Aderlass ist eine uralte Therapieform und gehört zu den Ausleitverfahren der Naturheilkunde. Dabei wird eine bestimmte Menge Blut abgenommen, was den Körper sowohl von Blutfülle als auch von schädigenden Stoffen im Blut entlasten soll. Der Aderlass gilt traditionell als ein Umstimmungsmittel bei chronischen Erkrankungen.
Inhaltsverzeichnis
Aderlass: Eine kurze Übersicht
Alle wichtigen Informationen rund um den Aderlass finden Sie in unserer Kurzübersicht.
- Definition: Der Aderlass gehört zu den Ausleitverfahren. Dabei wird dem Körper eine gewisse Menge Blut entzogen.
- Wirkung: Blutverdünnung, Beeinflussung des Hämatokrit-Wertes, der Viskosität, Aggregation von Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten, Verbesserung der Mikrozirkulation und dadurch Verbesserung der Durchblutung allgemein. Laut der Erfahrungsmedizin sollen auch Entzündungen positiv beeinflusst werden.
- Arten des Aderlasses: In der Naturheilkunde wird zwischen dem Volumen-Aderlass und dem Hildegard-Aderlass unterschieden.
- Anwendungsgebiete allgemein: Wissenschaftliche Studien bescheinigen dem Aderlass positive Wirkungen unter anderem bei einigen Formen von Bluthochdruck (zum Beispiel nach einer Nierentransplantation und bei metabolischem Syndrom) sowie Hämochromatose und Polycythaemia vera. Traditionell wird der Aderlass auch gegen rheumatische und entzündliche Erkrankungen angewandt, dies beruht jedoch auf Beobachtung und Erfahrung und ist nicht wissenschaftlich belegt.
- Anwendungsgebiete Volumen-Aderlass: Bluthochdruck mit Kopfschmerzen, zerebralen Durchblutungsstörungen, Hyperlipidämie, Tinnitus oder Polyglobulie; Stauungssymptome wie zum Beispiel Nasen- und Netzhautblutungen, Schwindel, Asthma cardiale, Dyspnoe. Stoffwechselstörungen und chronische Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus, harnsaure Diathese, Hautkrankheiten, Rheuma.
- Anwendungsgebiete Hildegard-Aderlass: Umstimmung, Regulierung von Stoffwechselfunktionen, Beseitigung von Stauungszuständen durch Blutfülle, (chronische) Entzündungen, Zivilisationskrankheiten wie Rheuma, Gicht, Durchblutungsstörungen, Akne, Neurodermitis; bei Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen soll eine vorbeugende Wirkung gegen Herzinfarkt und Schlaganfall möglich sein. Außerdem Abwehrschwäche, Hormonstörungen, zur Krampflösung, Schlaflosigkeit und zur allgemeinen Krankheitsprävention.
- Kontraindikationen Aderlass: Anämie, Schwächezustände, fieberhafte Infektionskrankheiten, akute Herzbeschwerden wie Angina pectoris, schwere konsumierende Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs oder Tuberkulose, Exsikkose, akute Durchfälle. Bei Säuglingen und Kindern sowie während der Schwangerschaft darf kein Aderlass durchgeführt werden. Menschen, die Beschwerden mit der Blutgerinnung haben oder Medikamente zur Blutverdünnung einnehmen, sollten besonders vorsichtig mit Aderlässen sein und im Zweifel darauf verzichten.
- Hinweis: Der Aderlass sollte nur nach vorheriger Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin erfolgen. Die Therapie sollte nur durch einen erfahrenen Arzt oder eine erfahrene Ärztin beziehungsweise einen erfahrenen Heilpraktiker oder eine erfahrene Heilpraktikerin durchgeführt werden.
Wichtiger: Die Wirkung des Aderlasses gründet sich in der Naturheilkunde vor allem auf jahrhundertelange Beobachtungen (Erfahrungsmedizin). Leider liegen bisher nur für einige Erkrankungen, gegen die der Aderlass traditionell angewandt wurde, Studien zur Wirksamkeit vor. Aus neueren wissenschaftlichen Studien geht hervor, dass eine Wirkung bei rheumatischen Erkrankungen nicht belegbar ist. Gegen einige Formen von Bluthochdruck (zum Beispiel nach einer Nierentransplantation und bei metabolischem Syndrom) sowie Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) und Polycythaemia vera ist der Aderlass laut Studienlage jedoch ein wirksames Mittel.
