Zusatzbeitrag: Sozialausgleich eine Luftnummer?
08.03.2011
Im Zuge der Gesundheitsreform sollten Geringverdiener und Hartz IV Bezieher von Zusatzbeiträgen der gesetzlichen Krankenkassen mittels eines Sozialausgleichs geschont werden. Kein Krankenversicherter sollte mehr als zwei Prozent seines Einkommens für den Zusatzbeitrag ausgegeben müssen. Diesen eindeutigen Beschluss der Bundesregierung will der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nun offenbar untergraben.
Als die Gesundheitsreform des Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler (FDP) zum Jahreswechsel umgesetzt wurde, ließ man von Seiten der Bundesregierung verlautbaren, die Reformen seien „sozial verträglich“, da ein sogenannter Sozialausgleich die Zusatzbeiträge auch für niedrige Einkommensgruppen bezahlbar macht. Kein gesetzlich Versicherter sollte mehr als zwei Prozent seines Einkommens für einen Zusatzbeitrag ausgeben müssen. Dieses Versprechen seitens der schwarz-gelben Koalition könnte sich bald als „Luftnummer“ herausstellen. Nach Informationen der Zeitung „Frankfurter Rundschau“ weigert sich der Finanzminister Wolfgang Schäuble, genügend finanzielle Mittel für den Sozialausgleich bereit zu stellen. In seiner Haushaltsplanung, die bis zum Jahre 2015 reicht, untergräbt Schäuble einen Beschluss seiner eigenen Partei, spätestens im Jahre 2015 weitere Steuermittel für den Ausgleich zur Verfügung zu stellen.
Für den Sozialausgleich stehen derzeit zwei Milliarden Euro im Gesundheitsfond zur Verfügung. Die geplanten Mittel reichen bis spätestens 2014. Danach müssten neue Steuergelder in den Gesundheitsfond fließen, um den Sozialausgleich zu gewährleisten. Allerdings orientiert sich der Sozialausgleich auch an den durchschnittlichen Zusatzbeiträgen. Da aber derzeit nur eine Minderheit der Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erhebt, liegt der durchschnittliche Ausgleich derzeit bei Null Euro. Daran dürfte sich allerdings bald etwas ändern. Erst am Wochenende wurde bekannt, dass beispielsweise der AOK Kassenverbund ein Defizit von rund einer halben Milliarden Euro aufweist. Nun rechnen zahlreiche Branchenkenner damit, dass einige der Ortskrankenkassen einen Zusatzbeitrag zeitnah erheben müssen.
Da die Bundesregierung im Zuge der Gesundheitsreform die Deckelung der zusätzlichen Beiträge abschaffte, müssen die Kassen bei einer finanziellen Schieflage auf das Mittel der Zusatzbeiträge zurückgreifen, um steigende Kosten im Gesundheitssystem zu bewältigen. Eine im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbund angefertigte Expertise der Universität Köln prognostizierte bereits einen Anstieg der Zusatzbeiträge auf 100 Euro monatlich bis zum Jahr 2025. Der Hauptgrund hierfür sind steigende Arzneimittelpreise, immer höhere Ärztehonorare und der demografische Wandel. Letztendlich müssen sich alle Menschen auf massiv steigende Gesundheitsausgaben einstellen. Das sind die Schattenseiten einer immer älter werdenden Gesellschaft.
Der Gesundheitsexperte der SPD, Dr. Karl Lauterbach kritisierte das Vorgehen Schäubles scharf. So sagte Lauterbach gegenüber der „FR“: „Es ist ein Skandal, dass die Geringverdiener mit dem Zusatzbeitrag alleingelassen werden sollen“. Schließlich muss sich auch ein Finanzminister an die Beschlüsse seiner eigenen Regierung halten, fügte Lauterbach hinzu.
Dieser Vorgang grenzt an einen Skandal und missachtet alle demokratischen Grundsätze. Es ist zu befürchten, dass Geringverdiener vor einer Verarmung ungeschützt sind, weil ein einzelnes Ressort Regierungsbeschlüsse missachtet. (sb)
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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