BAG: Kommunale Kliniken können nicht auf Freizeitausgleich verweisen
Erfurt (jur). Gesundheits- und Krankenpfleger im öffentlichen Dienst haben im Wechselschichtdienst bei ungeplanten Überstunden Anspruch auf einen Überstundenzuschlag. Nur bei im Schichtplan enthaltenen Überstunden ist dagegen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Krankenhäuser (TVöD-K) ein Freizeitausgleich vorgesehen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 23. März 2017 (Az.: 6 AZR 161/16). Dies gelte auch für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer.
Geklagt hatte ein Krankenpfleger aus Berlin. Dieser arbeitete in einer Dreiviertel-Stelle mit insgesamt 29,25 Wochenstunden in einer Klinik. Das Krankenhaus setzte ihn nach im Voraus erstellten Schichtplänen in Wechselschicht ein.
Doch trotz Schichtplans kam es darüber hinaus immer wieder zu ungeplanten Überstunden, die der Arbeitgeber anordnete. Die Klinik gewährte hierfür einen Freizeitausgleich.
Der Krankenpfleger verwies auf den Tarifvertrag. Für ungeplante Überstunden müsse ihm ein Überstundenzuschlag zustehen.
Dem widersprach das Krankenhaus. Der Kläger habe gar keine Überstunden, sondern „Mehrarbeit“ geleistet. Überstunden könnten bei einer Wechselschichtarbeit erst dann anfallen, wenn diese über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten – also 39 Stunden – lägen. Doch selbst dann habe der Arbeitgeber immer noch die Möglichkeit, die Stunden durch Freizeit im Schichtplanturnus auszugleichen.
Dem widersprach nun das BAG. Zwar seien die entsprechenden Regelungen im TVöD-K nicht ganz eindeutig, dennoch sei die einzig sinnvolle Auslegung, dass dem Kläger – unabhängig vom Bestehen einer Teilzeitbeschäftigung – für ungeplante Überstunden ein Überstundenzuschlag zustehen müsse. Maßstab sei hier die im Schichtplan festgesetzten „täglichen“ Arbeitsstunden.
Dass kein Freizeitausgleich, sondern ein Zuschlag gewährt werden müsse, liege auch an der Doppelbelastung beim Ableisten ungeplanter Überstunden: zum einen die Wechselschichtarbeit und zum anderen die ungeplante Anordnung der Überstunden.
Die Klinik könne zudem nicht darauf verweisen, dass ungeplante Überstunden wegen des Zuspätkommens von Beschäftigten bei Schichtwechsel anfallen und daher die „Arbeitnehmerseite“ dafür auch geradestehen müssen, urteilte das BAG. Es bestehe keine kollektive Verantwortung der „Arbeitnehmerseite“ für den verspäteten Antritt eines Arbeitnehmers, mit der Folge, dass lediglich ein Freizeitausgleich für Überstunden gewährt werden müsse.
Sei eine ordnungsgemäße Übergabe wegen eines zu spät kommenden Arbeitnehmers nicht möglich, spreche viel dafür, dass die Schichtplanerstellung zu kurz bemessen sei. Der Arbeitgeber müsse im Schichtplan einfach Überstunden für die Übergabe vorsehen, die dann später als Freizeit ausgeglichen werden könnten.
Schließlich müssten Überstundenzuschläge auch Teilzeitbeschäftigten zustehen. Dass „Überstunden“ erst bei Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten anfallen sollten, rügten die obersten Arbeitsrichter ebenfalls. Teilzeitbeschäftigte würden sonst „gleichheitswidrig diskriminiert“. fle
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