Das Versagen, klare Gedanken zu bilden, bezeichnen wir als Denkstörungen. Den davon Betroffenen kommen Gedanken in den Sinn und verschwinden wieder. Sie sind nicht in der Lage, einen Gedanken weiter zu verfolgen und lassen sich leicht ablenken – sie sind unfähig, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren. Die Betroffenen können unfähig sein, in logischen Sequenzen zu denken, mit Gedanken, die unorganisiert und fragmentiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Denkstörungen haben zwei wesentliche Bestandteile. Sie beinhalten Individuen, deren Denken desorganisiert ist, und Menschen, die wirre Gedanken entwickeln. Ein gebräuchlicher Unterschied zwischen diesen beiden Störungen liegt darin, dass die erste die Form, und die zweite die Substanz der Gedanken benennt.
Denkstörungen diganostizieren Ärzte gewöhnlich, wenn das Verhalten oder die Sprache einer Person problematische oder unlogische Muster enthält oder keinen Zusammenhang ergibt. Denken bedeutet normalerweise dreierlei: Über etwas nachdenken, die Stränge dessen zusammen führen, worüber jemand nachdenkt, und, letztlich die Befreiung oder das Fließen eines Gedankens, der ein Ergebnis bringt. Eine Denkstörung unterbricht einen oder mehrere Aspekte dieses Prozesses.
Psychopathologie
Die Psychopathologie kennt Denkstörungen als Symptome verschiedener neuropsychiatrischer Erkrankungen. Um sie zu diagnostizieren, sind kognitive Leistungsfähigkeit und Merkfähigkeit wesentliche Kategorien.
Formale und inhaltliche Denkstörungen unterscheiden sich, gehen aber auch ineinander über. Formale Denkstörungen behindern den Denkprozess, nicht aber seine Geschwindigkeit; inhaltliche Denkstörungen betreffen die Themen des Denkens. Die Betroffenen nehmen Inhalte verzerrt oder falsch war, oder empfinden sie ohne Grund als Bedrohung (paranoide Schizophrenie).
Aber Vorsicht: Alle Menschen denken auch unlogisch; alle Menschen fühlen sich bisweilen verwirrt; alle Menschen haben in bestimmten Situationen Probleme, sich zu artikulieren; alle Menschen nehmen manchmal Inhalte falsch auf. Eine Denkstörung liegt erst dann vor, wenn diese Wahrnehmungen das Leben der Patienten in hohem Ausmaß belasten und ein normaler Alltag kaum möglich ist.
Die Forschung über Denkprozesse
Schon früh in der Geschichte der Psychiatrie tobte die Diskussion der Fachleute darum, ob Denkstörungen eine funktionale oder eine organische Erkrankung sind. Viele Experten unterschieden die Symptome in primäre und sekundäre.
Als sekundär betrachtete Auffälligkeiten wurden sie häufig im normalen Krankenhaus diagnostiziert, und Ärzte brachten sie in Verbindung mit Delirium, Demenz und drogeninduzierten Problemen. Traumatische Gehirnverletzungen fallen ebenfalls in die Kategorie erworbene Störung. Als primär betrachtete wirre und zerbrochene Gedanken fielen hingegen in die klassischen psychiatrischen Krankheiten Schizophrenie, Manie oder Depressionen mit Psychosen.
Klar war aber, dass Denkstörungen Symptom von Basiserkrankungen sind, die ihnen zugrunde liegen. Pateinten mit einer primären Störung sind gewöhnlich jünger und haben keine medizinisch diganostizierbare Krankheit, kein vernebeltes Bewusstsein, und sie sind nicht orientierungslos.
Patienten mit Gehirnverletzungen haben in aller Regel keine Psychiatriegeschichte, und wenn, dann steht diese höchst selten in Verbindung mit ihrem Problem, weil ihre Beschwerden eine direkte Folge der durch die Verletzung gestörten Hirnfunktionen ist.
Um Denkprozesse zu erfassen ist es wichtig, andere Komponenten anzusehen, die mit Denkstörungen zusammen hängen. Das beinhaltet Störungen der Wahrnehmung wie Illusionen und Halluzinationen. Wie auch immer: Einen Menschen darüber zu befragen, wie er denkt, ist ein schwieriges Unterfangen.
Es kann besonders schwierig sein, wenn die betroffene Person unter einer posttraumatischen Gehirnstörung leidet, die einhergeht mit Störungen der Selbstwahrnehmung. Dieser Mensch ist oft nicht in der Lage, Änderungen seines Denkens oder Änderungen seiner Selbstwahrnehmung zu vollziehen, besonders, wenn er dazu neigt, sich zu vernachlässigen.
