Anzeichen und Therapie von Kreuzbeinschmerzen
Ob durch einen Hexenschuss oder eine bestehende Gelenkerkrankung – Schmerzen im Kreuzbein an der unteren Wirbelsäule sind in der Regel äußerst unangenehm. Das Schmerzsymptom kommt mittlerweile in fast allen Altersgruppen vor. Doch was steckt dahinter und wie lassen sich Kreuzbeinschmerzen erfolgreich beheben beziehungsweise verhindern?
Inhaltsverzeichnis
Definition
Als Kreuzbeinschmerz bezeichnet die Medizin Schmerzsymptome, die gezielt am Kreuzbein (Os sacrum) auftreten oder in diesen Bereich ausstrahlen. Der Wirbelknochen bildet zusammen mit dem Becken (Pelvis) den sogenannten Beckengürtel (Cingulum membri pelvinii), dessen Bewegungen das Kreuzbein maßgeblich mitgestaltet. Überhaupt ist der Wirbelsäulenknochen in vielerlei Hinsicht ein zentrales Funktionselement für Bewegungen im Bereich der Körpermitte. So bildet das Kreuzbein zum Beispiel das Verbindungsstück zwischen der Lendenwirbelsäule und dem Steißbein (Os coccygis) und unterstützt so die Vor- und Rückwärtsbeugung der Wirbelsäule.
An den Seiten ist das Kreuzbein zudem mit dem Darmbein (Os ilium) sowie dem Iliosakralgelenk (Articulation sacrooiliaca) verbunden. An diese Knochen- und Gelenkformation schließen sich die Hüft- und Oberschenkelknochen an, welche für jedwede Lauf-, Steh- und Sitzbewegung unabdingbar sind.
Die besondere Aufgabe des Kreuzbeins im Bewegungsapparat – wie auch das damit verbundene, vielseitige Schmerzpotential – wird umso deutlicher, wenn man sich die Nervenstränge ansieht, die aus diesem Knochenabschnitt austreten. Es handelt sich dabei um 5 sakrale Nervenpaare, die als S1 bis S5 bezeichnet werden und von denen jeder einzelne einen sogenannten Spinalnerv (Nerus spinalis) darstellt. Spinalnerven sind auch als Rückenmarksnerven bekannt, weil sie dem im Spinalkanal der Wirbelsäule gelegenen Rückenmark (Medulla spinalis) entspringen. Von dort aus setzen sich die Spinalnerven neben dem Brustbereich insbesondere in die Körperextremitäten, also Hals, Arme und Beine, fort.
Die Spinalnerven bilden einen essenziellen Bestandteil des peripheren Nervensystems, das sowohl Bewegungsimpulse an die Muskulatur der Extremitäten sendet, also auch für Empfindungs- und damit Schmerzreize in Armen und Beinen verantwortlich ist. Die Spinalnerven des Kreuzbeins formen zu diesem Zweck gemeinsam mit den Spinalnerven aus dem Lendenbereich ein besonderes Nervengeflecht, nämlich das Lenden-Kreuz-Geflecht (Plexus lumbosacralis). Nach ihrem Austritt aus dem Rückenmark verschmelzen in ihm die Kreuzbein- und Lendennerven zu neuen Nervensträngen, die sich in die unteren Extremitäten fortsetzen. Wichtige Nerven, die dabei aus den Nervensegmenten des Kreuzbeins entstehen, sind:
- Oberer Gesäßnerv (Nervus glutaeus superior) – zuständig für Bewegungsimpulse im Hüft- und Gesäßbereich.
- Unterer Gesäßnerv (Nervus glutaeus inferior) – zuständig für Bewegungsimpulse in der Hüft- und Oberschenkelregion.
- Anal-Steiß-Nerven (Nervi anococcygei) – wichtige Anteile eines weiteren Nervengeflechts, dem Steißbeingeflecht (Plexus coccygeus), welches unter anderem die Dammmuskulatur sowie Schließmuskelfunktion im Analbereich mitverantwortet.
- Schamnerv (Nervus pudendus) – für Empfindungen im Becken- und Genitalbereich sowie für dortige Bewegungsabläufe verantwortlich; steuert außerdem die Muskulatur im Bereich der Harnwege, wie etwa den Schließmuskel der Harnblase zur Vermeidung von Inkontinenz.
