Haarausfall und Alopezie
Bis zu 100 Haare pro Tag zu verlieren gilt als ein normaler Vorgang, bei dem sich Kopfhaut und Haarfollikel von innen heraus erneuern und das Haar gleichmäßig nachwächst. Vermehrter oder andauernder Haarausfall (Effluvium; Defluvium) kann jedoch zur Kahlheit (Alopezie) führen. Ursächlich kommen u.a. hormonelle Veränderungen, Medikamente, Stoffwechselstörungen und Ernährungsmängel in Frage. Das beobachtete Befallmuster kann manchmal Hinweise auf die Ursache geben. Nicht zu unterschätzen sind die negativen sozialen und psychischen Auswirkungen, die Alopezie und Kahlheit nach sich ziehen können (reaktive Depression).
Inhaltsverzeichnis
Ursachen für diffusen Haarausfall
Diffuser Haarausfall (ohne bestimmtes Befallmuster) kann zahlreiche Gründe haben und begleiten z.B. Schilddrüsenfunktionsstörungen, Eisenmangel, Diabetes mellitus, Lebererkrankungen sowie chronische Infektionen. Auch während und nach einer Schwangerschaft ist ein vorübergehender Ausfall der Haare oft zu beobachten. Medikamentöse Behandlungen, die Alopezie verursachen, sind die Chemotherapie gegen Krebs, Medikamente zur Senkung der Blutfette oder die Einnahme von Ovulationshemmern zur Empfängnisverhütung („Pille“). Aggressive Shampoos und Haarfärbemittel, Stylingmittel und heiße Haartrockner stören den natürlichen Regenerationszyklus von Kopfhaut und Haar.
Weitere mögliche Auslöser für Haarausfall sind:
- Schwermetallvergiftungen (v.a. Quecksilber, Arsen, Thallium)
- Allergien
- ein Mineralstoff- und Vitaminmangel durch einseitige Ernährung bzw. eine verminderte Aufnahmefähigkeit von Nährstoffen (Malassimilationssyndrom)
- übermäßiger Konsum von Alkohol oder anderen Drogen
- eine schlechte Durchblutung der Kopfhaut
- körperlicher oder emotionaler Stress
Genetisch vorbestimmt: Haarausfall bei Männern
Den wohl häufigsten Haarausfall bei Männern, der im Schläfenbereich als „Geheimratsecken“ beginnt und – oft bereits in den Zwanzigern – über den Scheitel zur vollständigen Glatzenbildung führen kann, nennt man “Androgenetische Alopezie”. Weniger häufig kommt diese Form bei Frauen vor, wobei sich typischerweise die Haare den Scheitel entlang ausdünnen. In beiden Fällen handelt es sich um eine Form des Haarausfalls, die durch eine veranlagungsbedingte Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber den männlichen Sexualhormonen (Androgenen) ausgelöst wird.
Konkret geht es dabei um das Stoffwechselprodukt “Dihydrotestosteron” (DHT), welches aus dem körpereigenen, männlichen Geschlechtshormon Testosteron gebildet wird. Die verstärkte Wirkung des DHT führt zu einer Verkleinerung der Haarfollikel, wodurch die Wachstumsphase der Haare verkürzt wird und diese schneller ausfallen. Jedes nachwachsende Haar ist anschließend dünner und kleiner (Miniaturisierung), bis die Haarwurzel schließlich abstirbt. Ab wann die Haarfollikel empfindlich auf das DHT reagieren, kann je nach Region ganz unterschiedlich sein. Daher können schon mit 18 Geheimratsecken entstehen, während das Deckhaar am Oberkopf erst mit über 30 ausfällt.
Die Androgenetische Alopezie (Alopecia androgenetica, kurz: AGA) stellt folglich einen genetisch vorbestimmten Verlust der Haare dar. Durch welche Gene die AGA vererbt wird, ist derzeit noch unbekannt. Fest steht aber, dass es sich um mehrere handelt, wodurch sich nicht voraussagen lässt, wie der Haarausfall im Laufe des Lebens verlaufen wird. Dementsprechend kann dieser früher bzw. später auftreten und sowohl stärker als auch schwächer ausfallen als zum Beispiel beim ebenfalls betroffenen Vater.
Kahle Stellen im Stirn und Scheitelbereich
Kahle Stellen im Stirn und Scheitelbereich entstehen v.a. bei Frauen durch kontinuierlichen Zug bei exzessivem Bürsten und „Pferdeschwanz“-Frisuren. Solche mechanisch bedingte Kahlheit heißt deshalb “Zugalopezie” oder auch “mechanische Alopezie”. Diese kann z.B. auch durch enge Kopfbedeckungen wie Stirnbänder, Hüte oder Schutzhelme entstehen, ebenso wie durch längeres Liegen, bei dem der Kopf stets in der gleichen Position gehalten wird (z.B. bei Säuglingen oder Pflegebedürftigen).
Eher bei Kindern kommt außerdem das zwanghafte Haareausrupfen und -reißen (Trichotillomanie) mit unscharf begrenzten haarlosen Arealen auf dem Kopf vor. Hier finden sich neben kahlen Stellen Haarstümpfe unterschiedlicher Länge.
Kreisrunder Haarausfall
Eine besondere Form stellt der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) dar, der sich in fast kreisrunden Stellen mit stummelartigen Resthaaren zeigt. Dieses Phänomen findet sich häufig im Jugendalter und tritt familiär gehäuft auf. Oft gibt es Zusammenhänge mit Schilddrüsenerkrankungen, die Alopecia areata wird jedoch auch als Ausdruck einer larvierten Depression betrachtet.