Um das Denken nach einer traumatischen Hirnstörung zu erfassen, kann es sinnvoll sein, Patienten zu fragen, ob es für sie schwierig war, zu denken.
Typen von Denkstörungen
Ein Mangel logischer Verbindungen von Ideen, ein Abschweifen vom Originalthema wegen der schwachen Beziehung der Ideen, Verlust des Themas, der Gebrauch von Wörtern und Phrasen ohne Verbindung zu Regeln der Grammatik (Wortsalat), Wiederholen von Worten, die andere sagen, der Gebrauch von Tönen, Klangassoziationen, selbst entworfene Wörter (Neologismen) und das Wiederholen eines bestimmten Wortes oder eine Phrase sind typisch für Denkstörungen.
Symptome von Denkstörungen
Menschen, die unter Denkstörungen leiden, haben gewöhnlich Probleme das reale vom nicht realen zu unterscheiden. Symptome von Denkstörungen beinhalten Halluzinationen, Einbildungen und desorganisiertes Denken. Fast alle psychiatrischen Patienten haben ein oder mehr von diesen Symptomen. Eine Halluzination ist eine sensorische Wahrnehmung, die die Betroffenen im vollen Sinn als real empfinden, aber die ohne äußere Stimulation erfolgt. Eine Einbildung ist ein fester, falscher Glaube, der aus einer falschen Schlussfolgeurng über die äußere Realität stammt. Desorganisierte Gedanken laufen ab, wenn ein Mensch unfähig ist, seinen Gedankenprozess mit einer überzeugenden Bedeutung zu füllen.
Schizophrenie und Denkstörungen
Denkstörungen werden traditionell mit Schizophrenie assoziiert. Das Denken und Sprechen von schizophrenen Patienten erscheint konfus und desorganisiert und enthält eigentümliche Phrasen.
Schizophrenie, eine Form der Denkstörung, ist eine chronische Hirnstörung, verursacht von Veränderungen in den Hirnfunktionen, die die Nerven entwickeln. Die Auswirkungen betreffen viele Aspekte des Lebens.
Viele Menschen mit Schizophrenie und Denkstörungen kämpfen zudem mit Stimmungs- und Angsstörungen, dazu gehört Depression und Ängstlichkeit.
Das Denken schizophrener Kinder ist ebenfalls stärker beeinträchtigt als das normaler Kinder. Besonders unlogisches Denken und lose Assoziationen sind typisch für junge Schizophrene.
Schizophrenie ist eine psychiatrische Krankheit, in der Denkstörungen eine wesentliche Bedeutung haben. Die “Formale Denkstörung” beeinträchtigt die Form der Sprache des Patienten, und Sprachabweichungen bei Schizophrenen gelten als Nebenwirkung des Zusammenbruchs der psychischen Strukturen und assoziativen Prozesse, die mit einer Psychose einhergehen. Heute gehen wir davon aus, dass die Sprache bei Schizophrenie per se in Mitleidenschaft gezogen ist, besonders in ihren semantischen, diskursiven und pragmatischen Aspekten.
Manche Autoren sehen heute Schizophrenie vor allem als eine Krankheit, die speziell die Sprache beeinträchtigt, und die neuroanatomischen und genetischen Korrelationen dieser Sprachschwäche werden heute untersucht. Solche Bemühungen führen vielleicht zu einem besseren Verständnis der Pathophysiologie dieser verheerenden psychischen Krankheit.
Denkstörungen der Narzisstischen Persönlichkeit
Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen zeigen gestörtes Denken, wenn sie dazwischen schwanken, sich selbst überzuidealisieren und zu entwerten. Dazu haben sie die Tendenz, ihre Fähigkeiten ebenso zu überschätzen wie ihre eigene Bedeutung.
Solche Menschen haben Fantasien darüber, unbegrenzte Macht zu erlangen, ebenso wie Erfolg oder besondere Gaben. Diese Überidealisierung der eigenen Persönlichkeit kann dazu führen, dass sie sich arrogant, rücksichtslos und überanspruchsvoll verhalten. Dadruch geraten sie immer wieder in Konflikt mit anderen.
