Ohrensausen / Tinnitus
Die als Ohrensausen bezeichneten Ohrgeräusche können auf eine Vielzahl von Ursachen zurückgehen. Ohrenrauschen kann als Begleitsymptom von Kreislauferkrankungen, Blutdruckabweichungen, Verletzungen des Trommelfells, Innenohrdefekten, Entzündungen, Morbus Ménière (Erkrankung des Innenohres), Stoffwechselstörungen oder Tumoren auftreten. Aber auch zu hohe psychische Belastungen und Stress oder akute Lärmbelastungen wie zum Beispiel bei Disko- oder Konzertbesuchen können Tinnitus verursachen.
Inhaltsverzeichnis
Individuelle Symptome
Tinnitus ist der medizinische Oberbegriff für sämtliche Ohrgeräusche wie auch das sogenannte Ohrensausen. Da die akustischen Wahrnehmungen Begleiterscheinungen ernsthafter Erkrankungen sein können, ist bei regelmäßigem Auftreten dringend ein Arztbesuch zu empfehlen.
Dabei sollte der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Bestimmung und Behandlung möglicher Ursachen des Ohrensausens liegen. Zahlreiche Behandlungsmethoden, die eine Behebung der Symptome versprechen, gehen den Ursachen des Tinnitus nicht genauer auf den Grund.
Ohrensausen tritt meist als subjektiv wahrgenommenes wiederkehrendes Ohrgeräusch auf, das die Betroffenen auf einem oder beiden Ohren lokalisieren. Ohrensausen kann jedoch auch eher diffus im Kopf wahrgenommen werden, ohne dass eine eindeutig Zuordnung zu den Ohren möglich ist.
Relativ häufig treten als Begleiterscheinungen eine Verminderung des Hörvermögens sowie Schwindel– und Benommenheitsgefühle auf. Die Dauer und Intensität der Ohrgeräusche ist dabei jedoch stark variabel, so dass die individuelle Belastung für Tinnitus-Patientinnen und -Patienten äußerst unterschiedlich ausfällt.
Dabei wird in der medizinischen Fachwelt zwischen einem so genannten kompensierten Tinnitus und einem dekompensierten Tinnitus unterschieden.
Beim kompensierten Tinnitus werden die Ohrengeräusche zwar wahrgenommen, doch die Betroffenen können ohne persönliche Beeinträchtigung mit ihnen leben – die akustischen Wahrnehmungen werden quasi ignoriert.
Der dekompensierte Tinnitus wird von den Patientinnen und Patienten hingegen als erhebliche Belastung empfunden und es drohen weitreichende Konsequenzen mit Auswirkungen auf zahlreiche Lebensbereiche wie:
- Depressionen,
- Schlafstörungen,
- Angstzustände,
- und Konzentrationsstörungen.
Tendenziell lässt sich feststellen: Je länger die Ohrgeräusche anhalten und je höher die Intensität der akustischen Störungen wahrgenommen wird, desto größer die Belastungen für die Betroffenen und das Risiko weiterer gesundheitlicher Probleme.
Ursachen für subjektiven Tinnitus
Bei einem subjektiven Tinnitus entstehen die Ohrgeräusche laut aktuellem Forschungsstand im auditorischen System – ohne dass tatsächlich akustische Reize vorliegen. Dabei kommen für das subjektiv wahrgenommene Ohrensausen zahlreiche Ursachen in Frage. Genannt werden hier unter anderem:
- Fremdkörper im Gehörgang,
- Entzündungen des Ohrs,
- Erkrankungen des Mittelohrs (zum Beispiel Verknöcherung der Gehörknöchelchen, Otosklerose),
- virale und bakterielle Infektionen.
Auch ein sogenanntes Schalltrauma, ausgelöst durch massive Geräuscheinwirkungen, wird häufig von subjektiv wahrgenommenem Ohrensausen oder Ohrenpfeifen begleitet. Außerdem gilt ein Hörsturz ebenso als mögliche Ursache für die belastenden Ohrgeräusche wie Tauchunfälle oder die eher seltenen Krankheiten des Innenohrs Morbus Menière, Hydrops cochleae und Endolymphschwankungen.