Wenn Sie den Aderlass als Therapieform in Erwägung ziehen, informieren Sie sich vorher gründlich und beraten Sie am besten mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer behandelnden Ärztin, ob ein Aderlass bei Ihren Beschwerden sinnvoll sein könnte.
Geschichte des Aderlasses
Bereits der griechische Arzt Hippokrates (460 – 370 v. Chr.) wendete den Aderlass an. Auch die traditionelle indische Heilkunst Ayurveda kennt den Aderlass als ausleitendes Verfahren. Im Mittelalter war der Aderlass eine Therapie, die sehr häufig angewandt wurde; meist aber zu häufig und unnötig, weshalb der Aderlass über die Jahre ziemlich in Verruf geraten ist. In den letzten Jahren erlebt der Aderlass allerdings einen Aufschwung in der Behandlung einiger Krankheiten, zum Beispiel gegen einige Formen des Bluthochdrucks (Hypertonie).
Die Ausleitverfahren oder Ausleitungsverfahren, zu denen der Aderlass gehört, gehen auf die Humoralpathologie zurück; das ist eine früh-griechische Naturphilosophie, nach deren Auffassung der Mensch aus den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer besteht. Krankheit wird in der Humoralpathologie als ein Ungleichgewicht der vier Säfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle bezeichnet. Und um dieses wieder ins Lot zu bringen, wurden damals und werden auch heute noch sogenannte „ausleitende Verfahren“ angewandt, die den Körper entgiften und von den verschiedensten „üblen“ Säften befreien sollen.
Wirkung des Aderlasses
Durch das entnommene Blut tritt eine Blutverdünnung ein. Das Fehlen des Blutes bedeutet für den Körper einen Volumenverlust. Dieser wird sofort kompensiert, indem aus dem Interstitium (Zwischenzellgewebe) eiweißarme Flüssigkeit nachströmt und dies dann zu einer Blutverdünnung führt. Hierdurch können schlechte Blutwerte bezüglich des Hämatokrits (Anteil der Blutzellen am Gesamtvolumen des Blutes in Prozent), der Viskosität (Zähflüssigkeit) und der Aggregation (Zusammenballung) der Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten (rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen und Blutplättchen) verbessert werden. Da durch die Blutverdünnung die Mikrozirkulation angeregt wird, führt dies zu einer allgemeinen Durchblutungsförderung.
Anwendungsgebiete
Bei Patientinnen und Patienten, die unter Bluthochdruck leiden, zusätzlich noch adipös sind und zu der Gruppe der Plethoriker (Personen mit Blutfülle, rötlichem Kopf, Adipositas) gehören, soll laut der Humoralpathologie der Aderlass eine sogenannte Entstauung schaffen. Die Blutverdünnung verbessert die zerebrale Durchblutung, der Blutdruck wird etwas gesenkt und eventuelle Symptome, wie Kopfschmerzen oder Ohrensausen (Tinnitus) bessern sich.
Zwei Arten von Aderlass
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von Aderlass: Den Hildegard-Aderlass und den Volumen-Aderlass. Beide stellen wir Ihnen im Folgenden kurz vor.
Hildegard-Aderlasss
Benannt ist dieser Aderlass nach der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 – 1179). Der Hildegard-Aderlass richtet sich nach den Mondphasen. Er kommt nur in den ersten fünf Tagen nach Vollmond zum Einsatz. Nach dem Aderlass muss Hildegard von Bingen zufolge eine spezielle Diät eingehalten werden.
Mit dem abgenommenen Blut konnte Hildegard von Bingen außerdem eine sogenannte Phänomenanalyse zur Diagnose erstellen. Der Hildegard-Aderlass ist nur im nüchternen Zustand durchzuführen, da sich laut Hildegard von Bingen bei Nahrungs- und auch Flüssigkeitsaufnahme die Säfte miteinander vermischen und sich keine Trennung mehr erkennen lässt.
Der Hildegard-Aderlass hat eine sanfte, jedoch tiefgreifende Wirkung. Er kommt bei vielfältigsten Erkrankungen zum Einsatz. So wird diese Form des Aderlasses eingesetzt bei Abwehrschwäche, Rheuma, Gicht und Hauterkrankungen, Hormonstörungen, Entzündungen, zur Krampflösung, bei Bluthochdruck, bei Schlaganfallgefahr, Schlaflosigkeit und zur allgemeinen Krankheitsprävention.
Nach Hildegard von Bingen existieren genaue Aufzeichnungen über den von ihr angewandten Aderlass, in denen unter anderem beschrieben wird, ab welchem Alter bei Mann und Frau der Aderlass durchgeführt werden darf und welche Menge von Blut abgenommen werden soll, zu welcher Zeit und bei welcher Erkrankung.