Zum Beispiel ignoriert ein Mensch mit dieser psychischen Struktur die soziale Regel, in einer Schlange zu warten, um ein Ticket zu bekommen, sondern drängelt sich stattdessen an die Spitze, weil er denkt, dass seine Bedürfnisse wichtiger als die der anderern Menschen sind, und er deshalb einen Anspruch auf besondere Behandlung hat.
Natürlich dulden die Menschen, die höflich in der Schlange stehen, dieses Verhalten nicht, und der Konflikt bricht aus. Probleme entstehen auch, wenn der Mensch mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung in eine Situation kommt, in der er seine menschlichen Grenzen realisiert. Wenn dies passiert, fällt es den Betroffenen sehr schwer, eine solche Situation zu händeln.
Jedes Eingeständnis, zu versagen fällt ihnen schwer. Plötzlich ihre normalen menschlichen Grenzen zu erkennen führt typischerweise dazu, dass sie sich komplett selbst in Frage stellen – von einer überidealisierten Fantasie von grenzenlosem Erfolg und besonderen Fähigkeiten fallen sie in einem lähmenden Sinn in vollkommene Scham und Niedergeschlagenheit.
Kognitives Restrukturieren
Kognitives Restrukturieren bedeutet, der Denkmuster von jemand bewusst zu werden, sie auszuwerten und, wenn nötig, zu ändern. Wir erleben Stress, wenn wir etwas als stressvoll wahrnehmen. Zum Beispiel, kann ein Tag mit schlechter Frisur einen Teenager großem Stress aussetzen, während es einen anderen nicht stört.
Die meisten Menschen haben gestörte Denkmuster, die dem Grad von Stress entsprechen, den sie empfinden. Jugendliche sind besonders empfänglich für solche Störungen. Unsere kognitiven Irrtümer zu erkennen, hilft dabei, sie aktiv zu ändern, und damit auch unsere Stimmungen und unser Verhalten.
Verbreitete Denkstörungen
Eine Denkstörung im klinischen Sinn bezeichnet Irritationen, zu denen alle Menschen mehr oder weniger neigen. Hier einige typische Muster:
Alles oder Nichts denken
Die Gedanken polarisieren sich in ein entweder oder, alles oder nichts. Alles, was nicht perfekt erscheint, gilt als Versagen. Einige Beispiele dieses Typs sind: “Ich mache niemals etwas richtig,” oder “wenn ich nicht brillant bin, muss ich dumm sein”, oder “eine Frau kann keine Karriere machen und einen Haushalt führen”, oder “wenn er mich nicht liebt, hasst er mich.”
Solche Denkmuster lassen keine Raum für die Schattierungen des Grau, aus deren Schichten die Wirklichkeit besteht und erlauben keine Kompromisse, oder ein Durchdenken verschiedener Alternativen. Zum Beispiel enthält der Schluss “wenn ich richtig liege, musst du falsch liegen” nicht die Möglichkeit, dass beide falsch oder beide richtig liegen könnten, oder, wie meist bei komplexen Problemen, verschiedene Positionen einen wahren Kern enthalten.
Diese Art zu denken, ist vor allem für die psychische Störung Borderline-Syndrom kennzeichnend, da die Betroffenen es nicht schaffen, widersprüchliche Erfahrungen des Alltags in ihrer Widersprüchlichkeit zu integrieren und zwanghaft versuchen, in Schwarz-Weiß-Muster “sauber” aufzuteilen.
Ein Alles-oder-Nichts Denken in Beziehungen führt dazu, wahlweise sich selbst oder aber den Partner abwechselnd zu idealisieren oder zu verteufeln.
Wenn ich nicht aussehe wie Adonis bin ich ein Fettsack, wenn ich den zweiten Platz mache, habe ich verloren, wenn Wasser nicht heiß ist, ist es kalt.
Wer so denkt, setzt sich dem Zwang aus, dass nur ein Weg richtig sein kann und scheitert damit notwendig. Die Folge: Die Betrofffen geißen sich zusätzlich, dafür, “alles falsch” gemacht zu haben, ohne die Gesamtsituation zu durchdenken.
Sie setzen sich permanent Druck aus: “Wenn ich diese Prüfung nicht bestehe, ist mein Leben nichts mehr wert,” “das ist meine letzte Chance”, “wenn ich diesen Job nicht bekomme, kriege ich niemals einen”, oder “es geht um Leben und Tod” – insbesondere in Situationen, in denen es genau darum nicht geht.