Zudem können Autoimmunerkrankungen des Innenohrs sowie sogenannte Bogengangsdehiszenzen, welche eine Hyperempfindlichkeit gegenüber Geräuschen und Gleichgewichtsstörungen bedingen, das subjektiv wahrgenommene Ohrensausen verursachen.
Tumore der Gehörnerven sind ebenfalls mögliche Ursachen des subjektiven Ohrensausens und bei Schwerhörigkeit (Hypakusis) kann subjektiver Tinnitus als eine Art Phantomschmerz auftreten. Auch Verspannungen der Halswirbelsäulen- und der Kiefergelenksmuskulatur bedingen gelegentlich Ohrgeräusche.
Die mit dem Arbeiten am PC verbundene Bewegungsarmut erhöht das Risiko entsprechender Symptome deutlich. Darüber hinaus gelten psychische Probleme und Stress als erhebliche Risikofaktoren für Ohrensausen.
Objektive Ursachen für Ohrensausen und Tinnitus
Zahlreiche Ursachen können Ohrensausen bedingen, wobei jedoch zwischen dem relativ verbreiteten subjektiven und dem seltenen objektiven Tinnitus zu unterscheiden ist. Während die subjektiven Ohrgeräusche nur von den Betroffenen registriert werden, beruhen objektive Tinnitus-Geräusche auf einer von außen wahrnehmbaren oder zumindest messbaren körpereigenen Schallquelle.
Die möglichen Ursachen für einen objektiven Tinnitus sind dabei relativ überschaubar. Häufigste Auslöser sind:
- Gefäßmissbildungen,
- Gaumensegelnystagmus (Erkrankung des weichen Gaumens),
- und Tubenfunktionsstörungen.
Ototoxische Substanzen als Ursache
Ohrensausen kann außerdem durch zahlreiche sogenannte ototoxische Medikamente und Substanzen (Ototoxizität = „Ohrgiftigkeit“), die zerstörerisch auf das Innenohr wirken, verursacht werden. Vor allem die Sinneszellen des Hör- und Gleichgewichtsorganes sowie der zugehörige Nerv im Gehirn werden von den ototoxischen Substanzen angegriffen.
Zu den ototoxischen Substanzen zählen:
- einige Antibiotika,
- Zytostatika,
- Diuretika,
- Chinin (auch enthalten in „Bitter Lemon“ und „Tonic Water“),
- Salicylate wie der Wirkstoff in Aspirin (Acetylsalicylsäure),
- Protonenpumpeninhibitoren (Omeprazol),
- verschiedene Lösungsmittel enthalten ototoxische Chemikalien,
- außerdem gelten Blei, Cadmium, Quecksilber, Arsen, Schwefelkohlenstoff, Kohlenmonoxid und Zyanide als schädigend für das Gehör.
Akutes und chronisches Ohrensausen
Neben der Unterscheidung des Ohrensausens nach objektiver und subjektiver Wahrnehmung wird der Tinnitus in Deutschland auf Basis von Erfahrungswerten in akuten Tinnitus und chronischen Tinnitus unterteilt. Von akutem Ohrensausen ist demnach die Rede, wenn die Ohrgeräusche maximal drei Monate auftreten.
Bei Anhalten der Symptome über einen Zeitraum länger als drei Monate liegt ein chronischer Tinnitus vor. Während in der akuten Phase der Tinnitus relativ häufig ohne weitere Behandlung wieder zurückgeht, stehen die Heilungsaussichten nach einem Übergang in die chronische Phase erheblich schlechter.
Ohne entsprechende Therapie können die unangenehmen Ohrgeräusche Patientinnen und Patienten über Jahre begleiten. Dies kann zu einer erheblichen psychischen Belastung werden, die weitere gesundheitliche Probleme mit sich bringt.
Die Behandlungsaussichten liegen umso höher, je eher mit der Therapie begonnen wird. Es sollte spätestens ein bis zwei Tage nach dem Einsetzen des Ohrensausens eine Hals-Nasen-Ohren-Ärztin oder ein Hals-Nahren-Ohren-Arzt (HNO-Ärztin/HNO-Arzt) aufgesucht werden, um eine erste Diagnose einzuholen.
