Ausleitungsverfahren, auch Aschnerverfahren oder Ausleitverfahren genannt, haben ihren Ursprung in der Humoralpathologie. Diese war Basis und Grundgedanke von Hippokrates, wonach Krankheit als ein Ungleichgewicht der vier Säfte (schwarze Galle, Schleim, Blut, gelbe Galle) bezeichnet wurde. Durch Ausleitungsverfahren sollten die Säfte und damit die Lebenskraft wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Zu diesen Verfahren zählen zum Beispiel das blutige Schröpfen, der Aderlass oder die Blutegeltherapie.
Inhaltsverzeichnis
Obwohl die Vier-Säfte-Lehre in der modernen Medizin keinen Platz mehr hat, sind viele der uralten Ausleitungsverfahren bis heute aktuell. Für einige von ihnen, zum Beispiel das Schröpfen oder die Blutegeltherapie, lässt sich auch wissenschaftlich durchaus ein Nutzen für die Gesundheit nachweisen: So regt Schröpfen etwa die Durchblutung im behandelten Gebiet an und im Blutegelspeichel wurden diverse medizinisch hochwirksame Substanzen entdeckt, die vor allem schmerzlindernd, durchblutungsfördernd und entzündungshemmend wirken.
Hinweis: Ausleitungsverfahren zählen zu den komplementärmedizinischen beziehungsweise alternativmedizinischen Methoden und sollten nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin zum Einsatz kommen.
Ausleitungsverfahren: Ein kurzer Überblick
Hier finden Sie einen kurzen Überblick zu den Ausleitungsverfahren.
- Beschreibung: Ausleitungsverfahren, auch Aschnerverfahren oder Ausleitverfahren genannt, haben ihren Ursprung in der Humoralpathologie. Danach gilt Krankheit als Ungleichgewicht der vier Säfte (schwarze Galle, Schleim, Blut, gelbe Galle). Durch Ausleitungsverfahren sollten die Säfte und damit die Lebenskraft wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Heutzutage wird die mögliche Wirkung anders erklärt und die meisten Ausleitverfahren sollen überwiegend der Entgiftung dienen.
- Welche Verfahren gibt es?: Zu den Ausleitungsverfahren zählen zum Beispiel Aderlass, blutiges Schröpfen, Blutegeltherapie, Baunscheidtieren, im weiteren Sinne auch Entgiftungsmethoden wie Fastenkuren oder ein Einlauf.
- Anwendungsgebiete: Je nach Methode variieren die Anwendungsgebiete.
- Hinweis: Ausleitungsverfahren sollten nur nach vorheriger Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin zum Einsatz kommen.
Die Humoralpathologie – die Vier-Säfte-Lehre
In der Humoralpathologie wird ein Ungleichgewicht der vier Körpersäfte „Dyskrasie“ genannt. Schwarze Galle ist dem Element Erde zugeordnet, entspricht der Milz und dem Typus des Melancholikers. Schleim gehört dem Element Wasser und dem Temperament des Phlegmatikers an. Das dazugehörige Organ ist das Gehirn; es steht für Wachstum und das vegetative Nervensystem. Blut entspricht der Luft, stellt das Herz dar, symbolisiert den Typus des Sanguinikers und steht für Empfindungen und das Seelisch-Lebendige. Die gelbe Galle gehört zur Leber und zum Element Feuer, entspricht dem Temperament des Cholerikers und spiegelt das Stoffwechselgeschehen wider.
Die Ausleitverfahren sind dazu da, ein Gleichgewicht zwischen den vier Säften zu schaffen, indem Stoffe um – oder ausgleitet werden. Folgendes Zitat von Paracelsus macht den Grundgedanken dieses Verfahrens verständlicher: „Wo die Natur einen Schmerz erzeugt, da hat sie schädliche Stoffe angesammelt und will sie ausleeren. Ist die Natur nicht imstande, diesen Vorsatz selbst auszuführen, muss der Arzt eine künstliche Öffnung direkt an der kranken Stelle machen und so Schmerz und Krankheit rasch heilen.“
Was ausleitend wirkt
Die Verfahren, die eine künstliche Öffnung schaffen, wirken ausleitend. Das ist zumindest die ursprüngliche Definition. Dazu gehören das blutige Schröpfen, das Cantharidenpflaster, der Aderlass und die Baunscheidt-Therapie. Alle genannten Methoden sollen aus Sicht der Humoralpathologie dazu beitragen, dass „schlechte Säfte“ abfließen können und der Körper dadurch wieder in ein Gleichgewicht kommt.