Das Vertrackte an diesem Denken ist, dass sich die “Prophezeiungen” selbst erfüllen. Die in ihrem Alles oder Nichts Denken Gefangenen sind von großer Angst getrieben, und diese Angst treibt sie dazu, extreme Situationen herbei zu führen, ohne dass sie sich bewusst sind, dass sie diese Situationen ansteuern.
Je mehr Angst ich davor habe, zu verlieren, umso sicherer kann ich sein, dass genau das passiert. Den Schwarz-Weiß-Denkern dient das dann als Bestätigung dafür, “Recht” gehabt zu haben, obwohl dieses “Verlieren” eine Folge der Angst ist: Wenn mich die Angst lähmt, zur Flucht drängt oder umgekehrt in die Aggression treibt, mache ich damit Beziehungen kaputt, vermassele mit ziemlicher Sicherheit Prüfungen, sprich, ich bin zu einem differenzierten Verhalten, das der Situation angemessen wäre, nicht mehr in der Lage.
Entwicklungspsychologisch bleiben solche Menschen dem Denken von Kleinkindern verhaftet, die diese Polarität brauchen, um sich in der noch eingeschränkten Umwelt zu orientieren und unmittelbar zwischen gut (Mutter, Vater) und böse (Fremder, Monster im Schrank) zu unterscheiden.
Da die Wirklichkeit niemals nur alles oder nichts bietet, sondern einen zähen Lern- und Anpassungsprozess erfordert, in dem Erfolge sich nur schrittweise einstellen, und wer alles will, auf dem harten Boden der Realität aufschlägt, führt diese Denkstörung voraussichtlich in die Katastrophe – in Beziehungen ebenso wie am Arbeitsplatz.
Pathologisch wird dieses Denken, wenn die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, es zu steuern. Für alle, die nur in einem gewissen Maß zu diesen Schwarz-Weiß-Konstruktionen neigen, gibt es Tricks, dieses Verhalten in den Griff zu bekommen.
1.) Fragen Sie sich selbst, auch wenn es erst einmal schwer fällt: Stimmt das überhaupt, was ich denke.
2.) Fragen Sie andere und springen Sie über ihren Schatten, indem sie offen über ihre Wahrnehmung reden. Haben Sie Menschen, denen Sie vertrauen? Dann sagen Sie ihnen: “Ich fühle mich so klein, und ich denke, dass mich niemand mag. Sag ehrlich, stimmt das?”
3.) Reden Sie mit sich selbst in der ersten Person. Nicht: “Ich bin zum Scheitern verurteilt”, sondern “ich denke, dass ich zum Scheitern verurteilt bin”.
4.) Kommen Sie aus ihrem Schneckenhaus. So merkwürdig es sich anhört für ein polarisiertes Denken, das die Betroffenen in Angst versetzt: Schwarz-Weiß-Denken ist viel bequemer, als Kompromisse einzugehen, Lösungen zu finden, die nur zu 70 % den eigenen Vorstellungen entsprechen oder nach einer vergeigten Prüfung den zähen Weg des trockenen Lernens zu wählen.
5.) Verabschieden Sie sich von dem Wahn, Entwicklungen vorhersagen zu können. Vieles im Leben passiert zufällig, ob etwas sich für uns positiv oder negativ entwickelt, wissen wir in aller Regel nicht.
6.) Sagen Sie sich immer wieder: Sie sind nicht ihr Verhalten. Ein Idiot zu sein ist ein selbst auferlegtes Stigma, sich iditotisch zu verhalten, lässt sich jedoch ändern.
Springen in Schlussfolgerungen
Die Betroffenen überprüfen Schlussfolgerungen nicht, sondern “verlassen sich” auf Erfahrungen, Intuition und unbewusste Muster. Zum Beispiel spulen sie ein vermeintliches Gedankenlesen ab nach dem Motto “sie macht das mit Absicht” oder setzen eigene Ängste, Vermutungen und Stimmungen mit der Perspektive anderer gleich: “Meine Lehrer mögen mich nicht.”
Das geht bei pathologischen Verzerrungen so weit, dass selbst Objekte mit Eigenschaften versehen werden, auf die die Betroffenen eigene Ängste richten: “Die Stadt ist gegen mich.”
Geht dieses Denken ohne den Filter der Reflexion mit handfesten Basiserkrankungen einher, zum Beispiel Angststörungen, dann richten sich die Betroffenen irgendwann in einer Wahnwelt ein, und die mangelnde Fähigkeit, eigene Wahrnehmungen zu prüfen, überschreitet die Grenze zur offenen Psychose.