Diagnoseverfahren
Als erstes sollte eine eingehende Untersuchung der Hals-Nasen-Ohrenpartie erfolgen, die dazu dient, mögliche Vorerkrankungen wie Ohrentzündungen, Nasennebenhöhlenentzündungen oder schnupfenbedingte Belüftungsstörungen der Ohrtrompete als Ursachen des Ohrensausens auszuschließen.
Anschließend testet die HNO-Ärztin beziehungsweise der HNO-Arzt den Gleichgewichtssinn der Patientinnen und Patienten und überprüft mit einer Stimmgabel das Gehör. Bei der Überprüfung des Gehörs lässt sich auch feststellen, welche Töne für die Tinnitus-Patientientinnen und -Patienten wahrnehmbar sind.
Außerdem liefert die sogenannte audiometrische Untersuchung Anhaltspunkte über die empfundene Lautstärke des Ohrensausens und die Schwere der Erkrankung. Es können Blutuntersuchung, Röntgenuntersuchung, Dopplersonographien oder Magnetresonanztomographien folgen, um weitere Erkrankungen als Tinnitus-Verursacher auszuschließen.
Auch eine psychoanalytische Bewertung der Symptome erscheint dabei sinnvoll, um mögliche psychische Gründe des Ohrensausens zu ermitteln. Tinnitus kann durch unzählige Faktoren bedingt werden.
Der exakten Diagnosestellung kommt bei Ohrensausen eine besondere Bedeutung zu. Eine kausal orientierte Behandlung, die an den Ursachen der Erkrankung und nicht an den Symptomen ansetzt, verspricht daher bessere Heilungsaussichten.
Behandlungsmethoden bei Ohrensausen
Entsprechend den möglichen Ursachen des Tinnitus bestehen zahlreiche erfolgversprechende Behandlungsmethoden. Die wenigsten davon sind jedoch eindeutig wissenschaftlich belegt und eine allgemein gültige Therapie zur Behebung der akustischen Wahrnehmungen besteht nicht.
Die Behandlungsmethoden sollten neben den individuellen Ursachen auch dem Krankheitsbild (akut/chronisch) anpasst sein. Die Erfolgsaussichten sind dabei jedoch äußerst unterschiedlich und stehen in direktem Zusammenhang mit den möglichen Ursachen des Ohrensausens. So werden zur Behandlung von Tinnitus eingesetzt:
- akustische Stimulationsverfahren,
- Verhaltenstherapien,
- medikamentöse Therapien,
- Physiotherapien,
- und sogar operative Eingriffe.
Konventionelle Behandlung bei Ohrensausen
Zum Einsatz bei einer schulmedizinische Behandlung eines akuten Tinnitus kommen in der Regel folgende Medikationen:
- Glukokortikoide (zum Beispiel Kortison),
- Magnesium,
- Vitamin-E-Präparate,
- intravenös verabreichten Lokalanästhetika,
- und durchblutungsfördernde Wirkstoffe.
Hierdurch soll in erster Linie eine bessere Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Ohrs gewährleistet werden, da angenommen wird, dass der akute Tinnitus eine Folge von Durchblutungsstörungen der kleinen Innenohrgefäße ist.
Mit dieser medikamentösen Behandlung können in der akuten Phase des Tinnitus relativ häufig Behandlungserfolge erzielt werden. Es liegen jedoch bisher keine wissenschaftlichen Studien vor, die einen Erfolg der Tinnitus-Therapien unter Berücksichtigung möglicher Placebo-Effekte bestätigen.
So könnten die zu verzeichnenden Behandlungserfolge auch auf die Placebo-Wirkung zurückgehen. Tritt Ohrensausen als chronische Erkrankung auf, so sind die medikamentösen Behandlungen jedoch ohnehin meist wirkungslos.
Früher griff die konventionelle Medizin daher bei schwerem chronischem Tinnitus zu solch drastischen Maßnahmen wie der Durchtrennung des Hörnervs. Wegen der niedrigen Erfolgsquote werden derartige Eingriffe heute nicht mehr durchgeführt.
Stattdessen setzen Medizinerinnen und Mediziner zum Beispiel auf Hörgeräte, die das Ohrensausen überdecken und für die Patientinnen und Patienten nicht mehr wahrnehmbar machen sollen. Außerdem wird momentan in verschiedenen Studien untersucht, ob die transkranielle Magnetstimulation bestimmter Gehirnareale eine Linderung des Tinnitus bewirken kann.
