Es sind vor allem zwei Symptome, die den Begriff der Reizblase beschreiben: Ein ständiger Harndrang mit nur geringen Mengen Urin zu dem sich später unwillkürliches Abgehen von Harn gesellt, besonders bei körperlicher Anstrengung.
Seltener kommen Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen sowie andauerndes diffuses Schmerzempfinden im Unterbauch dazu. So sehr die Symptomatik einer Blasenentzündung ähnelt, es lassen sich im Urin weder Bakterien noch andere Zeichen einer Infektion nachweisen.
Inhaltsverzeichnis
Zystalgie, überaktive Blase: Die wichtigsten Fakten
Man unterscheidet die primäre Reizblase ohne greifbare organische Hintergründe von der sekundären, die sich im Rahmen organischer Störungen oder infolge anderer Erkrankungen wie Tumoren, Entzündungen oder Steinen entwickeln kann. In den meisten Fällen kann eine Reizblase durch medizinische Behandlung sowie Anpassungen im Lebensstil und Stressmanagement effektiv behandelt werden.
Hier ein kurzer Überblick über das Beschwerdebild einer überaktiven Blase:
- Synonyme: Zystalgie, überaktive Blase, Blasenreizung, overactive Bladder (OAB, engl.).
- Symptome: Ständiger Harndrang, häufiges Wasserlassen mit geringen Mengen (Pollakisurie), Dranginkontinenz, gelegentliche Beschwerden beim Wasserlassen (Strangurie), diffuse bis krampfartige Unterbauchschmerzen.
- Ursachen: Die Ursachen sind zum Teil noch unklar. Bei einer primären Zystalgie wird die Ursache im Nervensystem vermutet. Die sekundäre Form tritt meistens als Folge anderer Erkrankungen wie Entzündungen, Tumoren oder Harnsteinen auf.
- Häufigkeit: Reizblase ist eine verbreitete Beschwerde, besonders bei Frauen.
- Diagnose: Eine sorgfältige Diagnose ist wichtig, um andere Erkrankungen wie z.B. Blasenentzündung auszuschließen. Psychische Faktoren spielen oft eine Rolle.
- Therapie bei primärer Zystalgie: Medikamentöse Behandlung meist mit Anticholinergika, Verhaltenstraining, psychosomatischer Behandlung, Elektromuskelstimulation, sakraler Neuromodulation (einpflanzen einer Sonde), Injektionen mit Botulinumtoxin A.
- Naturheilkunde: Stressabbau (z.B. durch autogenes Training, progressive Muskelrelaxation), Beckenbodentraining, Neuraltherapie, Akupunktur, Homöopathie, Phytotherapie, Schüßler Salze.
- Lebensstiländerungen: Stressabbau und Ernährungsumstellungen können helfen.
- Prävention: Vorbeugende Maßnahmen sind wichtig, um die Symptome zu kontrollieren.
Die primäre Reizblase
Mehrere Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer überaktiven Blase. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die primäre Reizblase ist als Symptom einer Regulationsstörung des vegetativen Nervensystems zu verstehen und nimmt als solches bei körperlicher Abkühlung (allgemein oder bei kalten Füßen), nach dem Verzehr kalter Getränke, nach Geschlechtsverkehr und bei psychischer Erregung zu.
Vor allem bei Frauen finden sich zusätzlich Kreislaufschwäche, Müdigkeit, Sexualstörungen, Migräne oder Magen-Darm-Beschwerden.
Ebenso werden bei Frauen hormonelle Veränderungen und Hormonungleichgewichte in der Schwangerschaft oder in der Menopause als Ursache vermutet.
Als weitere mögliche Ursachen stehen psychische und seelische Belastungen wie Stress, Nervosität und Angst unter Verdacht.
Seelische Einflüsse
Als seelische Aspekte der Entstehung werden in der Psychosomatik unter anderem der sexuell geprägte Konflikt der älter werdenden Frau und unterdrückte Wut diskutiert, die als überaktive Blase einen spürbaren Ausdruck findet.
Dies bedeutet eine große soziale Belastung bis hin zur Ausgrenzung der Betroffenen, da der ständige Harndrang die Freude an Aktivitäten (Theater-, Kinobesuche, Spaziergänge) nimmt und die Inkontinenz als peinlich empfunden wird.
Viele Betroffene reduzieren ihre Trinkmenge drastisch, was wiederum das Fassungsvermögen der Harnblase verkleinert und die Symptomatik noch verstärkt.
Die sekundäre Reizblase
Die sekundäre Form kann vielfältige Ursachen haben, zum Beispiel:
- Wiederkehrende Infektionen der Blase oder Harnröhre,
- auch Östrogenmangel schwächt die Blase in der Menopause,
- neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson,
- Multiple Sklerose,
- ein Schlaganfall,
- Fremdkörper in der Blase,
- Blasensteine,
- Tumoren,
- bestimmte Medikamente (beispielsweise harntreibende Mittel wie Diuretika).
Vielfältige Ursachen
Eine Verengung des Blasenausganges, verursacht etwa durch Prostatavergrößerung bei Männern beziehungsweise eine Harnröhrenverengung bei Frauen fördert die Bildung von Blasensteinen, die ihrerseits zur Reizblase führen können.
Auch Tumore in der Blase oder im kleinen Becken, zurückliegende Bestrahlungen oder Medikamentennebenwirkungen kommen in Frage. Die interstitielle Zystitis, eine Entzündung der Blasenwand unklarer Ursache, führt zu einer Verkleinerung des Fassungsvermögens und damit ebenfalls zum typischen Beschwerdebild der Reizblase.
