Die Frage, die wohl viele beschäftigt ist, leide ich an einer ernstzunehmenden Gedächtnisschwäche, wenn ich im Alltag hin und wieder etwas vergesse? Oder ist es nicht ganz normal zu vergessen? Ab wann kann man von einer krankhaften Störung des Erinnerungsvermögens sprechen. Die Gründe für eine Störung des Erinnerungsvermögens sind vielfältig und komplex. Zunächst stellt sich jedoch die Frage was ein Gedächtnis ist. Was wird im Allgemeinen darunter verstanden und wie definieren es die Fachleute?
Inhaltsverzeichnis
Gedächtnis
Hierunter versteht man die Fähigkeit diverse Informationen wie Bilder, Wörter, Begebenheiten, Geschichten … zu behalten, zu ordnen und diese bei Bedarf wieder abrufen zu können. Auch primitive Lebensformen verfügen über ein Gedächtnis, die Gedächtnisleistung nimmt jedoch mit der Entwicklung der jeweiligen Lebewesen zu und gewinnt an Komplexität.
Wie funktioniert das menschliche Gedächtnis?
Lange Zeit ging man von sogenannten Gedächtnisschubladen aus, das heißt die jeweiligen Informationen werden an einem bestimmten Ort im Gehirn abgelegt oder aber auch eingraviert. Diese Vorstellung hat sich in der Hirnforschung als nicht haltbar erwiesen, so dass man heute davon ausgeht dass Informationen nicht nur an einem einzigen Ort abgelegt werden, sondern an mehreren und dass die Erinnerung über das komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher Hirnregionen und Zellen funktioniert.
Wie sehr wir auf ein funktionierendes Gedächtnisses angewiesen sind, merken wir immer erst, wenn es fehlt oder beeinträchtigt ist. „Wann hatte ich ein gutes Gedächtnis, wann ein schlechtes, wann war es durchlöchert?“ Mit diesen Fragen wird auch der Laie feststellen, dass ein funktionierendes Gedächtnis auch immer von der jeweiligen Situation abhängt. Bei Stress kann die Gedächtnisleistung gehemmt oder blockiert sein, nach einem anstrengenden Arbeitstag fällt einem der entfallene Name auch nach intensiver Suche nicht mehr ein. Nach einem erholsamen Schlaf ist er plötzlich wieder da, obwohl oder gerade weil wir nicht mehr nach ihm suchen. Derlei Phänomene lassen sich im Alltag gehäuft feststellen, sie werden auch die sieben Sünden des Gedächtnisses genannt:
- Flüchtigkeit,
- Unaufmerksamkeit,
- Blockierung: Zungenphänomen, mnestisches Blockadesyndrom; Der Name des Schauspielers, der einem partout nicht einfallen will,
- eine falschen bzw. eine Fehlzuordnung: Verwechseln von Zeit, Ort oder Person,
- Beeinflussbarkeit,
- die Abhängigkeit des Gedächtnisses von Kenntnissen und (Glaubens) Ansichten,
- die Unfähigkeit zu vergessen.
Diese Charakterisierungen der beschriebenen Alltagsphänomene verdeutlichen, dass Erinnerungen nicht einfach nur abgespeichert werden, wie es bei einem Computer der Fall wäre. Vielmehr sind wesentliche Funktionen des Gedächtnisses beim Menschen mit Emotionen verknüpft. Erinnerungen können in vielen Fällen nicht so abgerufen werden wie sie eingespeichert wurden, sowohl Emotionen, als auch zusätzlich gewonnenes Wissen verändert und verknüpft den Abrufort im Gehirn. Die Emotionalität und die Fähigkeit, Erinnerungen mit vorhandenem und neu hinzu gewonnenen Kenntnissen zu verknüpfen, macht die Komplexität der Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses aus. Dies unterscheidet das menschliche Gehirn sowohl vom tierischen Gehirn, als auch von der Funktionsweise eines Computers.
Unterschiedliche Gedächtnisarten
Das Ultrakurzzeitgedächtnis spielt im Alltag eine untergeordnete Rolle, da es sich im Bereich von Millisekunden abspielt. Das Kurzzeitgedächtnis arbeitet im Minutenbereich. Hier geht es im Wesentlichen um die kurzfristige und schnelle Merkfähigkeit, es wird auch als Arbeitsgedächtnis bezeichnet. Alles was über den Minutenbereich hinausgeht wird im Langzeitgedächtnis abgespeichert.