So werden die Gehirnareale, die bei Tinnitus-Patientinnen und -Patienten in der Aktivität verändert sind, durch magnetische Impulse stimuliert, um die akustischen Wahrnehmungen zu beheben. Darüber hinaus befindet sich der Einsatz von Hirnschrittmachern zur Behandlung von schwerem chronischen Tinnitus in der Testphase.
Bimodale Neuromodulation – kombinierte Schall- und Zungenstimulation
Am Deutschen HörZentrum (DHZ) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wurde aktuell eine klinische Studie zur Linderung von Tinnitus an Patientinnen und Patienten durchgeführt. Dabei zeigten 85 Prozent der 20 teilnehmenden Patientinnen und Patienten nach einer sechs- bis zwölfwöchigen Behandlung eine deutliche Linderung der Symptome.
Die Patientinnen und Patienten wurden durch bimodale Neuromodulation mit Hilfe des Lenire-Gerätes (lateinisch: lindern) behandelt. Das Lenire sendet hierbei über drahtlose Kopfhörer ein Klangmuster an das Gehör der Patientinnen und Patienten und stimuliert gleichzeitig über elektrische Impulse die Zunge.
Das Gehirn reagiert darauf mit neuronalen Anpassungen, die Sensibilität des Gehörs erhöht sich und die Symptome des Tinnitus können so gelindert werden. Bei einer sechs- bis zwölfwöchigen Behandlungsdauer konnte der THI-Wert (Tinnitus Handicap Inventory) der Patientinnen und Patienten um 10,4 Punkte gesenkt werden. Dies stellt eine mittlere spürbare Verbesserung dar.
Das Tinnitus Handicap Inventory misst auf einer Skala von 1 bis 100 die Auswirkungen von Tinnitus auf die Lebensqualität einer Person. Bei einem Wert von 100 ist eine maximale Auswirkung des Tinnitus vorhanden.
Im Jahr 2020 untersuchte bereits eine große klinische Studie (TENT-A1) mit 326 Tinnitus-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern die Wirksamkeit des Lenire-Gerätes. Nach einer 12-wöchigen Behandlung konnte der Tinnitus-Schweregrad signifikant um 14,6 Punkte reduziert werden.
Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT)
Ergänzend werden in der Schulmedizin heute Methoden wie die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT), Verhaltenstherapien oder Entspannungsübungen zur Behandlung von chronischem Tinnitus genutzt. Bei der TRT sollen Patientinnen und Patienten zum Beispiel lernen, die Ohrgeräusche nicht länger als unangenehm wahrzunehmen.
Dabei bilden die Verarbeitung des Tinnitus im zentralen Nervensystem und die bewusste Wahrnehmung den Mittelpunkt der Therapie. Die eigentlichen Ursachen des Ohrensausens werden bei der Retraining-Methode indes nicht weiter untersucht.
Am Anfang des Tinnitus-Retrainig stehen hierzulande Beratung und Information, wobei die Patientinnen und Patienten alles über die Erkrankung lernen sollen. Im weiteren Verlauf werden Hörtherapien eingesetzt, bei denen die Betroffenen regelmäßig akustischen Signalen ausgesetzt werden und ihr Gehirn im Umgang mit der Geräuschwahrnehmung trainieren.
Darüber hinaus erfolgt eine begleitende psychotherapeutische Betreuung der Tinnitus-Patientinnen und -Patienten, die ebenfalls darauf abzielt, den Umgang mit den akustischen Wahrnehmungen zu erleichtern. Im Rahmen der psychotherapeutischen Begleitung sollen sich die Patientinnen und Patienten auch Tinnitus vorbeugendes Verhalten wie Sport oder Entspannungsübungen (zum Beispiel autogenes Training) aneignen.
Eine wissenschaftliche Studie hat eine signifikante Verbesserung der Beschwerden nach der TRT bei Patientinnen und Patienten mit einem subjektiven, chronischen Tinnitus herausgestellt.
Tinnitus-Behandlung mit Verhaltenstherapie
Die kognitive Verhaltenstherapie kann im Vergleich zu anderen Therapien die Lebensqualität bei Tinnitus am stärksten verbessern, wie eine aktuelle Studie zeigt. Allerdings wird auch bei der kognitiven Verhaltenstherapie der Tinnitus an sich nicht behoben, sondern lediglich die Wahrnehmung der unangenehmen Ohrgeräusche beeinflusst.