- Hinterer Oberschenkelhautnerv (Nervus cutaneus femoris posterior) – für Bewegungsimpulse an der Oberschenkelrückseite und in der Kniekehel zuständig.
- Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) – für Oberschenkelbewegungen verantwortlich, wobei sich der Ischiasnerv in zwei weitere wichtige Hauptäste aufspaltet:
- Wadenbeinnerv (Nervus fibularis) – für Streck- und Beugebewegungen im Bereich der Knie, des Sprunggelenks und der Zehen wichtig,
- Schienbeinnerv (Nervus tibialis) – ebenfalls für komplexe Bewegungen der Fuß- und Sprunggelenksmotorik verantwortlich.
Es ist unschwer zu erkennen, dass Schmerzreize im Bereich des Kreuzbeins ihren Ursprung in allen aufgezeigten Nervenbereichen haben können. Darüber hinaus kann Kreuzbeinschmerz auch durch Nervenbeschwerden verursacht werden, die direkt aus dem unteren Spinalkanal beziehungsweise der Lendenwirbelsäule stammen. Besonders häufig tritt dabei eines der folgenden drei Schmerzsyndrome in den Vordergrund:
- Lumbago: Besser bekannt als „Hexenschuss“, entstehen die Kreuzbeinschmerzen hier im Zuge eines von der Lendenwirbelsäule ausgehenden Rückenschmerzes. Da es sich meist um einen vielseitigen Schmerzkomplex handelt, der ggf. mit weiteren Begleitsymptomen im Lendenwirbelbereich einhergehen kann, spricht man hier auch vom lokalen Lumbal-Syndrom. Der Begriff „lumbal“ entstammt dabei dem Lateinischen Wort lumbus für „Lende“.
- Ischialgie: Die Schmerzen gehen vom Ischiasnerv aus, wobei abermals das Kreuzbein mitbeteiligt ist. Im Volksmund wird diese Variante von Kreuzbeinschmerz auch als Ischias oder Ischias-Syndrom bezeichnet.
- Lumboischialgie: Das Schmerzgeschehen im Bereich des Kreuzbeins resultiert aus einer Kombination von Lumbago und Ischialgie. Es sind also sowohl das Kreuzbein-, als auch Lenden- und Ischiasregion von den Schmerzen betroffen.
Ursachen für Kreuzbeinschmerzen
Der Bereich des unteren Rückens, in dem der Kreuzbeinschmerz lokalisiert ist, besteht aus zahlreichen gelenkigen Verbindungen zwischen den Wirbelknochen und Beckenknochen, welche wiederum durch Bänder und Muskeln gehalten werden. Damit wird in diesem Bereich eine erhöhte Stabilität erreicht, die notwendig ist, um den aufrechten Gang zu ermöglichen und den Körperschwerpunkt zu halten. Ebenso ist im Beckenbereich eine gewisse Flexibilität vonnöten, um ganz normale Tätigkeitswechsel zwischen dem aufrechten Gang, dem Sitzen, Stehen und Liegen gewährleisten zu können.
Und gerade diese beiden sehr konträr angelegten Anforderungen an den anatomischen Bereich um das Kreuzbein machen diesen Beckenknochen in unserer heutigen Zeit auch sehr anfällig für Störungen und Schäden. Der moderne Alltag ist dabei deshalb besonders hervorzuheben, weil er im Vergleich zu früheren Epochen der Menschheitsgeschichte deutlich mehr und bisweilen auch sehr unnatürliche Belastungsfaktoren für Wirbelsäule und Becken bereithält. Alles in allem lassen sich Funktionsstörungen und Schäden des Bewegungsapparates als Ursache für Kreuzbeinschmerzen dabei in drei Kategorien einteilen:
- Ursachen degenerativer Natur,
- Ursachen funktioneller Natur,
- Ursachen struktureller Natur.