Man geht davon aus, dass das Gedächtnis hierarchisch in aufbauender Weise gegliedert ist: Das episodisch-autobiographische Gedächtnis setzt sich im Wesentlichen aus den gemachten Erinnerungen und Ereignissen zusammen. Diese sind nach Zeit und Ort gegliedert, so dass imaginäre Zeitreisen in die Vergangenheit möglich sind, Geschehnisse in der Vergangenheit können so reflektiert werden. Das episodisch-autobiographische Gedächtnis ist am anfälligsten gegen Störungen (Hirnschäden, psychische Traumata …).
Im Wissenssystem werden im wesentlichen Fakten abgespeichert, im prozeduralen Gedächtnis werden im Wesentlichen motorische Fähigkeiten abgespeichert. Sowohl das Priming als auch das prozedurale Gedächtnis funktioniert ohne bewusste Reflektion.
Störungen des Gedächtnisses
Sowohl die Art der Störung des Gedächtnisses als auch die Ursache für die jeweiligen Störungen sind sehr vielfältig und unterschiedlich. So können Gedächtnisschwäche und Erinnerungsstörungen durch Stress entstehen, sie können organische oder psychische Ursachen haben, altersbedingt, aufgrund von Alzheimer oder Parkinson auftreten oder durch den übermäßigen Konsum von Drogen und Alkohol ausgelöst werden.
Morbus Parkinson
Die Ursachen von Morbus Parkinson konnten bislang nicht abschließen geklärt werden, vermutet werden als Ursache: Erbanlage, Umwelt, Entzündungen, Vergiftungen, Medikamente Die Krankheit entsteht meist zwischen dem 50. Und 60. Lebensjahrzehnt.
Parkinson-Symptome: Die ersten Anzeichen zeigen sich in einer motorischen Eingeschränktheit: Muskelstarre, Muskelzittern und einer Bewegungsarmut. Hinzu kommt ein zunehmend erhöhtes Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und Defizite im prozeduralen Gedächtnis und somit eine Einschränkung der motorischen Fähigkeit. Der Verlust der motorischen Beweglichkeit tritt gerade im Anfangsstadium der Krankheit in Form von Stürzen auf, die Ursache hierfür sollte von einem Arzt abgeklärt werden.
Parkinson-Therapie: In der Schulmedizin wird bei Gedächtnisschwäche verstärkt auf die medikamentöse Behandlung mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen gesetzt. Im naturheilkundlichen Bereich wird auf eine Ernährungstherapie gesetzt, um der erschwerten Nahrungsaufnahme aufgrund der motorischen Störungen entgegen wirken zu können: Vollwertkost, ausreichende Ballaststoffzufuhr.
Tipps für Betroffene: Leichte Streichmassagen, Atemübungen können die verspannte Muskulatur und die verkrampfte Atmung lockern. Auch gymnastische Übungen sowohl allein als auch in physiotherapeutischer Begleitung wirken den Verkrampfungen und Verspannungen entgegen. Darüber hinaus können allgemein abhärtende Maßnahmen wie Trockenbürsten, Wechselduschen, Ganzwaschungen angewandt werden, hierbei ist es wichtig die Maßnahmen dezent steigernd zu dosieren. Morbus Parkinson Patienten wird empfohlen sich möglichst viel im Freien aufzuhalten.
Morbus Alzheimer
Von Morbus Alzheimer kann streng genommen erst dann gesprochen werden, wenn die Gedächtnisstörungen über die altersabhängige / bedingte Vergesslichkeit hinausgeht. Der Verlust der geistigen Fähigkeiten ist organisch bedingt, im engeren Sinne kann Morbus Alzheimer eigentlich erst nach dem Tode diagnostiziert werden.
Alzheimer-Symptome: Das Symptombild ist sehr komplex und äußert sich in Gedächtnisschwäche, Wahrnehmungs- und Denkstörungen so auch Wahnvorstellungen, einer Desorientiertheit, einer Persönlichkeitsveränderung und darüber hinaus in körperlichen Symptomen wie Inkontinenz und Immobilität. Die Symptome von Alzheimer treten zu Beginn in einer kaum merklichen Schwächung der Hirnleistung (Zerstreutheit, Reizbarkeit, Merkfähigkeitsstörungen) auf, im weiteren Verlauf nimmt die intellektuelle Leistungsfähigkeit stark ab.
