Wenn die Finger knacken
Knackende Finger sind zu beobachten, wenn ein oder mehrere Fingergelenke passiv (d.h. durch Krafteinwirkung von außen) über das aktive Bewegungsausmaß, also das Bewegungsausmaß, welches durch die auf das Gelenk wirkende Muskulatur möglich ist, hinaus bewegt werden. Des weiteren ist das Knacken der Finger zu hören, wenn die Gelenkstellung erst nach längerer Zeit verändert wird. Das Fingergelenksknacken ruft keine Schmerzen hervor, wird sogar von den Betroffenen meist als angenehm oder erleichternd empfunden. Es kann sowohl bewusst als auch unbewusst erfolgen.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen für knackende Finger
Theorie I: Sind Gasblasen der Grund für Knackende Finger?
Die Fingergelenke haben, wie alle „echten“ Gelenke des menschlichen Körpers den gleichen Aufbau. Gelenkkopf und Gelenkpfanne werden von der Gelenkkapsel umschlossen. Der so entstehende Raum wird Gelenkhöhle genannt. Die beiden Gelenkpartner werden durch den Gelenkspalt von einander getrennt. Der Bandapparat und die umliegende Muskulatur stabilisieren das Gelenk.
Die Gelenkhöhle und der Spalt sind mit einer viskosen Flüssigkeit gefüllt, der Synovia. Sie erhöht die Gleitfähigkeit der Gelenkflächen und hilft Erschütterungen im Gelenk zu dämpfen. Darüber hinaus transportiert sie Nährstoffe in den Gelenkknorpel und enthält gelöste Gasmoleküle. Werden nun die Fingergelenke ruckartig über einen gewissen Punkt hinaus gedehnt, kommt es zur plötzlichen Änderung des im Gelenk vorherrschenden Drucks. Der nun entstandene Unterdruck führt zur Freisetzung von in der Synovia gelösten Gase. Dabei bildet sich eine Gasblase, deren zerplatzen als Knacken wahrgenommen wird. Es dauert dann einen Moment, bis die Gaskonzentration in der Gelenkflüssigkeit wieder ansteigt, so das ein Fingerknacken erneut möglich ist.
Verklebte Gleitschichten als Grund für knackende Finger
Einen weiteren Erklärungsansatz bietet das Fasziendistorsionsmodell (FDM), ein Modell des Notfallmediziners und Osteopathen Dr. Stephen Typaldos D.O. Das Wort wird gebildet aus den lateinischen Begriffen „fascia“ = Bündel und „distorsio“ = Verdrehung. Es beinhaltet ein Diagnosekonzept, welches eine besondere Aufmerksamkeit auf die Körpersprache des Patienten sowie dessen klinische Erscheinung und Anamnese richtet. Die Behandlung findet im Anschluss manuell statt.
Das Modell führt die „Knack-Geräusche“ auf Lage- und Spannungsveränderungen von Faszien in Gelenksnähe zurück. Der Begriff Faszie beschreibt in der Medizin einen Teil des Bindegewebes, der den menschlichen Körper als ein in sich verbundenes Spannungsnetzwerk durchdringt. Faszien spielen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr und bilden darüber hinaus die Grundlage für Heilungsprozesse des Gewebes. Des weiteren haben Faszien, ähnlich wie die Synovia, die Aufgabe, Kräfte aufzunehmen und zu dämpfen („shockabsorber“). Durch übermäßig starken Druck oder Zug, meist in Kombination mit einer Verwringung, kommt es zur Verformung und damit zum Verlust der Fähigkeit Erschütterungen zu reduzieren. Im weiteren Verlauf treten typischerweise Schmerzen auf.
Knackende Finger werden in diesem Modell auf eine Beeinträchtigung der Faszien zurückgeführt. Dabei wird das teilweise unbewusste Fingergelenksknacken als Eigentherapie betrachtet, wobei die Betroffenen immer wieder selbstständig die Faszien voneinander lösen, um die Beschwerden zu lindern. Häufig liegt dabei der eigentliche Ort der Störung nicht im Bereich der Finger, sondern zieht sich vielmehr bis zu ihnen hin. Wird nun die fixierte Region, die als Ursache ausgemacht wurde behandelt, sollte sich im Anschluss eine verbessertes Bewegungsverhalten zeigen. Auch das Bedürfnis zur Eigentherapie, also mit den Fingern zu knacken, sollte nicht mehr so ausgeprägt sein.