Ungesunde Alltagsgewohnheiten als Hauptursache
Heutzutage sind degenerative Abnutzungserscheinungen die häufigste Ursache für Kreuzbeinschmerzen. Der begünstigende Faktor dabei ist die Veränderung unserer Lebensweise hin zu einem Alltag, der mehr und mehr sitzgebundene Tätigkeiten beinhaltet. Eine besondere Risikogruppe bilden hierbei Personen, die im Büro tätig sind. Von der Sekretärin bis zum Informatiker klagen Bürokräfte nahezu regelmäßig über Kreuzschmerzen – ausgelöst durch mangelnde Bewegung und monotone bzw. gekrümmte Sitzhaltung während der Arbeit. Entsprechende Bewegungsdefizite werden dann in der Freizeit leider oftmals nicht ausreichend durch sportliche Betätigung ausgeglichen. Im Gegenteil: Es setzt sich das sitzgebundene Verhalten nach der Arbeit häufig vor dem Fernseher, dem Computer oder der Spielkonsole fort.
Eine weitere Risikogruppe wird mit Blick auf Kreuzschmerzen durch rückenbelastende Tätigkeiten von Handwerkern, Lagerarbeitern, Bau- und Bergbauarbeitern gestellt. Hier ist es eine erhöhte Gewichtsbelastung, wie sie insbesondere durch das andauernde Heben und Tragen von Schwerstlasten entsteht. Und auch übergewichtige Personen weisen meist ein erhöhtes Risiko auf, sich Kreuzbeinschmerzen durch zu starke Gewichtsbelastung des Rückens und der Hüfte zuzuziehen. Bedenkt man, dass Übergewicht inzwischen eine wahre Volkskrankheit ist, die auf dem überwiegenden Verzehr von Fertigprodukten und Fastfood basiert, lässt sich diesbezüglich abermals die moderne Lebensweise als Urheber des Problems ausmachen.
Übrigens: Auch Kinder und Jugendliche klagen immer öfter über Kreuzschmerzen. Schuld daran ist zum einen das auch bei den jüngsten der Gesellschaft grassierende Übergewicht. Zum anderen ist aber auch der Schulalltag der Kinder immer leistungsfokussierter, was mit längeren Sitzzeiten in der Schule selbst, aber auch zu Hause beim Lernen oder Erledigen von Hausaufgaben verbunden ist. Zudem neigen gerade Jugendliche dazu, sich in ihrer Freizeit zu wenig zu bewegen und stattdessen lieber fernzusehen und Computer- oder Videospiele zu spielen.
Ganz gleich, welcher der genannten Ursachenmechanismen vorliegt, das Ergebnis ist immer dasselbe. Infolge der anhaltenden Fehlhaltung bzw. Fehlbelastung der unteren Wirbelsäule kommt es zu
- Muskelverspannungen,
- Muskelverkürzungen,
- lokalen Nervenreizungen
- und Entzündungen.
Auf Dauer ergeben sich aus den schädlichen Einflüssen schleichende Ab- und Umbauprozesse in den betroffenen Geweberegionen. Dieser Degenerationsprozess kann sowohl die Muskeln und Nerven, als auch Knochenstrukturen, Bänder und Bandscheiben betreffen. Dabei sei erwähnt, dass Schmerzen im Kreuzbein- und Lendenbereich diesbezüglich schon während der Gewebereizungen und damit vor Einsetzen der eigentlichen Degeneration auftreten. Häufig verschwinden sie in diesen frühen Phasen jedoch schnell wieder und werden deshalb nicht ernst genug genommen. Erst wenn degenerative Prozesse für immer länger anhaltende und auch intensivere Schmerzen sorgen, erkennen viele Betroffene den Kreuzbeinschmerz als Vorboten einer Verschleißerscheinung, die dem Kreuzbein schmerzhaft zusetzt.
