Individuelle Gesundheitsleistungen zum Großteil nutzlos
26.02.2015
Vielen Patienten werden bei einem Arztbesuch sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten, deren Kosten sie selbst zu tragen haben. Doch die meisten IGeL haben nach wissenschaftlicher Bewertung des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes (MDS) „keinen nachweisbaren Nutzen oder sie schaden.“ Einen Überblick können sich Patienten auf dem Internetportal www.igel-monitor.de verschaffen, das der MDS seit drei Jahren betreibt.
Rund jedem zweiten Patienten werden laut Angaben des MDS bei einem Arztbesuch Individuelle Gesundheitsleistungen angeboten. Kaum verwunderlich, denn die Ärzte verdienen hieran durchaus gut. Doch der medizinische Nutzen bleibt oft zweifelhaft. Eine fundierte Entscheidungshilfe bietet die Internetseite IGeL-Monitor. Bislang wurden 37 IGeL durch das Wissenschaftler-Team des Internetportals bewertet und beschrieben, wobei das Spektrum vom Ultraschall der Eierstöcke, über die Krebsfrüherkennung bis zur Stoßwellentherapie gegen Fersenschmerz reichte. Jedoch konnten nur vier Selbstzahlerleistungen eine tendenziell positive Bewertung erreichen.
Keine IGeL „positiv“ bewertet
Das Gesamtergebnis der IGeL-Bewertung fällt laut Mitteilung des MDS sehr ernüchternd aus. So wurde 16 der 37 überprüften Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit „negativ oder tendenziell negativ bewertet“, berichtet der MDS. 13 IGeL hätten mit einem unklaren Ergebnis abgeschnitten und nur vier wurden „tendenziell positiv“ bewertet. Nicht eine Leistung erhielt die Bewertung positiv. „Die Mehrzahl der IGeL schneidet schlecht ab und hat keinen nachweisbaren Nutzen für die Patienten oder sie können sogar schaden“, so der Geschäftsführer des MDS, Dr. Peter Pick. Auf Rang eins der IGeL-Verkäufer stehen laut MDS die Gynäkologen, an zweiter Stelle folgen Zahnärzte, und an dritter Augenärzte. Die Entwicklung auf dem boomenden IGeL-Markt sei bedenklich, die Patientinnen und Patienten würden nicht ausreichend über Nutzen und Risiken informiert und Alternativen, die von den Kassen bezahlt werden, oft nicht genannt, so die Kritik von Dr. Pick.
Ultraschall der Eierstöcke „negativ“ bewertet
Dem Experten zufolge sollten die Patienten in der Praxis auf jeden Fall Bedenkzeit, Informationen und einem schriftlichen Vertrag einfordern. „IGeL sind nie dringend. Es gibt keinen Grund, sich drängen zu lassen“, so Pick weiter. Im Zweifelsfall biete das Portal IGeL-Monitor den Versicherten eine wissenschaftlich fundierte und dennoch leicht verständliche Entscheidungshilfe, damit sie sich mit dem nötigen Wissen für oder gegen eine IGeL entscheiden können. Das schlechteste Bewertungsurteil („negativ“) erreichten laut Angaben des MDS die Bestimmung des Immunglobulins G (IgG) gegen Nahrungsmittel, die Colon-Hydro-Therapie, der Toxoplasmose-Test bei Schwangeren (Früherkennung) und die Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. Letztere würden von Frauenärzten zum Beispiel oft im Rahmen einer sogenannten „gynäkologischen Krebsvorsorge“ angeboten, berichtet der MDS. Ohnehin würden die gesetzlichen Krankenkassen ab dem 20. Lebensjahr jedoch eine Vorsorgeuntersuchung in Form des Abtastens bezahlen.
Zahlreiche IGeL mit der Bewertung „tendenziell negativ“
Die zusätzliche Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke ist laut Angaben des MDS „negativ“ zu bewerten, da einerseits mit Ultraschalluntersuchung gleich viele Frauen an Eierstockkrebs sterben wie ohne Untersuchung und anderseits „Frauen durch Fehlalarme häufig unnötig beunruhigt und sogar eigentlich gesunde Eierstöcke entfernt werden.“ Auch ärztliche Fachgesellschaften würden inzwischen von der Untersuchung abraten. Zahlreiche weitere IGeL erhielten in der Bewertung des MDS zudem ein „tendenziell negativ“, darunter die Augenspiegelung mit Messung des Augeninnendrucks zur Glaukom-Früherkennung, die Blutegeltherapie bei Kniearthrose, dieEigenbluttherapie bei Tendinopathiem, die MRT-Untersuchung zur Früherkennung einer Alzheimer-Demenz und der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs.
Individuelle Gesundheitsleistungen nicht selten kontraproduktiv
Der PSA-Test ist laut Angaben des MDS „eine der am häufigsten angebotenen IGeL“, wobei eine frühzeitige Erkennung von Prostatakrebs das Ziel sei. „Auch wenn der PSA-Test in Werbekampagnen sowie von vielen Urologen und Allgemeinärzten als sinnvolle Vorsorgemaßnahme dargestellt wird, gibt es seit Jahren auch in Fachkreisen intensive Diskussionen um Nutzen und Schaden des Tests“, so die Mitteilung auf des Portals IGeL-Monitor. Bis heute bleibe die Datenlage zum Nutzen widersprüchlich. Nach wie vor seien nur Hinweise auf einen geringen Nutzen zu sehen, während die Datenlage zum Schaden eindeutig ausfalle. „Deshalb sehen wir weiterhin Belege für einen geringen Schaden“, berichten die Wissenschaftler des Portals. Keine eindeutige Aussage lasse sich unter anderem zur Wirkung von Akupunktur im Rahmen der Spannungskopfschmerz-Prophylaxe, zur Bachblütentherapie, der Biofeedback-Therapie bei Migräne, der Professionelle Zahnreinigung und dem Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung treffen.
„Tendenziell positiv“ wurde von IGeL-Monitor die „Akupunktur zur Migräneprophylaxe“, die „Laser-Behandlung von Krampfadern“, die „Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung (Winterdepression)“ und die „Stoßwellentherapie beim Fersenschmerz“ bewertet. Eine klare Bewertung „positiv“ erreichte keine der bislang bewerteten Individuellen Gesundheitsleistungen.
(fp)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.