Eingeklemmter Nerv – Was ist die Ursache und was hilft?
Ein eingeklemmter Nerv kann an unterschiedlichen Stellen des Körpers zu sehr schmerzhaften Beschwerden und funktionellen Störungen führen. Betroffene sind oftmals in ihrem Alltag massiv eingeschränkt, vor allem wenn es sich um einen chronischen Verlauf mit langanhaltenden Symptomen handelt. Ist die Ursache bekannt, können oft bereits einfache, konservative Behandlungsmaßnahmen helfen. Auch die Naturheilkunde und ganzheitliche Medizin bieten hier viele Therapiemöglichkeiten für leichte Nervenkompressionen. Nur in seltenen, schweren Fällen wird eine Operation notwendig.
Inhaltsverzeichnis
Kurzübersicht – Nerv eingeklemmt
Definition: Eingeklemmter Nerv
Umgangssprachlich bezeichnet ein eingeklemmter Nerv eine Nervenkompression oder Nerveneinengung, die zu verschiedenen Symptome und Krankheiten führen kann. Diese allgemeine Bezeichnung umfasst Beschwerden, die an den unterschiedlichsten Stellen im Körper auftreten beziehungsweise von den unterschiedlichsten Stellen im Nervensystem ausgehen können.
Besonders häufig werden periphere Nerven der Extremitäten an gewissen Engstellen eingeklemmt, wie zum Beispiel im Karpaltunnel des Handgelenks. Oft stehen auch Beschwerden an der Wirbelsäule mit einem eingeklemmten Nerv in Verbindung, weshalb beispielsweise weitverbreitete Assoziationen mit Nackenschmerzen, Rückenschmerzen, Hexenschuss und Ischiasschmerzen bestehen.
Häufige Lokalisationen eingeklemmter Nerven
In bestimmten Körperregionen kommt es häufiger als in anderen zu einer Nervenkompression. Dies sind Bereiche in denen verschiedene Nervenbahnen durch gewisse anatomische Engstellen verlaufen und dort eher eingeengt werden können als an anderen Körperstellen.
Im Spinalkanal der Wirbelsäule, kann es durch Degenerationen und Erkrankungen an der Wirbelsäule (zum Beispiel Bandscheibenvorfall oder Spinalkanalstenose) zu schmerzhaften Kompressionen der Spinalnerven oder des Rückenmarks kommen. Probleme, die sich über den unteren Rücken, das Gesäß und die Beine erstrecken, hängen oftmals mit einem eingeklemmten Ischiasnerv zusammen. Im oberen Bereich der Wirbelsäule ist ein bekanntes Leiden das sogenannte HWS-Syndrom (Halswirbelsäule). Schmerzen, die von hier ausgehen, können bis in Schulter und Arme ziehen oder auch Kopfschmerzen (Hinterkopf) auslösen.
Zudem kann auch der sogenannte Nervus cutaneus femoris lateralis, der in Höhe der Lendenwirbelsäule aus dem Rückenmark entspringt und zum Oberschenkel verläuft, unter dem Leistenband eingeengt werden. Dadurch ausgelöste Beschwerden werden als Bernhardt-Roth-Syndrom (Meralgia paraesthetica) oder Inguinaltunnel-Syndrom bezeichnet.
Im Bereich der Gliedmaßen stellen etwa die Ulnarisrinne (Ellenbogen) und der Karpaltunnel (Handwurzel/Handgelenk) enge Passagen dar, wodurch es zum Ulnarisrinnensyndrom (Kubitaltunnelsyndrom) oder Karpaltunnelsyndrom kommen kann. Auch der Tarsaltunnel (Knöchel Innenseite) ist solch eine anfällige Struktur (Tarsaltunnelsyndrom). Diese Beschwerden gehören neben weiteren zu den sogenannten Engpasssyndromen.
Symptome bei eingeklemmten Nerven
Die neurologischen Beschwerdebilder sind sehr vielfältig und in erster Linie davon abhängig, welcher Nerv in welchem Bereich wie schwer betroffen ist.