Kreuzbeinschmerz durch Wirbelsäulenerkrankungen
Ab einem gewissen Alter ist ein gewisses Maß an Wirbelsäulenverschleiß ganz normal. Das Risiko von Verschleißerkrankungen nimmt deshalb ab 40 deutlich zu, wobei schädliches Alltagsverhalten und berufsbedingt schweres Heben das durchschnittliche Risikoalter aber auch deutlich herabsetzen kann. Das häufigste Krankheitsbild, das hier altersbedingt zu Schmerzen am Kreuzbein führt, ist der Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbel. Hier führen die Ab- und Umbauprozesse in den Wirbelkörpern und den dazwischen liegenden Bandscheiben dazu, dass die als Stoßdämpfer dienende Bandscheibe aus ihrer Position herausrutscht und dadurch das umliegende Gewebe reizt. Die Reizung betrifft insbesondere die auf Höhe der Lendenwirbelsäule aus dem Rückenmark austretenden Spinalnerven. Aus diesem Grund kann es im Zuge des Bandscheibenvorfalls auch zu einer Ischialgie oder einem Lumbago kommen. Ein derartiges Szenario ist umso wahrscheinlicher, wenn die vorgefallene Bandscheibe eine Verengung des Rückenmarkskanals, die sog. Spinalkanalstenose, verursacht.
Ab- und Umbauprozesse in den Wirbelkörpern können ferner auch dazu führen, dass an Stellen besonders hoher Belastung zusätzliches Knochengewebe gebildet wird. Diese Knochenzubildungen bezeichnen Mediziner als Spondylose. Sie kann grundsätzlich an allen Wirbelkörpern auftreten, betrifft aber in vielen Fällen vorwiegend die Hals- und Lendenwirbelsäule, weshalb Hals- und Kreuzbeinschmerzen für dieses Krankheitsbild relativ typisch sind. Sofern die Spondylose darüber hinaus lokale Entzündungen verursacht, spricht man von Spondylitis.
Weitaus weniger häufig sind dagegen entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen wie Rheuma für den Kreuzschmerz verantwortlich. Im Gegensatz zu den degenerativen Erkrankungen ist die globale Verbreitung mit gut zwei Prozent relativ gering. Kommt es jedoch zu einer dieser Krankheiten, betrifft sie meist vorwiegend den Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich.
In der Regel lässt sich hierbei keine isolierte Ursache für die Entzündungen der Wirbelkörper, Wirbelgelenke und Bandscheiben ausmachen. Vielmehr gehen die Mediziner von einem multifaktoriellen Geschehen aus. Bei rheumatoider Polyarthritis oder Morbus Bechterew weisen Betroffene beispielsweise sehr oft mehrere der folgenden, krankheitsbegünstigenden Faktoren auf:
- Genetische Veranlagung,
- Veranlagung des Immunsystems zu überschießenden Immunantworten, wie sie für Allergiepatienten und Patienten mit Autoimmunerkrankung typisch ist,
- vorangegangene Infektion,
- vorübergehende körperliche und/oder seelische Überbelastung.
Infolge der entzündlichen Prozesse kommt es neben teils sehr starken und bewegungseinschränkenden Schmerzen auch zu Verknöcherungen im Bereich der Wirbelsäule, die eine zusätzliche Einschränkung der Beweglichkeit verursachen. Die medizinische Fachbezeichnung der Krankheit Morbus Bechterew, Spondylitis ankylosans, bedeutet in diesem Zusammenhang zum Beispiel nichts anderes als „versteifende Entzündung der Wirbel“. Sie gilt nach wie vor und trotz zunehmender medizinischer Forschung als unheilbar, da ihr genetische Faktoren zugrunde liegen, gegen die es derzeit noch keine geeignete Therapie gibt. Glücklicherweise lässt sich durch einige therapeutische Maßnahmen aber zumindest ein schwerer Verlauf hemmen und die Ausprägung von Begleitsymptomen wie dem krankheitstypischen Kreuzbeinschmerz lindern. Weitere, nur bedingt therapierbare Wirbelsäulenerkrankungen, die immer wieder mit Kreuzbeinschmerzen in Verbindung stehen, sind:
- Buckel(Kyphose,)
- Hohlkreuz(Lordose),
- Rundrücken(Hyperkyphose),
- Wirbelsäulenkrümmung(Skoliose).
Ein Sonderfall sind Wirbelsäulenverletzungen.