Heutzutage wird Ausleiten etwas „großzügiger“ gesehen. So sind dies nicht nur Therapien, die ein Eröffnen der Haut voraussetzen, sondern Behandlungsformen, die den Körper dazu animieren, „Schlacken“ und Giftstoffe auf natürlichem Wege nach außen zu bringen. Dazu gehört zum Beispiel das Ausleiten von Amalgam. Dies wird ganz unterschiedlich, je nach Therapeut, durchgeführt. Die Basis ist ein Loslösen des Giftstoffs, ein Auffangen und Abpuffern und ein Ausleiten. Dies wird mit verschiedenen Pflanzenmischungen durchgeführt.
Das blutige Schröpfen
Das blutige Schröpfen ist eine uralte Reiztherapie, wird jedoch bis heute in vielen naturheilkundlich arbeitenden Praxen angewandt. Dieses Ausleitverfahren kommt zum Einsatz, wenn sich der Körper in einem „Füllezustand“ befindet. Ist allerdings ein Energiemangel vorhanden, bleibt das blutige Schröpfen absolut kontraindiziert.
Die Haut wird desinfiziert, leicht angeritzt und dann ein Schröpfglas aufgesetzt. Das im Glas befindliche Vakuum zieht das Blut aus dem Körper. In der Regel wird das Schröpfglas abgenommen, wenn dies ein Drittel mit Blut gefüllt ist, bei Beschwerden oder Unbehagen selbstverständlich früher. Mit dieser Methode können „Schlacken“ den Körper verlassen. Dazu muss angemerkt werden, dass es aus schulmedizinischer Sicht keine „Schlacken“ gibt und somit auch keine Notwendigkeit, diese auszuleiten.
Cantharidenpflaster
Bereits bei Hippokrates wurde das Cantharidenpflaster angewandt. Dieses Ausleitungsverfahren wirkt nicht über das Blut, sondern hier soll laut Theorie Lymphflüssigkeit zur Ausscheidung angeregt werden.
Der Wirkstoff Cantharidin wird aus der spanischen Fliege hergestellt und hat eine stark hautreizende Wirkung. Ein Cantharidenpflaster kann in seiner Wirkung Symptome einer künstlich erzeugten Verbrennung zweiten Grades hervorrufen. Daher ist seine Anwendung höchst umstritten und darf, wenn überhaupt, nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin und ausschließlich unter fachkundiger Aufsicht durchgeführt werden.
Durch das Cantharidin wird Gewebsflüssigkeit zur Körperoberfläche hin geleitet. Dieses Sekret enthält aus Sicht der Humoralpathologie „Schlacken“ und Gifte. Durch die entstandene Entzündung werden die Abwehrmechanismen aktiviert, was einen positiven Nebeneffekt auf das Immunsystem hat.
Wichtiger Hinweis: Ein Cantharidenpflaster darf nur unter fachlicher Aufsicht und nach ärztlicher Rücksprache angewendet werden! Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen Verbrennungsreaktionen, schlecht heilende Wunden, Narbenbildung und Pigmentverschiebungen. Bei starker Überdosierung können Vergiftungserscheinungen auftreten, die schlimmstenfalls tödlich enden.
Der Aderlass
Der Aderlass gehört zu den ältesten Ausleitungsverfahren. Hippokrates wandte ihn bereits regelmäßig an. Leider wurde diese Therapieform häufig zu exzessiv durchgeführt, wodurch dieses Verfahren im Mittelalter in Verruf geriet. Eine Blutabnahme von 500 Millilitern pro Monat war die Regel. Heute wird diese Behandlungsform wieder in vielen Naturheilpraxen angewandt, jedoch wird der Aderlass viel sanfter durchgeführt und die Blutmengen sind deutlich geringer.