Allgemein führen Nervenkompressionen aber zu sogenannten Neuralgien (Nervenschmerzen) beziehungsweise zu neuropathischen Schmerzen.
Die Schmerzen entstehen in den betroffenen Nervenregionen, strahlen aber auch in andere Körperbereiche aus (Versorgungsbereich der betroffenen Nerven) oder treten als projizierte Schmerzen an anderen Körperstellen auf. Entsprechend der häufigen Lokalisationen (siehe oben) klagen Betroffene in vielen Fällen über stechende oder brennende Schmerzen im Rücken, im Nacken- und Schulterbereich sowie im Kopf, in den Armen/Händen oder Beinen/Füßen.
Neben den Schmerzen kommt es zudem häufig zu Sensibilitätsstörungen oder Empfindungsstörungen in den Gliedern, wie etwa Kribbeln und Taubheitsgefühle. Auch Bewegungsbeeinträchtigungen können zu der Symptomatik gehören, sowie in schwerwiegenderen Fällen sogar Lähmungen und Rückbildungen von Muskelgewebe.
Wird beispielsweise der Ischiasnerv eingeklemmt, kann dies nicht nur zu Rückenschmerzen (Kreuzschmerzen), Gesäßschmerzen und rückseitigen Oberschenkelschmerzen führen, sondern auch zu Empfindungs- und Funktionsstörungen im gesamten Bein.
Mit einer Kompressionen des Nervus ulnaris in der Ulnarisrinne am Ellbogen geht häufig ein Taubheitsgefühl in den Fingern (kleiner Finger, Ringfinger) und der Handinnenfläche einher. Oft zeigt sich auch begleitend eine Muskelschwäche im entsprechenden Versorgungsbereich. Ein eingeklemmter Nerv im Bereich der Beine ist nicht selten mit Fußschmerzen beziehungsweise Fußsohlenschmerzen verbunden.
Ursachen für Nervenkompressionen
Eine häufige Ursache für einen eingeklemmten Nerv ist eine Verhärtung der umliegenden Muskulatur (Muskelverhärtung), die direkt auf eine Nervenbahn drückt. Diese kann auf angeborene anatomische Beeinträchtigungen oder auch auf Fehlbelastungen (zum Beispiel durch zu schweres beziehungsweise falsches Heben) zurückgehen. Auch eine („einseitige“) Überlastung oder das ständige Wiederholen bestimmter Bewegungen kann zu Veränderungen von Muskel- und anderen Körperstrukturen führen und dadurch Nervenbahnen beeinträchtigen.
Des Weiteren können Nerven im Zuge einer Beeinträchtigung des Skelettsystems eingeklemmt werden. Dies passiert häufig bei eingeklemmten Nerven im Rücken. So werden beispielsweise bei einem Bandscheibenvorfall durch ausgetretenes Gewebe in den Wirbelkanal (Spinalkanal) hier verlaufende Nerven eingeengt.
Das sogenannte Wirbelgleiten Spondylolisthesis) kann ebenfalls die Nerven im Spinalkanal einklemmen. Diese und andere Erkrankungen können im Rahmen von verschiedenen degenerativen Prozessen an der Wirbelsäule auftreten, die als Hauptursache für eine Einengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose) gelten. Liegt eine Wirbelblockade vor, löst dies meist die erwähnten Muskelverspannungen aus, die in der Regel aber leichter therapierbar sind.
Zu eingeklemmten Nerven in der Schulter kommt es häufig wenn das Schultergelenk ausgerenkt (Schulterluxation) ist. Die hier verlaufenden Nervenbahnen (vor allem Nervus axillaris) werden dann abgeklemmt und führen zu starken Schulterschmerzen und weiteren Beschwerden im Bereich der Arme und Hände.
Auch Verletzungen (zum Beispiel Knochenbrüche und Hämatome) oder Tumore können auf Nervenbahnen drücken beziehungsweise zu einem Einklemmen von Nerven führen. Gleiches gilt für äußere mechanische Kompressionen, beispielsweise durch zu enge Kleidungsstücke oder eng angelegte Sicherheitsgurte. Außerdem kann die Last eines besonders dicken Bauches (Übergewicht oder Schwangerschaft) einen enormen Druck auf das Gewebe ausüben und beispielsweise eine Nervenkompression im Hüft- und Beckenbereich verursachen.
