Bundesverfassungsgericht: Verfahren um rechtliche Vaterschaft nötig
Karlsruhe (jur). Mögliche leibliche Väter eines Kindes können nicht in jedem Fall zum DNA-Test gezwungen werden. Auch wenn das Kind grundsätzlich Anspruch auf Klärung seiner Abstammung hat, kann die genetische Abstammungsuntersuchung nur im Rahmen zur Klärung der rechtlichen Vaterschaft verlangt werden, urteilte am Dienstag, 19. April 2016, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Az.: 1 BvR 3309/13). Der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Anspruch, den biologischen Vater zu kennen, gelte nicht absolut. Der Gesetzgeber habe hier einen Ausgestaltungsspielraum.
Damit kann die 1950 geborene und aus Nordrhein-Westfalen stammende Beschwerdeführerin Inge L. immer noch nicht mit Gewissheit erfahren, wer ihr leiblicher Vater ist. Ihre Mutter hatte ihr gegenüber einen Mann benannt, der ihr Vater sei und ihre Geburt auch beim Standesamt angezeigt hatte. Die rechtliche Vaterschaft hatte er aber nicht übernommen.
Die Mutter klagte daraufhin nach damaligem Recht auf „Feststellung blutsmäßiger Abstammung“. Das Gericht veranlasste ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten, in dem die äußeren Merkmale des Kindes und deren Vererbungswahrscheinlichkeit mit dem mutmaßlichen Vater verglichen wurden. Der Gutachter verneinte eine Ähnlichkeit, so dass das Vaterschaftsverfahren vor Gericht 1955 ohne Erfolg blieb.
Doch die vermeintliche Tochter ließ nicht locker. Der Gutachter müsse damals entweder ein unerfahrener junger Arzt oder bereits im Nationalsozialismus als Erbbiologe tätig gewesen sein. Sie wollte daher unbedingt Gewissheit darüber haben, woher sie abstammt. Da heute mit einer DNA-Untersuchung die Vaterschaft genau bestimmt werden kann, forderte sie ihren mutmaßlichen Vater nun zum Gen-Test auf. Anders als bei einem rechtlichen Vater sollte die Bestimmung des leiblichen Vaters aber ohne rechtliche Folgen für das Vater-Kind-Verhältnis sein.
Der über 80-jährige mutmaßliche Vater wollte jedoch nicht wissen, ob die Frau seine Tochter ist. Er lehnte die Abgabe einer DNA-Probe ab.
Die vermeintliche Tochter wollte dies nun gerichtlich erzwingen. Bei der Klärung einer rechtlichen Vaterschaft sei dies möglich. Gleiches müsse daher auch bei der Bestimmung des leiblichen Vaters gelten, auch wenn damit keinerlei weitere Rechte und Pflichten aus dem Vater-Kind-Verhältnis entstehen.
Doch vor dem Bundesverfassungsgericht hatte die Frau keinen Erfolg. Kinder hätten zwar im Hinblick auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht grundsätzlich Anspruch auf Klärung ihrer Abstammung. Dieser Anspruch gelte aber nicht absolut. Nur im Rahmen eines rechtlichen Vaterschaftsverfahrens müsse auf Verlangen des Kindes in einen Gentest eingewilligt werden.
Denn mit einem erzwungenen Vaterschaftstest des mutmaßlichen Vaters seien auch dessen Grundrechte betroffen. So habe jeder Mensch ein Recht darauf, dass er seine geschlechtlichen Beziehungen nicht offenbaren müsse. Die Abgabe einer genetischen Probe verletze zudem sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung und seine körperliche Unversehrtheit.
Sowohl der mutmaßliche leibliche Vater als auch dessen Familie hätten zudem Anspruch auf ein geschütztes Familienleben. Selbst wenn das Vaterschaftsverfahren negativ ausfallen würde, seien die damit verbundenen Beeinträchtigungen nicht gänzlich umkehrbar. Denn das Verfahren nehme den Beteiligten „Gewissheit und Vertrauen in ihre familiären Beziehungen“, so die Verfassungsrichter.
Werde die Klärung des leiblichen Vaters generell erlaubt, bestehe die Gefahr, dass „ins Blaue“ hinein mutmaßliche Väter zum Gen-Test gezwungen werden. Bei der Klärung der Vaterschaft, innerhalb einer rechtlichen Familie, bestehe diese Gefahr nicht. Denn hier sei der Kreis der Berechtigten und Verpflichteten auf die Mitglieder der rechtlichen Familie beschränkt.
Die Kinder, die ihren Vater kennen wollen, seien damit nicht rechtlos gestellt, betonte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Denn sie könnten immer noch die rechtliche Vaterschaft mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten per Gentest klären lassen. Hier war dies der Beschwerdeführerin allerdings nicht mehr möglich, da ihre erste Vaterschaftsfeststellungsklage bereits erfolglos war. fle/mwo/fle
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