Indikationen für die Anwendung sind vor allem „Füllezustände“, wie zum Beispiel Bluthochdruck (Hypertonie). Weitere Anwendungsbereiche sind Rheuma, Durchblutungsstörungen, Gicht und Fettstoffwechselstörungen. Jedoch muss dabei genau überprüft werden, ob die Betroffenen wirklich körperlich und seelisch für den Aderlass geeignet sind. Ist der Patient schwach, leidet an niedriger Blutdruck (Hypotonie) oder einem anderen „Leerezustand“, so ist dieses Verfahren nicht geeignet.
Das Baunscheidtieren
Das Baunscheidtieren ist ein Ausleitungsverfahren, bei dem über die Haut ausgeleitet wird. Carl Baunscheidt, ein Mechaniker, stieß durch einen Eigenversuch auf diese Methode. Mit einem sogenannten Lebenswecker, ein Instrument, das 33 kleine Stahlnadeln besitzt, wird die desinfizierte Haut angeritzt. Danach wird ein spezielles Öl aufgetragen, worauf die Haut mit Pustelbildung und Rötung reagiert.
Dieses Ausleitverfahren soll die Durchblutung ankurbeln, den Lymphfluss stimulieren, Gifststoffe und Schmerzmediatoren ausleiten. Zusätzlich soll das Immunsystem von der künstlich erzeugten Entzündung profitieren. Bei massiven Verspannungen im Bereich des Rückens soll diese Methode hilfreich sein.
Ausleitverfahren heute
Heutige Ausleitverfahren beschränken sich nicht mehr auf das Ausleiten mit Hilfe einer künstlich erzeugten Körperöffnung. Ausleiten wird stattdessen oft mit dem Begriff Entgiftung gleichgesetzt, was bedeutet, dass verschiedene Mittel aus der Phytotherapie, Schüßler-Salz-Therapie oder Orthomolekularer Medizin verabreicht werden, um den Körper zum Entgiften anzuregen.
Hinweis: Die Notwendigkeit beziehungsweise Möglichkeit des Entgiftens oder Entschlackens sowie die dazu verwendeten Methoden werden von der evidenzbasierten Medizin („Schulmedizin“) in Frage gestellt.
Ausleiten von Schwermetallen
Quecksilber, Cadmium, Blei, Nickel und viele andere durch Schwermetall verseuchte Stoffe belasten unsere Gesundheit. Leber, Nieren, Darm und das Immunsystem haben damit zu kämpfen. Das Ausleiten von Schwermetallen sollte stets zusammen mit einem erfahrenen Therapeuten oder einer erfahrenen Therapeutin in Angriff genommen werden. Wenn diese Schadstoffe frei und nicht richtig gebunden und ausgeschieden werden, kann dies massive Beschwerden auslösen. Deshalb ist ein Aktivieren der Entgiftungsorgane, wie Leber und Nieren, vor der Ausleitungstherapie sehr wichtig. Dies geschieht zum Beispiel mit Goldrute, Brennnessel und Mariendistel.
Bei einer Belastung mit Schwermetallen wird häufig Selen eingesetzt. Dies ist ein starkes Antioxidantium. Für das Ausleiten von Schwermetallen ist es wichtig, dass diese im Körper zuerst gebunden werden, um dann ausgeschieden werden zu können. Dafür wird heutzutage häufig auch Zeolith, ein Vulkangestein, verwendet. Dies besitzt eine hohe Bindungsfähigkeit für Schwermetalle und andere Schadstoffe im Körper.
Die Natur hält die verschiedensten Pflanzen bereit, die aus naturheilkundlicher Sicht ebenfalls zur Entgiftung dienen. Hierzu gehören zum Beispiel, Löwenzahn, Bärlauch und Koriander. Häufig wird zusätzlich noch die Chlorella pyrenoidosa, eine Süßwasseralge, verabreicht, da diese die Schwermetalle im Darm binden soll.
Hinweis: Bitte holen Sie vor einer Ausleitungstherapie unbedingt ärztlichen Rat ein.