Diagnose
Manchmal reichen eine ausführliche Patientenbefragung zu den aufgetretenen Symptomen und eine einfach klinische Untersuchung bereits aus, um eine sichere Diagnose zu stellen. Muskelverhärtungen lassen sich in der Regel durch gezieltes Abtasten feststellen. Hierfür zugrunde liegende Ursachen sind häufig im (Berufs-) Alltag und in Bewegungsgewohnheiten zu finden.
In einigen Fällen ist aber eine eindeutige Zuordnung, ob es sich um neuropathische Schmerzen oder andere Schmerzformen (sogenannte nozizeptive Schmerzen) handelt, nicht möglich. Auch gibt es sogenannte gemischte Schmerzformen („mixed pain“). Um das richtige Therapieschema festzulegen ist eine genaue Charakterisierung und Abgrenzung der Schmerzen schon während der Anamnese und besonders wichtig. Weitere neurologische Untersuchungen dienen ebenfalls der genaueren Schmerzbeschreibung und Ursachenfindung.
Liegt der Verdacht einer ernsthaften Ursache und schwerwiegenderen Erkrankung oder Verletzung vor, müssen weitere Untersuchungen unternommen werden. Oftmals kommen bildgebende Verfahren, wie Ultraschall, Röntgen, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) zum Einsatz. Hierbei können Veränderungen am Skelett und in anderen Strukturen sichtbar gemacht werden.
Bestehen weiterhin Zweifel können auch die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und andere weiterführende Untersuchungen veranlasst werden.
Behandlung: Eingeklemmte Nerven therapieren
Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen für eine Nervenkompression stehen verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung, die je nach Erkrankungsfall individuell eingesetzt werden. Je nach Intensität der auftretenden Schmerzen kann eine zeitlich begrenzte medikamentöse Schmerztherapie eine sinnvolle Ergänzung zur ursachenspezifischen Behandlung sein.
Sind Nerven durch Verhärtungen der Muskulatur eingeklemmt, so kommen häufig zunächst bestimmte Bewegungstherapien und Krankengymnastik (Physiotherapie) zur Anwendung. Individuelle Bewegungs- und Dehnungsübung können Muskeln entspannen und die Schmerzen entsprechend lindern. Auch im Sinne der Prävention sind diese Maßnahmen wirksam. Je nach Notwendigkeit, kann eine kurze Schonungsphase und Ruhigstellung vor den therapeutischen Maßnahmen sinnvoll sein. Grundsätzlich gilt aber: Bewegung ist wichtig!
Wird der Nerv durch Beeinträchtigungen des Skelettsystems ausgelöst, müssen diese behoben werden. Eine ausgekugelte Schulter kann oft schnell und einfach wieder eingerenkt werden; ein schwerer Bandscheibenvorfall oder andere Erkrankungen an der Wirbelsäule sind hingegen nicht immer konservativ behandelbar. In manchen Fällen kann dann – nach Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten – eine Operation notwendig werden, um die Betroffenen von ihren Leiden zu befreien.
Ein chirurgischer Eingriff wird unter Umständen auch bei dem Karpaltunnel– und dem Kubitaltunnelsyndrom erforderlich. An erster Stelle und bei einer eher leichten Symptomatik sollte jedoch eine konservative Therapie herangezogen werden. Bereits in vielen Fällen zeigt zum Beispiel eine Ruhigstellung der Gelenke in gestreckter Haltung mittels Schienen große Wirksamkeit.
Drücken Tumore auf Gewebestrukturen und Nerven, ist in der Regel eine operative Entfernung notwendig. Bei bösartigen Geschwüren beziehungsweise einer Krebserkrankung ist häufig die Kombination aus Operation, Chemo- und/oder Strahlentherapie die einzige Behandlungsoption.