Die kognitive Verhaltenstherapie wurde ursprünglich in erster Linie zur Behandlung von Depressionen eingesetzt, später jedoch auf andere Krankheiten übertragen, bei denen der Kognition eine wesentlich Bedeutung zugeschrieben wird. Als Kognition sind dabei mentale Prozesse der Informationsverarbeitung, des Erkennens, Begreifens, Urteilens und Wahrnehmens zu verstehen.
Bei der Behandlung des Tinnitus mit kognitiven Verhaltenstherapien wird gezielt die mentale Wahrnehmung und Verarbeitung der Ohrgeräusche verändert, so dass die Patientinnen und Patienten diese idealerweise nicht länger als unangenehm oder störend empfinden und die Beeinträchtigungen im Alltag minimiert werden können.
Naturheilkunde und ganzheitliche Medizin
Als Alternativen zu den oft kostspieligen schulmedizinischen Behandlungsmethoden bestehen zahlreiche Therapiemöglichkeiten im Bereich der Naturheilkunde und ganzheitlichen Medizin, die bei erheblich geringeren Kosten und Nebenwirkungen ähnliche Erfolge versprechen. Viele dieser Methoden werden mittlerweile außerdem von den Krankenkassen übernommen.
Bevor die eigentliche Behandlung beginnen kann, sind jedoch im Rahmen der Anamnese mögliche Ursachen des Ohrensausens zu bestimmen. Anschließend werden entsprechende Behandlungsmethoden eingeleitet, wobei im Zweifelsfall eine Überweisung an Spezialistinnen beziehungsweise Spezialisten des jeweiligen Fachgebietes notwendig ist.
Psychotherapeutische Behandlungen, die einerseits der Aufarbeitung bestehender psychischer Probleme sowie anderseits der Stressvermeidung und -bewältigung dienen, sind relativ häufig Bestandteil der Tinnitus-Therapie. Insbesondere stressbedingtes Ohrensausen soll durch Entspannungsmethoden wie zum Beispiel Yoga, Tai Chi oder autogenes Training erheblich reduziert beziehungsweise gänzlich vermieden werden.
Massagen, Ausleitende Verfahren und Pflanzen
Sind Muskelverspannungen oder Rückenschmerzen im Bereich der Halswirbelsäule Ursache des Tinnitus, werden in der Naturheilkunde Massagen, Physiotherapie und Akupunktur zur Behandlung eingesetzt. Diese zeigen jedoch äußerst unterschiedlichen Erfolg.
Werden als Ursache des Ohrensausens Innenohrerkrankungen vermutet, kommen in der Naturheilkunde auch Lymphdrainagen zum Einsatz. Durch sanfte Massage der Lymphabflussgefäße des Ohres werden mögliche Lymphstaus (Lymphostasen) beseitigt und so die unangenehmen akustischen Wahrnehmungen vermieden.
Die Humoraltherapie beziehungsweise die sogenannten Ausleitenden Verfahren werden ebenfalls zur naturheilkundlichen Behandlung des Ohrensausens eingesetzt. Durch die Ausleitungs- und Entgiftungstherapien soll das Blut gereinigt und der Körper von Schadstoffen befreit werden.
Als Methoden kommen dabei neben dem klassischen Aderlass, die Blutegeltherapie, die Baunscheidttherapie (nicht unumstrittene Reizung der Haut mit einem Nadelgerät), Wickel, Schwitzkuren und Schröpfen in Frage. Auch der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) wird bei der naturheilkundlichen Tinnitus-Behandlung besondere Bedeutung zugeschrieben.
So sollen zum Beispiel die im Ginkgo enthaltenen Substanzen eine Linderung des Ohrensausens bewirken. Eine wissenschaftliche Studie gibt einen Überblick zu den Untersuchungen von Ginkgo in der Tinnitus-Behandlung.
Auch die begleitende Verabreichung von Melisse-, Hopfen- und Baldrianpräparaten ist häufig Bestandteil des ganzheitlichen Behandlungsansatzes der Naturheilkunde. Gleiches gilt für die stoffwechselfördernden Pflanzen, die in der Pflanzenheilkunde auch zur Entgiftung des Körpers eingesetzt werden, wie zum Beispiel:
- Artischocken,
- Brennnessel,
- Löwenzahn,
- oder Mariendistel.