Ölziehen – Ausleiten von Giften aus dem Mund
Das sogenannte „Ölziehen“ gehört ebenfalls zu den modernen Ausleitverfahren. Am besten wird dies morgens durchgeführt. Eine kleine Menge Öl, idealerweise Sesam- oder Sonnenblumenöl, wird im Mund hin – und herbewegt, gekaut und dies so lange wie möglich. Das Öl soll die Fähigkeit haben, Erreger und Giftstoffe zu binden. Deshalb muss das Öl anschließend auch unbedingt vollständig ausgespuckt werden und darf nicht geschluckt werden.
Hinweis: Eine positive Wirkung auf den Körper ist für das Ölziehen bislang wissenschaftlich nicht nachgewiesen und beruht lediglich auf Beobachtung und Erfahrung.
Ausleiten – Entgiften
Umwelteinflüsse, Medikamente, Schimmelpilze, Chemikalien, Alkohol, Nikotin, Stress – all dies kann negative Auswirkungen auf uns haben. Aus naturheilkundlicher Sicht kann eine Entgiftung helfen, die Folgen abzumildern oder zu beheben. Viele Naturheilkundige empfehlen eine Entgiftung zweimal pro Jahr, im Frühjahr und im Herbst.
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass genügend Energie vorhanden ist. Ein Mensch, der ausgezehrt und schwach ist, eventuell eine massive Erkrankung hinter sich hat, sollte nicht entgiften. Hier muss zuerst Energie zugeführt werden. So wird in der Naturheilkunde zum Beispiel mit geeigneten Mitteln die Milz gestärkt und mit Eleutherokokkus (Taigawurzel) das Immunsystem und die Belastbarkeit unterstützt. Ferrum sidereum, ein Mittel aus der Anthroposophischen Medizin, hilft bei Erschöpfung und wird in der Rekonvaleszenzphase verabreicht.
Frühjahr und Herbst sind laut der Anhängerinnen und Anhänger dieser Theorie besonders geeignet, um Ausleitverfahren anzuwenden.
Niere, Leber und Lymphe sollen durch geeignete Maßnahmen dabei unterstützt werden, verstärkt Gifte und „Schlacken“ loszulösen und nach außen zu bringen. Löwenzahn und Brennnessel sollen die Niere in ihrer Funktion unterstützen, Mariendistel und Artischocke sollen die Leber entgiften und Storchenschnabel und Steinkleekraut sollen die Lymphe ankurbeln.
Nach dieser Theorie ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr wichtig, um die gelösten Stoffe auszuscheiden. Zu einer Ausleitungskur gehört auch eine gesunde Ernährung, die arm an Tierischem und reich an frischem Gemüse und Obst ist. Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, Saunagänge, Bürstenmassagen, Basenbäder und ausreichend Schlaf werden zusätzlich empfohlen. Treten während der Entgiftungsphase Beschwerden wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Müdigkeit und schlechte Stimmung auf, so sollte die Trinkmenge erhöht und medizinischer Rat eingeholt werden. (sw)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bierbach, Elvira (Hrsg.): Naturheilpraxis heute. Lehrbuch und Atlas. Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München, 4. Auflage 2009.
- Lowe, Duane: Cupping therapy: An analysis of the effects of suction on skin and the possible influence on human health; in: Complementary Therapies in Clinical Practice, 2017, ResearchGate
- Deutsches Ärzteblatt: Was eine Blutegeltherapie bewirkt (abgerufen 28.09.2019), Deutsches Ärzteblatt
- Bryan, Charles S.: New observations support William Osler's rationale for systemic bloodletting; in: Proceedings (Baylor University. Medical Center) Vol. 32, Issue 3, Seite 372-376, 2019, Taylor&Francis Online
- Fey, Stefan: Das Baunscheidt-Verfahren. Unspezifische Reiztherapie als Kombination von mechanischen und chemischen Hautreizen – bewährt insbesondere bei Atemwegserkrankungen; in: Zeitschrift für Komplementärmedizin (online veröffentlicht 04.03.2014), ThiemeConnect
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.