Besonders gefährlich sind Kreuzbeinschmerzen, wenn sie verletzungsbedingt entstehen. Hier kommen vor allem traumatische Krafteinwirkungen auf das Kreuzbein wie zum Beispiel beim Heben schwerer Lasten, bei Stürzen oder bei Unfällen als Ursachen in Betracht. Doch auch entzündliche und rheumatische Prozesse bergen im späteren Verlauf eine erhöhte Verletzungsgefahr. Einen besonderen Stellenwert nimmt diesbezüglich die Blockade des Iliosakralgelenks ein. Bei diesem auch als ISG-Blockade bezeichnetem Geschehen kommt es infolge von Fehlbelastungen im Bereich des Gelenks zwischen Kreuz- und Darmbein zu Verkantungen, die eine Unbeweglichkeit und starke Schmerzen am Kreuzbein verursachen können. Die Schmerzen werden für gewöhnlich stärker, wenn man sich vornüberbeugt oder sich in den Schneidersitz setzt. Oft ist am Morgen nach dem Aufstehen oder bei Lageveränderungen nach längerem Sitzen zudem ein Knacken im Gelenk zu spüren und zu hören.
Kreuzbeinschmerzen und Organerkrankungen
Das Kreuzbein beherbergt im Zusammenspiel mit den Beckenknochen auch einen Teil der inneren Organe und bietet ihnen damit Schutz und Halt. Aufgrund dieser anatomischen Nähe können Krankheiten und krankhafte Prozesse an inneren Organen durchaus ebenfalls zu Kreuzbeinschmerzen führen, ohne dass es direkt auch zu strukturellen Schäden am Kreuzbein gekommen ist. Zur Unterscheidung von Krankheiten des Bewegungsapparates fällt hierbei aber auf, dass die Schmerzen
- häufig kontinuierlich vorhanden sind,
- unabhängig von Bewegungen auftreten,
- sich in ihrer Intensität nicht durch Lageveränderung beeinflussen lassen,
- oftmals kolikartig bzw. schubartig verlaufen,
- Begleitsymptome wie Fieber, Bauchschmerzen oder ein Brennen beim Wasserlassen vorhanden sind.
Da entsprechende Organerkrankungen äußerst vielseitig sind, nachstehend eine kleine Übersicht zu denkbaren Krankheitsursachen:
Organ/Organsystem | Mögliche Krankheitsbilder |
Weibliche Geschlechtsorgane |
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Männliche Geschlechtsorgane |
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Harnwege und Nieren |
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Darm, Bauchspeicheldrüse und Gallenblase |
|
Aorta, große Beckenarterien und -venen |
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Psychische Beschwerden und Kreuzbeinschmerz
Bedenkt man, wie viele Nerven die Kreuzbeinregion durchlaufen, ist es nicht schwer, zu erahnen, dass auch seelische Probleme für den Schmerz verantwortlich sein können. Nicht ohne Grund existieren Sprichwörter, wie „das hat ihm das Rückgrat gebrochen“ oder „er hat schwer daran zu tragen“. In der Tat reagieren Nerven wie der Ischias öfter als gedacht auf seelische Belastung. Um diesen Zusammenhang verstehen zu können, muss man sich gedanklich aber ein stückweit vom schulmedizinischen Konzept der lokalen und physisch sichtbaren Ursachen entfernen.
Psychosoziale Faktoren wie Einsamkeit, Liebeskummer, Schulden, Arbeitslosigkeit, fehlendes soziales Netzwerk und Mobbing am Arbeitsplatz können den Körper und Geist nämlich in einen Dauerzustand massiver Anspannung versetzen, der sich auch auf den Rücken und die entlang der Wirbelsäule verlaufenden Nerven auswirkt. Neben ersten muskulären Verspannungen kommt es mit der Zeit zu Schonhaltungen und Nervenreizungen, die zunächst kaum merklich sind, ihrerseits jedoch weiterführende Verspannungen auslösen.
Wird dieser Teufelskreis nicht unterbrochen, entwickelt sich ein sogenannter chronischer Rückenschmerz, der letztlich sogar mit bildgebenden Verfahren nachweisbare Veränderungen im Skelettapparat verursachen kann. Chronische Schmerzen schränken dann wiederum die Lebensqualität weiter ein. Ganz alltägliche Dinge werden zunehmend zur Qual und der Schmerz rückt verstärkt in den Vordergrund. Ein normales Leben zu führen, wird immer weiter erschwert und Betroffene kommen an ihre körperlichen und emotionalen Grenzen. Wird darüber hinaus die ursächliche, psychische Belastung nicht behoben, verstärkt dies die Symptomatik zusätzlich.