Alzheimer-Therapie: Die schulmedizinische Therapie baut auf dem ABCDEF-Schema auf:
- Antidementiva: Medikament, dessen Wirkung umstritten ist; es wird von einer Verbesserung im Sozialverhalten und der Alltagsaktivität berichtet.
- Bewegung: Ergotherapie, Physiotherapie.
- Cerebrales Training mit Gedächtnis-, Wahrnehmungs-, Realitäts-Orientierungstraining (ROT).
- Diät: abwechslungsreich, Ballaststoff- und eiweißreich, fettarm, mehrfach ungesättigte Fettsäuren, ausreichend Flüssigkeit.
- Emotionale Zuwendung: Geduld, Verständnis für die Situation des Betroffenen, Fürsorge, körperliche Berührungen.
- Führung und Familienentlastung: Einführung eines strukturierten Tagesprogramms mit festen Bezugspersonen unter Einbindung von pflegerischen und ambulanten Diensten, je nach Schweregrad ist eine Einweisung in ein Pflegeheim zu überlegen.
Die Naturheilkundliche Behandlung muss nach einer gründlichen Anamnese durch den Heilpraktiker individuell festgelegt werden. Prophylaktisch gegen Alzheimer können Knoblauch, Artischocken und Zwiebeln eingesetzt werden. Die Einnahme von Knoblauch dient der Vorbeugung altersbedingter Gefäßerkrankungen, er wirkt lipidsenkend. Die Artischocke wird zur Senkung eines erhöhten Blutdruckes und begleitend zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt.
Die Einnahme von Zwiebeln wirkt der altersbedingten Gefäßveränderung entgegen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Ginkgo die Zirkulation des Blutes fördert und somit die Gehirnleistung verbessert. Er schützt so die Nerven vor einem vermehrtem Abbau. Die genannten Pflanzen sind auch als Fertigarzneien zu bekommen. Darüber hinaus gibt es neue Erkenntnisse in Bezug auf die Wirkung von Zitronenmelisse und Salbeiöl, beide sollen positive Auswirkungen auf die Denkleistung haben. Ein Einsatz bei Patienten mit Demenz wird zur Zeit in Studien getestet.
Tipps für Patienten und pflegende Angehörige: Pflegende Angehörige sollten sich aufgrund der erhöhten Anforderungen und Belastungen Hilfe und Unterstützung in Beratungsstellen suchen. Darüber hinaus können allgemein abhärtende Maßnahmen wie Trockenbürsten, Wechselduschen, Ganzwaschungen angewandt werden, hierbei ist es wichtig die Maßnahmen dezent steigernd zu dosieren. Diese Maßnahmen wirken einer erhöhten Infektanfälligkeit entgegen, darüberhinaus behalten die Betroffenen einen Bezug zum eigenen Körper.
Stress: Aufgrund von Stress kann es auch zu Einschränkungen des Gedächtnisses kommen. Stress ist individuell, was für den einen eine Belastung ist, muss es für den Anderen noch lange nicht sein. Ob wir die alltäglichen Anforderungen an uns als Stress empfinden ist subjektiv, individuell und tagesformabhängig. Es steht in einer engen Wechselwirkung mit der psychischen Gesamtverfassung. Mehrere Studien haben inzwischen gezeigt, dass Stress eine toxisch-zerstörende Wirkung auf die unterschiedlichen Bereiche im Hirn haben kann. Dies kann sich in momentanen Blockaden aber auch in einer Verringerung der allgemeinen Hirnleistung manifestieren. Aufgrund von Versagensängsten kann auch eine Blockade ausgelöst werden. Die Versagensangst löste einen derartigen Stress aus, dass der Mensch nicht mehr in der Lage ist sich Informationen z. B. in Vorbereitung einer Prüfung anzueignen. Daher kann er an den geforderten Prüfungen nicht mehr teilnehmen, und entgeht so dem Leistungsstress.