Das kann eine Frau sein, die panische Angst vor Vergewaltigung hat und fest überzeugt ist, dass zwei Gestalten, die sie morgens beim Joggen im Park sieht, sie vergewaltigen wollen. Das kann aber auch bedeuten, die eigene Sehnsucht nach nicht entfremdeten Beziehungen dahin gehend verlagern, ständig vermeintliche Gemeinsamkeiten zu anderen Menschen zu entdecken und dann jedes Mal tief enttäuscht zu sein, wenn sich diese ganz anders verhalten, weil es diese Gemeinsamkeiten in Wirklichkeit nie gab.
Ein solcher Mangel, eigene Wahrnehmungen kritisch zu überprüfen, geht auch nahtlos über in Verschwörungsfantasien, die die Betroffenen gerade nicht als Fantasien erkennen.
Übergeneralisieren
Diese Denkstörung erscheint in harmloser Form als Falle des schnellen Denkens in den Mustern der Intuition. Intuitiv zu denken ist nicht nur unvermeidbar, sondern in vielen Alltagssituationen auch höchst sinnvoll: Eine halbwegs vertraute Infratstruktur aus Supermärkten, Kiosken, Wohngebieten etc. nehmen wir mit unseren eingespeicherten Mustern wahr, ohne analytisch zu prüfen, ob wir richtig liegen.
Zum Beispiel sagt uns unsere durch Erfahrung erworbene Intuition sofort, ob wir es mit einer Gruppe feiernder Studenten oder einem gewalttätigen Mob von Neonazis zu tun haben; unsere Intuition sagt uns, ob in einem Stadtteil ein Imbiss nachts offen haben könnte oder nicht.
Viele Menschen bewegen sich zum größten Teil in diesen intuitiven Mustern und generalisieren über: Weil sie mit einem Mitbürger mit türkischem Hintergrund schlechte Erfahrungen machten übertragen sie diese auf alle Menschen, die sie für Türken halten.
Dabei sind solche “Erfahrungswerte” höchst zweifelhaft: Ein nettes Gespräch mit einer blonden Frau, die Diana heißt, bedeutet real keineswegs, dass blonde Frauen, die Diana heißen, freundlich zu uns sind.
Wer übergeneralisiert, denkt zum Beispiel, dass etwas immer geschieht, weil es einmal passierte. Das kann zu bösen Überraschungen führen, wenn zum Beispiel ein Schüler die Schule wechselt und in der ersten Mathearbeit eine Eins schreibt und denkt, das wäre jetzt immer so. Oder umgekehrt: Wenn ich eine Prüfung vermassele und jetzt davon ausgehe, das wäre für alle Zeiten mein Schicksal und so versäume, die Karten meines Lebens neu zu mischen.
Schlüsselwörter sind “immer, alle und niemals.” “Ich werde niemals glücklich sein”, “keiner mag mich”, “alle schieben mir die Schuld in die Schuhe”.
Wer zu solchen Verallgemeinerungen neigt, kann sein eigenes Verhalten durch kritische Prüfung ändern. Fragen Sie sich zwischendurch immer wieder: Stimmt das?
Negative Filter
Wer die Welt ständig durch den Filter seiner negativen Sicht wahrnimmt, der blendet alle positiven Aspekte, die seine Sicht in Frage stellen aus – und umgekehrt.
Wenn ihn zehn Leute auf einer Party anlächeln, wird er sich auf den einen konzentrieren, der ihn ignoriert.
Bekommt die Betroffene Komplimente für ihre neue Frisur, glaubt sie: “Das sagen dir nur, um mich nicht zu verunsichern.”
Machen solche Menschen eine positive Erfahrung “spüren sie”, dass der Sturm noch kommt.
Haben die Betroffenen Erfolg, dann spielt der negative Filter ihn sofort herunter: “Du hattest Glück”, “denk bloß nicht, du wärst etwas besonderes”, “es gibt tausend andere, die erfolgreicher sind…”
Besonders in intellektuellen Kreisen verwechseln die Betroffenen diese negativen Filter oft mit kritischem Denken. Der Unterschied liegt aber darin, dass kritisches Denken bedeutet, Realitäten zu prüfen.
Das lässt sich zwar nicht immer auf Alltagssituationen übetragen, in denen unsere Wahrnehmung per se subjektiv ist, doch können wir unsere grundlegenden Annahmen sehr wohl überprüfen.