Kreuzbeinschmerzen können also sowohl Ursache psychischer Krankheiten sein, als auch ein psychosomatisches Symptom von seelischer Belastung stellen. Einige denkbare psychische Auslöser bzw. Folgen des Kreuzbeinschmerzes sind dabei:
- seelische Traumata (z.B. durch Verlust- oder Missbrauchserfahrungen),
- psychische Störungen (z.B. Depressionen),
- Essstörungen (z.B. Bulimie oder Magersucht),
- Angst- und Panikstörungen (z.B. soziale Phobien),
- Suchterkrankungen (z.B. Drogen- oder Alkoholabhängigkeit).
Begleitsymptome
Anhaltende Schmerzen in der Kreuzbeinregion sollten von Betroffenen wie alle chronischen Rückenschmerzen immer als möglicher Warnhinweis auf Verletzungen oder ernste Erkrankungen der Wirbelsäule gewertet werden. Auch wenn in gut 50 Prozent aller Fälle eine leicht zu kurierende Ursache für die Schmerzen ausgemacht werden kann und die meisten Patienten nach etwa einer Woche wieder leistungs- und arbeitsfähig sind, ist die Zahl denkbarer funktioneller oder degenerativer Störungen im Wirbelsäulenbereich sehr groß. Gerade eine Nervenbeeinträchtigung wie die Ischialgie sollte in diesem Zusammenhang frühzeitig ärztlich diagnostiziert werden, da sich die Ausheilung an diesem größten Nerv des Körpers mitunter bis zu einem Jahr hinziehen kann. Der auftretende Schmerz ist bei all den vielfältigen Ursachen auch oft selbst von sehr unterschiedlicher Art und Ausprägung. Denkbar ist zum Beispiel ein Schmerz, der
- dumpf oder stark stechend und ziehend ist,
- sich lokal auf einen begrenzten Punkt konzentriert,
- bis in den Rücken, das Gesäß und/oder die Oberschenkel ausstrahlt,
- bei Bewegung schwächer oder stärker wird,
- starke Bewegungseinbußen verursacht,
- mit Überwärmung, Rötung oder Blutergüssen einhergeht,
- von Kribbeln, Taubheit oder Lähmung der Beine begleitet wird,
- gemeinsam mit Problemen beim Wasserlassen / Inkontinenz auftritt.
Diagnose
Auskunft über das Vorliegen von Kreuzbeinschmerzen gibt dem Arzt natürlich allen voran das Gespräch mit dem Patienten. Dieser sollte im Zuge des Gesprächs auch etwaige Begleitsymptome, Alltagsgewohnheiten, Grunderkrankungen sowie den eigenen seelischen Zustand ansprechen. Danach führen behandelnde Ärzte standardmäßig Bewegungs- und Schmerztests durch, die neben Lenden- und Beckenbereich auch den Rest der Wirbelsäule sowie die unteren Extremitäten umfassen können. Um dann die Ursache zu ergründen, sind von bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, CT oder MRT über Blut- und Urintests bis hin zu psychotherapeutischen Diagnosestellungen viele Untersuchungsmaßnahmen möglich. Der Arzt geht hier meist auf Verdacht vor oder handelt nach dem Prinzip der Ausschlussdiagnose.
Therapie
Kreuzbeinschmerzen gehören zu jenen Symptomen, die sich häufig gut durch Eigeninitiative auskurieren lassen. Voraussetzung ist natürlich, dass keine ernste Grunderkrankung oder Verletzung vorliegt. Hier müssen unter Umständen auch medikamentöse oder operative Maßnahmen zur Anwendung kommen.