Nicht zuletzt spielt die Homöopathie bei der ganzheitlichen Tinnitus-Therapie häufig eine Rolle und sie wird in der Verabreichung direkt auf die verschiedenen Formen des Tinnitus (einseitig, beidseitig / akut, subakut, chronisch / Tonlage und Tonintervalle) sowie die möglichen Ursachen (Stress, Lärm, Krankheiten) angepasst.
Ernährungstherapien
Der Ernährung wird in der Naturheilkunde ebenfalls eine wesentliche Bedeutung bei der Entstehung des Ohrensausens zugeschrieben. Da davon ausgegangen wird, dass auch eine Übersäuerung des Organismus Ursache des Ohrensausens sein kann, nutzen Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker entsprechende Ernährungstherapien, um den Säure-Basen-Haushalt im Körper zu regulieren.
Hierbei wird im Rahmen der Tinnitus-Therapie auch häufiger eine vegetarische Ernährung verordnet. Des Weiteren empfehlen verschiedene Ernährungstherapien eine deutliche Reduzierung der Aufnahme säurebildender Nahrungsmittel, wie:
- tierische Eiweiße (Fleisch, Wurst, Fisch und Eier),
- Milch und Milchprodukte,
- Sojaprodukte,
- Teig- und Backwaren,
- Süßspeisen,
- und kohlensäurehaltige Getränke.
Koffein (Kaffee, Cola), Alkohol und Nikotin sind dabei ebenfalls möglichst zu meiden. Außerdem wird in der Naturheilkunde oftmals ein Verzicht auf synthetische Lebensmittelzusatzstoffe wie Konservierungsstoffe, Farbstoffe und Geschmacksverstärker (Glutamat) empfohlen, um eine Übersäuerung des Organismus zu vermeiden.
Auch Stress kann den Säure-Basen-Haushalt aus dem Gleichgewicht bringen. Ernährungstherapien werden bei der naturheilkundlichen Behandlung daher häufig mit entsprechenden Verhaltenstherapien und Entspannungsübungen gekoppelt.
Empfohlen wird im Rahmen der Ernährungstherapien meist eine vollwertige, vitamin-, mineralstoff-, antioxidanzienreiche Ernährung. Gleichzeitig sollte eine hohe Flüssigkeitsaufnahme – idealerweise in Form von Kräutertee oder kohlensäurefreiem Mineralwasser erfolgen.
Anthroposophische Medizin, Ayurveda, Aromatherapie
Zu dem umfassenden Behandlungskatalog, den die Naturheilkunde bei der Tinnitus-Therapie zum Einsatz bringt, zählen außerdem Verfahren der Anthroposophischen Medizin und der traditionellen indischen Heilkunst Ayurveda. Die Behandlungsmethoden konzentrieren sich dabei nicht nur auf mögliche physische Ursachen des Ohrensausens, sondern berücksichtigen auch mentale, emotionale und spirituelle Faktoren.
Des Weiteren wird mitunter die Aromatherapie zur Tinnitus-Behandlung empfohlen. Dabei nutzen die Behandelnden meist zur äußerlichen Anwendung bei Massagen ätherische Öle, denen eine gesundheitsfördernde Wirkung unterstellt wird.
Die Öle können jedoch auch zu Hause zum Inhalieren oder Auftragen an bestimmten Körperstellen (zum Beispiel Puls, Ellenbeuge, Schläfen) genutzt werden. Die Erfolgsaussichten der Aromatherapie bei der Behandlung des Ohrensausens sind jedoch im Vergleich zu den übrigen naturheilkundlichen Behandlungsmethoden eher gering.
Biofeedback bei Ohrensausen
Eine weitere Methode, die in der Naturheilkunde relativ häufig zur Tinnitus-Therapie genutzt wird, ist das Biofeedback. Dabei wird den Patientinnen und Patienten mit bildgebende Verfahren beziehungsweise tongebenden Verfahren Rückmeldung über mutmaßlich willentlich nicht beeinflussbare physiologische Parameter erstattet. Dazu zählen:
- Herzschlag,
- Atemfrequenz,
- Temperatur,
- Hautwiderstand,
- Muskelentspannung,
- oder Gehirnfunktion (Neurofeedback).