Aburteilen
Diese Variante des Alles-oder-Nichts betrifft entweder die eigene Person oder andere Menschen. Statt ein Verhalten zu kritisieren, wird der gesamte Mensch in Frage gestellt: “Er ist ein schlechter Mensch” statt “Er hat mich eben angelogen, und ich kann dieses Verhalten nicht akzeptieren” oder “ich bin dumm” statt “ich habe nicht für die Prüfung gelernt und jetz bin ich durchgefallen”.
Dramatisieren
Zu übertreiben gibt dem grauen Alltag Farbtupfer, doch die Katastrophe herauf zu beschwören, macht einen erfüllten Alltag schwer möglich. Wenn jemand etwas Gutes tut, ist es keiner Erwähnung wert, wenn jemand sich schlecht verhält, ist das ein Zeichen für eine allgemeine Katastrophe.
Die Betroffenen geben einzelnen Äußerungen, Situationen und Verhaltensformen einen Stellenwert, den diese weder haben noch haben können.
Emotionen mit Ursachen verwechseln
Betroffenen glauben, etwas ist wahr, weil es sich für sie wahr anfühlt. Unser intutitives Denken trickst uns hier ungewollt aus. Zum Beispiel fühlt jemand, dass seine Bruchbude, die über dem Mietspiegel liegt, sehr günstig sei, weil er den Aufwand scheut, umzuziehen.
Das “du sollst” denken
Therapeuten berichten, dass Patienten, die von ihren Problemen berichten, zum Großteil beschäftigt, dass sie Dinge nicht tun, die sie “tun sollten”, oder, noch unpersönlicher, die “man machen muss”.
Mit einem Lächeln lassen sich diese Zwangsvorstellungen als “Mussturbation” bezeichnen. Die Betroffenen reden also nicht zuerst über ihre (!) wirklichen Probleme, sondern über abstrakte Normen, die sie vermeintlich nicht erfüllen.
Wer sich aber darin verrennt, Dinge erfüllen zu wollen, weil “man das so macht”, oder “weil man das soll”, der entfremdet sich erstens von seinen wirklichen Bedürfnissen und rennt zweitens einem Normkorsett hinterher, in das er erstens nicht hinein passt und, hier stimmt das Wort, auch gar nicht hinein passen muss.
Menschen, die an “Mussturbation” leiden, bewegen sich oft im Formenkreis der Zwangsstörungen.
Personalisierung
Personalisierung ist eine urmenschliche Eigenschaft: Unsere Vorfahren stellten sich den Donner als kräftigen Mann vor, der einen Hammer schleudert, und Kinder vermenschlichen Bäume, Tiere oder Steine.
Alle Menschen können sich Abstraktes am besten vorstellen, wenn sie dem Gesichtslosen ein Gesicht geben.
Menschen, die unter Schuldkomplexen leiden, quälen sich mit Geschehnissen, für die sie nichts können: “Wenn ich ihr gesagt hätte, hör mit dem Rauchen auf, hätte sie keinen Lungenkrebs bekommen”, “wenn ich einen anderen Weg genommen hätte, wären wir nicht in den Hagel geraten und meine Tochter wäre pünktlich zur Arbeit gekommen…”
Wahnvorstellungen
Wahnvorstellungen sind typisch für Psychosen, unter den klar definierten Störungen gehören sie zur Schizophrenie, zur bipolare Störung, zu Manie und zum Borderline-Syndrom.
Wer unter Wahnvorstellungen leidet, ist absolut überzeugt, von Dingen, die nicht wahr sein können. Er hat die Vorstellung, dass andere Menschen sich gegen ihn verschwören (Verschwörungswahn), eine berühmte Persönlichkeit zu sein; er erkennt “geheime Botschaften” im Internet, Fernsehen oder Radio; er entwickelt kuriose religiöse Ansichten. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Monks - Ärzte im Netz GmbH: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org (Abruf: 22.08.2019), Denkstörungen
- Friedel M. Reischies: Psychopathologie, Springer, 2007
- Tilo Kircher et al.: "Neuronale Korrelate" negativer" formaler Denkstörungen", in: Der Nervenarzt, Volume 74 Issue 9, 2003, Springer Link
- Theo R. Payk: Psychopathologie: Vom Symptom zur Diagnose, Springer, 2015
- Eberhard Bay: Die Praxis der Erkennung und Beurteilung von Hirnverletzungen, 2013
- Werner Kissling: "Was sind schizophrene Denkstörungen?", in: Kompendium der Schizophreniebehandlung, 1992, Springer Link
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.