Behandlungsmöglichkeiten bei ausfallenden Haaren
Wirksame Maßnahmen zur Vorbeugung einer androgenetischen Alopezie gibt es nicht. Denn diese ist nicht auf Stress, Ernährungsstörungen, Infektionen oder eine Vergiftung zurückzuführen, sondern erblich bedingt. Eine Änderung der Lebensweise und Ernährung können den Verlauf dementsprechend nicht beeinflussen. Die Auswahl der Pflegeprodukte, Häufigkeit des Haareschneidens sowie die Einnahme von z.B. Vitaminpräparaten, Kieselerde oder Hefetabletten sind also unbedeutend.
Wird der Haarausfall frühzeitig erkannt, kann er in vielen Fällen jedoch recht gut behandelt werden. Neue Medikamente (z.B. Minoxidil) können helfen, den Verlust der Haare zu stoppen. Bringt dies keinen Erfolg und/oder ist der Leidensdruck sehr hoch, können auch eine Perücke bzw. ein Toupet oder Haartransplantationen in Betracht gezogen werden.
Die mechanische Alopezie ist hingegen normalerweise durch sehr einfache Maßnahmen gut behandel- und heilbar. Frauen sollten vor allem auf locker sitzende Frisuren achte und so weit wie möglich auf Hitzebehandlungen mit Föhn und Glätteisen verzichten.
Bei der Behandlung einer Trichotillomanie kommen sowohl Medikamente (z.B. Antidepressiva) als auch psychotherapeutische Maßnahmen zum Einsatz. Als sehr wirkungsvoll hat sich die Verhaltenstherapie erwiesen, bei welcher die Betroffenen lernen, mithilfe von Ersatzhandlungen dem inneren “Zupf-Impuls” zu widerstehen. Wichtig ist gerade bei Kindern auch die Unterstützung und Akzeptanz durch die Eltern bzw. Bezugspersonen.
Natürliche Hausmittel gegen Haarausfall
Verschiedene Hausmittel gegen trockene Haare helfen, das Problem in den Griff zu bekommen. Kuren mit Haaröl sorgen z.B. schnell für Feuchtigkeit, zudem sollten trockene, brüchige Haare stets mit einem Shampoo ohne Silikone und aggressive Tenside gewaschen werden.
Eine Kur mit Bier hilft, die Haare zu kräftigen und kann dadurch Haarverlust vorbeugen. Verrühren Sie hierfür 80 Milliliter Bier, einen Esslöffel Olivenöl und ein Eigelb und tragen Sie die Packung gleichmäßig auf das gewaschene, noch leicht feuchte Haar auf. Nun massieren Sie die Mischung sanft bis in die Spitzen ein und lassen die Kur etwa 30 Minuten einwirken. Anschließend wird sie mit lauwarmem Wasser gründlich wieder ausgewaschen.
Ein bewährtes Hausmittel gegen Haarausfall ist eine Spülung mit lauwarmem Kaffee, denn das darin anhaltende Koffein regt die Durchblutung der Kopfhaut an und unterstützt das Wachstum der Haare. Der Kaffee wird nach dem Haarewaschen über den Kopf gegossen und nach einer kurzen Einwirkzeit sorgfältig wieder ausgespült.
Die richtige Ernährung bei Haarausfall
Damit die Haare gesund bleiben und nicht (weiter) ausfallen, ist es wichtig, generell auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung zu achten. Diese sollte täglich reichlich Obst und Gemüse, Vollkorn- und Milchprodukte, Hülsenfrüchte sowie Fisch und Fleisch in Maßen beinhalten, damit die Haare alle Nährstoffe erhalten, die sie benötigen.
Um den Körper mit ausreichend Eisen zu versorgen, sind vor allem mageres Fleisch, Getreide und Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen oder weiße Bohnen geeignet. Ebenso helfen Trockenfrüchte, Sesam und Kürbiskerne sowie grünes Gemüse, wie zum Beispiel Grünkohl oder Brokkoli, einem Eisenmangel entgegenzuwirken. Da Vitamin C die Eisenaufnahme unterstützt, sollten auch frisches Beerenobst, Zitrusfrüchte, Hagebutten und Paprika regelmäßig auf dem Speiseplan stehen.
Neben dem benötigen schöne, kräftige Haare ausreichend Vitamin A, B-Vitamine und Zink. Viel Vitamin A steckt unter anderem in Fleisch, Innereien, Fisch (Aal), Milchprodukten, Eiern und intensiv gelbem, orangefarbenem oder grünem Gemüse und Obst wie Karotten, Honigmelone, Spinat oder Grünkohl.
Die Vitamine der B-Gruppe wie Vitamin B3 (Niacin), Vitamin B5 (Pantothensäure), B6 (Pyridoxin) und B7 (Biotin) sind beispielsweise in Fisch, Geflügel, Sojabohnen, Eiern, Milchprodukten, Pilzen, Hülsenfrüchten, grünem Gemüse, Erbsen und Linsen, Nüssen oder Bananen enthalten. Zink findet sich reichlich zum Beispiel in Austern, Hülsenfrüchten, Eiern, Käse und Sonnenblumenkernen. (jvs, nr)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Wolff H, Fischer TW, Blume-Peytavi U: The diagnosis and treatment of hair and scalp diseases. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 377–86.DOI: 10.3238/arztebl.2016.0377, (Abruf 27.08.2019), aerzteblatt
- Wendy S. Levinbook: Alopezie, MSD Manual, (Abruf 27.08.2019), MSD
- Wendy S. Levinbook: Alopecia Areata, MSD Manual, (Abruf 27.08.2019), MSD
- Dorothea Terhorst-Molawi: Dermatologie Basics, Elsevier / Urban Fischer Verlag, 4. Auflage, 2015
- Wolfgang Raab: Haarerkrankungen in der dermatologischen Praxis, Springer Verlag, 2012
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.