Im Rahmen der therapeutischen Begleitung erlernen die Patientinnen und Patienten, die entscheidenden Parameter durch entsprechende Übungen eigenständig zu regulieren und möglichen Entgleisungen entgegenzuwirken. Mit Hilfe der Anleitung der Therapeutin beziehungsweise des Therapeuten wird der Einfluss von Verhalten, Gedanken und Gefühlen auf die verschiedenen Parameter sowie eine förderliche Reaktion darauf sehr schnell erlernt, so der Grundgedanke des Biofeedback.
Am Ende sollen die erlernten Reaktionen sich als automatische physiologische Reaktion integrieren. Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker berichten, dass bei Patientinnen und Patienten mit Ohrensausen das Biofeedback – neben der generellen gesundheitsfördernden Wirkung einer Regulierung der dargestellten physiologischen Parameter – auch eine Art Ablenkungseffekt erzeugt.
Dieser kann zu einer deutlichen Linderung der Symptome beitragen. Denn die Betroffenen konzentrieren sich auf die dargestellten Körperfunktionen und versuchen diese gezielt zu beeinflussen, wodurch sie weniger auf das Ohrensausen achten.
Ozontherapie und Orthomolekulare Medizin
Außerdem werden bis heute Maßnahmen der Orthomolekularen Medizin bei der Tinnitus-Therapie eingesetzt. Die Behandlung des Ohrensausens mit der hochdosierten Verabreichung von Vitaminen und Mineralstoffen ist jedoch unter Medizinerinnen und Medizinern äußerst umstritten.
Den Erfahrungsberichten, die eine Linderung der Symptome beschreiben, stehen wissenschaftliche Studien gegenüber, die belegen, dass die überhöhte Einnahme der verwendeten Vitamine und Mineralstoffe zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann.
Ebenfalls umstritten ist die Tinnitus-Behandlung mit Hilfe der Ozontherapie. Hier werden der Patientin beziehungsweise dem Patienten meist im Rahmen einer Eigenbluttherapie bis zu 200 Milliliter Blut entnommen, anschließend mit einem Ozon-Sauerstoffgemisch angereichert und dann wieder injiziert.
Das Ozon soll Bakterien, Pilze und Viren abtöten und eine Verbesserung der Durchblutung bewirken, doch drohen erhebliche Nebenwirkungen, die ernsthafte gesundheitliche Probleme mit sich bringen können.
Bachblütentherapien
Gelegentlich wird auch die Bachblütentherapie bei der Behandlung des Ohrensausens eingesetzt. Allerdings liegen bisher keine wissenschaftlichen Belege für einen möglichen Therapieerfolg vor.
Entsprechend der Grundsätze des britischen Arztes Edward Bach werden im Rahmen der Therapie die negativen Seelenzuständen, welche Ursache aller Leiden und Krankheiten sein sollen, ermittelt und verschiedene Blütenessenzen eingesetzt, um die seelischen Gleichgewichtsstörungen zu beheben.
Insgesamt 38 disharmonischen Seelenzuständen stellte Edward Bach dabei in den 1930er Jahren 37 verschiedene Blütenessenzen und eine Tinktur aus Fels-Quellwasser gegenüber, die eine Harmonisierung bewirken sollen.
In mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen konnte keine Wirkung der Bachblütentherapie nachgewiesen werden, die über einen möglichen Placebo-Effekt hinaus ging. Es spricht dennoch wenig gegen den Einsatz der Blütenessenzen zur Behandlung des Tinnitus, da keine potenziell gesundheitsschädigenden Nebenwirkungen bekannt sind.
Insgesamt bieten die Naturheilkunde und ganzheitliche Medizin zahlreiche Methoden zur Behandlung des Ohrensausens, deren Wirkung bisher nicht eindeutig wissenschaftlich belegt werden konnte. Doch am Ende zählt für die Patientin beziehungsweise den Patienten das Ergebnis und ob dies durch eine Placebo-Wirkung oder die eingesetzte Behandlungsmethode bedingt wurde, ist eher von untergeordneter Bedeutung. (fp,ls)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
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Wichtiger Hinweis:
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