekerinnen aus dem Kreis Coesfeld wollten 2013 und 2014 mit Gutscheinen Kundschaft in ihre Apotheken locken. „Bei Abgabe eines Rezepts“ sollten Kunden ein Paar Kuschelsocken beziehungsweise eine Rolle Geschenkpapier erhalten.
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe sah darin einen Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und untersagte die Gutscheine.
Dagegen klagten die Apothekerinnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe habe „geringwertige Geschenke“ mit einem Wert bis zu einem Euro erlaubt (Urteile vom 9. September 2010, Az.: I ZR 193/07 und I ZR 98/08).
Dolch schon 2012 hatte das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nur um die wettbewerbsrechtliche Sicht handelt; berufsrechtlich seien bei Preisgebundenen Arzneimitteln Nachlässe und Geschenke generell verboten (Urteil vom 8. Oktober 2012, Az.: LBG-H A 10353/12; JurAgentur-Meldung vom 15. Oktober 2012).
Nach den Urteilen des OVG Münster ist die Arzneimittel-Preisbindung auch arzneimittelrechtlich bindend. Das Arzneimittelrecht kenne „keine Bagatellgrenze für zulässige Abweichungen“. Dass hier der Wert der Geschenke jeweils unter 50 Cent liege, spiele daher keine Rolle.
Die Preisbindung sei auch verfassungsgemäß, weil sie einer bundesweit gleichmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln diene.
Dass die Preisbindung nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg nicht für Versandapotheken im EU-Ausland gilt (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 19. Oktober 2016, Az.: C-148/15), ändere daran nichts. Der dadurch entstandene Wettbewerbsvorteil für ausländische Versandapotheken habe sich „noch nicht gravierend zu Lasten inländischer Apotheken ausgewirkt“. Es sei Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob, wann und wie er reagieren wolle, „um die Inländerdiskriminierung zu beseitigen, aber gleichwohl die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten“.
Jedenfalls seien die Apothekenkammern nicht gehalten, von Maßnahmen bei Verstößen gegen die Arzneimittelpreisbindung abzusehen, urteilte das OVG Münster
Demgegenüber hatte das Verwaltungsgericht Braunschweig 2012 eine Zwangsgeldandrohung der Apothekerkammer Niedersachsen verworfen. Hier hatte die Apotheke „Apotheken-Taler“ im Wert von 50 Cent je Rezept ausgegeben. Eng gesehen verstoße dies zwar gegen die Preisbindung, dieser stehe aber die vom BGH eingeräumte unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Apothekers gegenüber. Die Apothekerkammern müssten beides in einer „Ermessensentscheidung“ in Einklang bringen und geringe Boni daher dulden (Urteil vom 23. Mai 2012, Az.: 5 A 34/11; JurAgentur-Meldung vom 3. Juli 2012). mwo
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