Volumen-Aderlass
Der Volumen-Aderlass wird vor allem bei übergewichtigen Menschen mit Bluthochdruck (Hypertonie) mit plethorischem Aussehen (siehe oben) und Symptomen wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Schwindel, Durchblutungsstörungen und Hyperlipidämie (zu hohe Blutfettwerte), angewandt.
Da der Aderlass eine sogenannte Blutverdünnung nach sich zieht, wird nach der Lehre der Humoralpathologie die allgemeine Durchblutung verbessert, wodurch die Symptome der Betroffenen gelindert werden können und auch der Blutdruck etwas sinkt. Der Volumen-Aderlass kommt aber auch bei Diabetes, Rheuma und anderen Erkrankungen zum Einsatz. Er wird sowohl in naturheilkundlichen Praxen als auch in der Schulmedizin angewandt.
Ablauf einer Aderlassbehandlung
Je nach Vorgeschichte, Symptomatik und Blutbild werden bei einem Volumen-Aderlass einmal pro Monat bis zu 500 Milliliter Blut abgenommen. Dies geschieht mit speziellen Unterdruck-Glasflaschen, die zum Auffangen des Blutes dienen. Wichtig ist hierbei, dass während der Blutabnahme ständig der Blutdruck und danach auch der Hämatokrit-Wert des Blutes überprüft werden.
Beim Hildegard-Aderlass wird etwas sanfter gearbeitet. So bewegen sich hier die Blutabnahmemengen zwischen 150 und 180 Milliliter, und dies in den ersten Tagen nach Vollmond. Die Blutabnahme wird mit nüchternem Magen durchgeführt, also am besten morgens.
Die Farbintensität des Blutes ist hier sehr wichtig. So wird, unberücksichtigt der schon abgenommenen Menge, sofort der Aderlass gestoppt, wenn das Blut nicht mehr dunkelrot ist. Nach überlieferter Auffassung von Hildegard von Bingen hat das zuerst austretende Blut eine sogenannte Mischfarbe, da es Schadstoffe enthält. Ändert sich die Farbe in hellrot, so tritt Entspannung ein, das Gift ist entnommen und der Aderlass kann abgebrochen werden.
Das entnommene Blut wird unter Umständen zu einer speziellen Nachweisdiagnostik herangezogen. Auch diese Diagnostik beruht auf dem überlieferten Wissen der Hildegard von Bingen. Nach dem Aderlass wird hier eine spezielle Diät verordnet.
Kontraindikationen
Grundsätzlich sollte ein Aderlass niemals angewandt werden bei Personen, die geschwächt sind, an (fieberhaften) Infektionskrankheiten oder Anämie leiden, oder akute Herzbeschwerden wie Angina pectoris haben. Auch bei Exsikkose und akuten Durchfällen darf kein Aderlass erfolgen. Bei Patientinnen und Patienten mit schweren konsumierenden Erkrankungen (zum Beispiel Krebs oder Tuberkulose) ist Aderlass kontraindiziert.
Auch bei Kindern, die noch im Wachstum sind und bei Schwangeren darf der Blutentzug nicht durchgeführt werden. Personen, die Beschwerden mit der Blutgerinnung haben oder blutverdünnende Medikamente einnehmen, sollten ebenfalls besonders vorsichtig mit Aderlässen sein beziehungsweise im Zweifelsfall besser auf diese verzichten.
Die Therapie sollte nur durch einen erfahrenen Arzt oder eine erfahrene Ärztin beziehungsweise eine erfahrenen Heilpraktiker oder eine erfahrene Heilpraktikerin durchgeführt werden. (sw, kh)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bierbach, Elvira (Hrsg.): Naturheilpraxis heute. Lehrbuch und Atlas. Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München, 4. Auflage 2009
- gvg: Hilft Aderlass bei arterieller Hypertonie?; in: CME, Vol. 13, Issue 1-2, Seite 8, 2016, Springer Link
- Kaiser, H.: Aderlass und ,,Rheuma“: Ein Rückblick; in: Zeitschrift für Rheumatologie, Vol. 70, Issue 3, 2011, ResearchGate
- Kamhieh-Milz, Julian et al.: Blutspende – Behandlungsoption bei Hypertonie?; in: Zeitschrift für Komplementärmedizin, Vol. 10, Issue 5, Seite 56-61, 2018, Thieme Connect
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.