Ursache des Fingerknackens heute eindeutig geklärt
Anfang des Jahres 2015 hat ein internationales Forscherteam um Hauptautor Professor Greg Kawchuk von der Fakultät für Rehabilitationsmedizin an der University of Alberta (Kanada) in dem Fachmagazin „PLoS One“ eine Studie veröffentlicht, die das Phänomen des Fingerknackens mit Hilfe von MRT-Aufnahmen abschließend geklärt hat.
Wird ausreichend stark an dem Finger gezogen, weitete sich der Gelenkspalt und es entsteht sehr plötzlich ein gasgefüllter Hohlraum in der Synovialflüssigkeit (Gelenkflüssigkeit). „Es ist ein bisschen, als würde sich ein Vakuum bilden“, berichten Professor Kawchuk und Kollegen. Weil sich die Verbindungsflächen auf einmal trennen, sei nicht ausreichend Flüssigkeit verfügbar, um das zunehmende Volumen zu füllen und es entstehe ein Hohlraum. Diesem Ereignis konnten die Wissenschaftler anhand der MRT-Aufnahmen eindeutig die Entstehung des Knackens zuordnen, während die Rückbildung der Blase nach Loslassen des Finger geräuschlos verlief.
Symptome bei knackenden Fingern
Knackende Finger treten in den meisten Fällen an beiden Seiten der Hände auf, können aber auch einseitig gelagert sein. Die meisten Betroffenen berichten davon, dass das Knacken beim ersten Bewegen nach dem Verbleiben in einer Beuge- oder Ruheposition auftritt. In anderen Fällen wird es durch am Ziehen am Finger provoziert.
In der Regel sind die meisten Menschen eher durch das Geräusch beunruhigt und es treten keine zusätzlichen Symptome auf. Wenn bei knackenden Fingern Schmerzen auftreten oder im Anschluss starke Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen, sollte eine medizinische Untersuchung erfolgen.
Folgen von Fingerknacken
Da bislang keine evidenzbasierten Erkenntnisse über die Auswirkungen der entstehenden Kräfte bei Bildung des Hohlraum vorliegen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob das Fingerknacken unbedenklich ist. Die Wissenschaftler um Professor Greg Kawchuk vermuten, dass hier tatsächlich minimale Schäden am Knochen und im weiteren Verlauf Gelenkbeschwerden auftreten können. In jedem Fall erscheint es sinnvoll, einen Mediziner aufzusuchen, sobald zusätzliche Beschwerden wie beispielsweise Fingerschmerzen oder Funktionseinschränkungen auftreten.
Auch ist das sich wiederholende, forcierte „Überdehnen“ eines Gelenks eine Art Stress für den stützenden Kapsel-Bandapparat, dessen Schädigung mit einem Verlust der Stabilität des Gelenks einhergeht. Sollte dies der Fall sein, ändert sich die Verteilung der im Gelenk wirkenden Kräfte und dies kann zur unverhältnismäßigen Belastung eines oder sogar mehrerer Gelenke führen.
Differenzialdiagnose
Pathologische Bewegungsgeräusche:
„Knirschende Geräusche“: Treten häufig in Folge fortgeschrittener, degenerativer Veränderungen von Gelenken auf, beispielsweise „Schneeball-Knirschen“ als typisches Geräusch bei Überlastungsschäden an Sehnen.
„Reibende Geräusche“: Treten häufig in Folge degenerativer sowie entzündlicher Gelenksveränderung auf. Bieten ebenfalls Hinweise auf Überlastungsschäden.
„Schnappende Geräusche“: Besonders bei Gelenksinstabilität kommt es während des Bewegens zum Schnappen. Die wahrzunehmenden Geräusche können dabei von Sehnen verursacht werden, die über einen Knochenvorsprung hinweggleiten. (ps, fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Gregory N. Kawchuk et al.: Real-Time Visualization of Joint Cavitation, PLoS, (Abruf 04.09.2019), PLoS
- Raimond Igel: Das Fasziendistorsionsmodell (nach Typaldos): Die 6 Störungen und deren Behandlung, Karl F. Haug Verlag, MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, (Abruf 04.09.2019), thieme
- Adalbert I. Kapandji: Funktionelle Anatomie der Gelenke, Thieme Verlag, 6. Auflage, 2016
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.