Naturheilkunde und ganzheitliche Medizin
Konnten schwerwiegende Ursachen ausgeschlossen werden – die eine schnelle ärztliche Versorgung und Behandlung benötigen – kommen neben den (konservativen) Therapiemethoden der Schulmedizin auch weitere nicht invasive Behandlungsmethoden aus dem Bereich der ganzheitlichen Medizin in Betracht. Dabei können diese Verfahren ergänzend oder auch alternativ zur Anwendung kommen.
Eine Bewegungstherapie kann beispielsweise mit speziellen Pilates-Übungen und Yoga-Praktiken sinnvoll und wirksam ergänzt werden.
Handelt es sich um Muskelverspannungen werden häufig verschiedene Massagetechniken, Wärmeanwendungen oder auch Akupunktur eingesetzt, um die Muskulatur wieder zu lockern, die Kompression der Nerven zu beheben und die auftretenden Schmerzen zu lindern.
Daneben können bestimmte Veränderungen, die zu einem eingeklemmten Nerv führen, durch verschiedene manuelle Verfahren aus dem Bereich Osteopathie (zum Beispiel Behandlung nach dem Fasziendistorsionsmodell und Triggerpunkt-Therapie) wirksam behandelt werden. Auch andere Methoden wie Rolfing und Chiropraktik kommen in diesem Zusammenhang in Betracht, auch wenn die Wirksamkeit dieser Behandlungsformen aufgrund fehlender ausreichender wissenschaftlicher Belege als umstritten gilt.
Durch die manuellen Therapien sollen Verspannungen der Muskulatur gelöst und Fehlstellungen behoben werden. Gemäß ihrem ganzheitlichen Ansatz gehen die Verfahren auch Beschwerden nach, die zunächst nicht im offensichtlichen Zusammenhang mit dem eingeklemmten Nerv stehen.
Ein weiteres und noch relativ neues Verfahren der ganzheitlichen Medizin mit vielen Indikationen ist die Neuraltherapie, die verschiedene Therapieformen umfasst. Die Heilmethoden werden aber nur teilweise anerkannt (von den Krankenkassen) – denn nicht für alle Therapien ist die Wirksamkeit hinreichend belegt.
Weitere umstrittene Möglichkeit der Behandlung eines eingeklemmten Nervs und den damit verbundene Schmerzen aufgrund einer Muskelverkrampfung stellen homöopathische Mittel (zum Beispiel Arnika oder Bryonia) und Schüßler Salze (Magnesium Phosphoricum, Schüßler-Salz Nummer sieben). Auch der Zusammenhang zwischen Muskelverspannungen und einer möglichen bestehenden Übersäuerung des Organismus ist nicht durch anerkannte Studien belegt, so dass die begleitende Maßnahmen für einen Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts (Entsäuerung) zwar angeboten werden, aber deren Wirksamkeit als fraglich gilt.
Für manche Menschen kann es hilfreich sein, mittels verschiedener Methoden an der eigenen inneren Haltung zu arbeiten und psychische Anspannung sowie Stress abzubauen, um auch körperliche Verspannungen zu lösen. (tf, fp, cs)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.): S2k-Leitlinie: Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen, Stand Mai 2019,AWMF-Registernr 030-114, awmf.org
- Baron, Ralf: Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzen, in: Deutsches Ärzteblatt CME Kompakt 1(2)/2009, aerzteblatt.de
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 267., neu bearbeitete Auflage, De Gruyter, 2017
- Fachverlag Gesundheit und Medizin (Hrsg.): Informationsplattform Ratgeber Nerven www.ratgeber-nerven.de, Rückenschmerzen durch eingeklemmten Nerv, Abruf: 30.09.2019, ratgeber-nerven.de
- Assmus, Hans, Antoniadis, Gregor und Bischoff, Christian: Karpaltunnel-, Kubitaltunnel- und seltene Nervenkompressionssyndrome, in: Deutsches Ärzteblatt International 112/2015 , aerzteblatt.de
- Peter J. Moley: Kreuzschmerzen, MSD Manual (Ausgabe für Patienten), Abruf 15.08.2019, msdmanuals.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.