Schonung und Bewegungstherapie
Der wichtigste Schritt zur Linderung von Kreuzbeinschmerzen ist es, das Kreuzbein im Alltag weniger zu strapazieren. Das bedeutet nicht, dass man sein Becken nicht mehr bewegen sollte. Vielmehr sind monotone und gekrümmte Sitzhaltungen zu vermeiden und die Beckenmuskulatur für mehr Stabilität durch Sport (z.B. durch Wassergymnastik) zu stärken. Insgesamt ist der Alltag so zu gestalten, dass möglichst wenig muskuläre, aber auch psychische Anspannung auf die Betroffenen einwirkt. Entspannungsmaßnahmen wie Yoga, Meditation oder eine befreiende Gesprächstherapie sind zu empfehlen.
Physiotherapeutische und orthopädische Maßnahmen
Auch physiotherapeutische Übungen helfen dabei, leichte Ursachen von Kreuzbeinschmerzen sowie die Schmerzen selbst zu kurieren. Zudem können Physiotherapeuten wertvolle Tipps zur Rückenhaltung und Rückenschonung im Alltag geben. Ein Besuch beim Orthopäden könnte von Nöten sein, wenn zur Haltungskorrektur ein medizinisches Korsett (Orthese) benötigt wird. Das ist zum Beispiel bei weit fortgeschrittenen degenerativen Erkrankungen und angeborenen Fehlstellungen der Wirbelsäule wichtig. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich außerdem der Besuch in einer Rückenschule.
Hausmittel und Heilkräuter
Es gibt einige Kräuter, die bei Kreuz- und Rückenschmerzen gute Hilfe bieten. Hierzu zählen insbesondere:
- Arnika,
- Chili,
- Holunder,
- Johanniskraut,
- Kamille,
- Königskerze,
- Lavendel,
- Majoran,
- Minze,
- Myrte,
- Nelke,
- Oregano,
- Rosmarin,
- Salbei,
- Sternanis,
- Teufelskralle,
- Wacholder.
Man kann die Kräuter zum Beispiel für einen wärmenden Heilumschlag verwenden, denn Wärme tut Rückenschmerzen im Allgemeinen sehr gut. Gerade Chili ist hier aufgrund ihrer wärmenden und schmerzlindernden Eigenschaften inzwischen sogar Bestandteil zahlreicher Rückensalben und Wärmepflaster gegen Rückenschmerzen (z.B. Finalgon, ABC oder Pferdebalsam). Des Weiteren lassen sich Kräuteröle aus entsprechenden Heilpflanzen für eine wohltuende Massage nutzen. Wir raten hier allerdings dazu, sich nur von geschultem Fachpersonal massieren zu lassen, da falsche Handgriffe bei Kreuzschmerzen die Symptomatik nur noch weiter verschlimmern. Dies gilt insbesondere, wenn eine Erkrankung der Wirbelsäule hinter dem Problem steckt. Hier kann die falsche Massagetechnik auch die Wirbelsäulenschäden vergrößern.
Medikamente und Operation
Wirbelsäulen- und Organerkrankungen bedürfen bei Kreuzbeinschmerz natürlich oftmals einer medikamentösen Behandlung. Welches Präparat hier geeignet ist, muss in Abhängigkeit von der Grunderkrankung von Fall zu Fall individuell entschieden werden. Ergänzend können entzündungshemmende Salben und Schmerzmittel verabreicht werden.
Sofern ein schwerer Bandscheibenvorfall, eine massive Verletzung oder eine degenerative Knochen- bzw. Gelenkerkrankung im fortgeschrittenem Stadium vorliegt, könnte eventuell auch eine Operation zur Lagekorrektur oder zum Einsatz von Implantaten notwendig werden, dies ist allerdings sehr selten der Fall. (ma)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Jan Hildebrandt, Michael Pfingsten: Rückenschmerz und Lendenwirbelsäule, Urban & Fischer Verlag, Elsevier GmbH, 2. Auflage, 2011
- S. Kroppenstedt, A. Halder: Spezifischer Kreuzschmerz, Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), (Abruf 15.08.2019), AWMF
- Nikolaus Wülker et al.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie, Thieme Verlag, 3. Auflage, 2015
- Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale Versorgungsleitlinie Nicht-spezifischer Kreuz-schmerz – Langfassung, 2. Auflage, Version 1, 2017, (Abruf 15.08.2019), AWMF
- Peter J. Moley: Kreuzschmerzen, MSD Manual, (Abruf 15.08.2019) , MSD
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.