Amnesie: So kann es zu Amnesien sowohl aufgrund organischer Ursachen, als auch aufgrund von Stress (stark traumatisiernede Erlebnisse) kommen. Anhaltender, als negativ und belastend empfundener Stress kann zu Gedächtnisblockaden und Gedächtnisschwäche führen. Zuvor gespeicherte Informationen können nicht mehr abgerufen werden, oft sind die Informationen des autobiographischen Gedächtnissen von der Blockade betroffen. Es gibt Hinweise auf Ähnlichkeiten zwischen Amnesiezustände mit und ohne organische Ursache. Massive Stresszustände z. B. in Folge traumatischer Erlebnisse, verändern den Energiestoffhaushalt der Neuronen. Dies führt letztendlich zu Veränderungen in den Bestandteilen unseres Gehirnes, welche für das Erinnerungsvermögen wichtig ist. Dies stellt in vielen Fällen auch einen Schutzmechanismus dar, um nicht mit stark belastenden Situationen nicht konfrontiert werden zu müssen.
Tipps zum Stressabbau:
- Bewegung/Sport,
- Freunde treffen,
- Hobbys,
- Ruhephasen in den Alltag einbauen,
- Entspannungsübungen wie z.B. progressive Muskelrelaxation oder Yoga.
Wie kann der Alltag für Menschen mit eingeschränkter Gedächtnisleistung barrierefreier gestaltet werden?
- Gegenstände sollten stets an den gleichen Orten aufbewahrt und abgelegt werden, ein Wiederfinden wird durch entsprechende Aufschriften und Hinweisschilder erleichtert.
- Situationen, die einen überfordern, sollten vermieden werden. Hierzu müssen die betroffenen für sich selbst die Grenzen ziehen und bestimmen, in welchen Situationen sich noch wohl fühlen und in welchen nicht.
- Der Alltag sollte so strukturiert werden, dass Haushaltsarbeiten zu festgelegten Tageszeiten durchgeführt werden.
- Der Einsatz von Pinnwänden, Tage- und Notizbücher hilft Informationen schneller wiederfinden zu können.
- Taschenkalender helfen sich an Termine zu erinnern.
Gedächtnistraining
Methode der Orte (Loci): Diese Methode ist nach dem griechischen Philosophen Simonides benannt, sie gehört zu den ältesten Gedächtnistrainingstechniken. Geht es darum sich an verschiedene Bestandteile einer Liste zu erinnern, so kann man sich einen bekannten Ort (Küche) oder Weg Arbeitsweg) nehmen. Die zu erinnernden Elemente werden prägnanten Gegenständen/Gebäuden/Einrichtungen in dem jeweils ausgesuchten Ort zugeordnet. Die Bestandteile der Liste werden nun über die jeweiligen Gegenstände abgerufen.
Bilderketten: Oft ist es so, dass zusammenhängende Begriffe gemerkt werden müssen, das heißt sie bilden sinnvolle Gruppen. So wie z. B. auf einer Einkaufsliste Backzutaten oder die Zutaten für ein bestimmtes Gericht stehen. Um sich die einzelnen Gegenstände der Einkaufsliste merken zu können, kann man sich nun vorstellen man, wie man aus den Backzutaten einen Kuchen backt. So lassen sich Begriffe leichter merken. Anhand von ausgedachten Geschichten oder Rezepten ergeben sich Bilder zu den Begriffen, sie lassen sich somit leichter merken. Generell gilt, dass Rätsel lösen, Strategiespiele spielen, Für und Wider Diskussionen führen und dergleichen mehr das Gedächtnis verbessern und strukturieren. Hierbei ist es wichtig auch auf entsprechende Ruhephasen zu achten. (nd)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hans J. Markowitsch: Dem Gedächtnis auf der Spur - Vom Erinnern und Vergessen, Primus Verlag, 2002
- Elvira Bierbach, Michael Herzog: Handbuch Naturheilpraxis - Methoden und Therapiekonzepte, Urban & Fischer Verlag / Elsevier GmbH, 2005
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Idiopathisches Parkinson-Syndrom, S3-Leitline, AWMF-Register-Nummer: 030-010, (Abruf 11.09.2019), DGN
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): S3-Leitlinie "Demenzen", (Abruf 11.09.2019), AWMF
- Michael C. Levin: Gedächtnisverlust, MSD Manual, (Abruf 11.09.2019), MSD
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.