Reizblasen Symptome
Eine Zystalgie äußert sich in erster Linie durch einen plötzlich auftretenden und äußerst dringenden Harndrang. Trotz des heftigen Drangs werden aber nur kleine Mengen Urin abgegeben, die auch unkontrolliert austreten können, wenn Betroffene nicht umgehend eine Toilette aufsuchen.
Von einer Überaktivität der Blase ist die Rede, wenn die Betroffenen regelmäßig mehr als zehn mal pro Tag Wasserlassen müssen (mehr als acht mal am Tag und mehr als zwei mal pro Nacht).
Außerdem kann es zu einer Belastungsinkontinenz kommen, bei der sich infolge plötzlicher Bewegungen oder körperlicher Anstrengungen wie Husten, Niesen, Lachen, Heben oder Tragen die Blase unkontrolliert entleert. Weitere mögliche Symptome sind Brennen oder Schmerzen beim Wasserlassen (Strangurie) und diffuse bis krampfartige Schmerzen im Unterbauch.
Diagnose
Liegt eine körperliche oder organische Ursache vor, spricht man von einer sekundären Reizblase. Die primäre Form wird diagnostiziert, wenn alle körperlichen und organischen Ursachen ausgeschlossen werden. Mögliche Verfahren, um körperliche Ursachen festzustellen, sind:
- Urologische beziehungsweise gynäkologische Untersuchungen,
- Blut- und Urintest,
- Harnröhrenabstrich,
- Ultraschalluntersuchung,
- Röntgenaufnahmen der Blase und Harnwege,
- Blasendruck messen.
Therapie
Als erster muss festgestellt werden, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Form handelt. Bei der sekundären Form steht die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung im Vordergrund.
Bei der primären Form stehen eine Vielzahl an schulmedizinischen und naturheilkundlichen Behandlungen zur Verfügung, die individuell auf die Betroffenen angepasst werden müssen. Zu den gängigsten Maßnahmen zählen:
- Richtig angewandtes Beckenbodentraining,
- Kontinenztraining,
- Psychotherapie,
- Medikamente (z.B. Anticholinergika, Spasmolytika, pflanzliche Präparate),
- Entspannungsübungen,
- warme Sitzbäder,
- Abbau von Übergewicht und Adipositas,
- das Rauchen aufgeben,
- Verzicht auf übermäßigen Alkohol- und Kaffeekonsum.
Medikamentöse Behandlung
Es gibt eine Reihe von Medikamenten, welche die Symptome einer überaktiven Blase mindern können. Dazu zählen insbesondere sogenannte Anticholinergika oder Spasmolytika. Die Anticholinergika wirken auf die Blasenmuskulatur und das Nervensystem und sollen so die Blasenmuskulatur entkrampfen.
Die Spasmolytika senken die Kontraktionsbereitschaft des Blasenmuskels, wodurch eine weniger häufige Entleerung erzielt werden soll. Bei Frauen bietet sich eine Hormontherapie mit östrogenhaltigen Medikamenten an. Auch pflanzliche Arzneimittel lindern Harndrang.
Dazu eignen sich Präparate mit Inhaltsstoffen von Cranberry oder Kürbissen. Zudem wirkt beispielsweise Bärentraubenblätter-Extrakt gegen die Beschwerden einer Harnwegsinfektion.
Naturheilkunde bei der primären Reizblase
Naturärzte und Heilpraktiker/Innen verfügen über ein großes Arsenal an Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere, wenn es sich um eine primäre Zystalgie handelt, welche in der Regel gut auf naturheilkundliche Maßnahmen anspricht.
Dies gilt vor allem, wenn psychologisch-beratende Elemente in die Behandlung integriert sind. Folgende Möglichkeiten sind nur beispielhaft aufgeführt und sollten vor der Durchführung mit einem naturheilkundlichen Fachmann besprochen werden.
Verhaltenstraining
Als erste allgemeine Maßnahmen sollte die abendliche Trinkmenge auf ein Minimum reduziert werden und circa zwei Stunden vor dem Schlafengehen ist jede Flüssigkeitszufuhr zu vermeiden. Auf Getränke, die harntreibend wirken (Kaffee, Alkohol, diuretische Tees), sollte komplett verzichtet werden.
Auf keinen Fall sollte jedoch allgemein wenig getrunken werden. Denn viel Trinken bei Reizblase kann den Harndrang senken, da die Nieren bei Flüssigkeitsmangel einen hoch konzentrierten Urin produzieren, der die Blase reizt und den Harndrang verstärkt. Insgesamt sollte auf einen geregelten Tages- und Arbeitsablauf geachtet werden.
Psychisches und körperliches Training
Methoden zum angemessenen Stressabbau wie beispielsweise autogenes Training, Yoga, Meditation oder progressive Muskelrelaxation können sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken.
Regelmäßiges Beckenbodentraining, ergänzt durch ein „Toilettentraining“ bei dem zu festgelegten Zeiten Wasser gelassen wird, kann insbesondere Harndrang und Inkontinenz vermindern oder sogar beheben.
Schüßler Salze
Bei der Behandlung haben sich bei manchen Menschen Schüßler Salze bewährt. Die genaue Dosierung sollte mit einem fachkundigen Naturheilkundler abgesprochen werden. Zu Beginn der Einnahme wird häufig nur das Schüßler Salz Nummer 6 Kalium Sulfuricum empfohlen. Im weiteren Verlauf können noch andere Salze dazu genommen werden. Hierfür eignen sich:
- Schüßler Salz Nummer 1 – Calcium fluoratum,
- Schüßler Salz Nummer 3 – Ferrum phosphoricum,
- Schüßler Salz Nummer 8 – Natrium chloratum,
- Schüßler Salz Nummer 9 – Natrium phosphoricum.
Neuraltherapie und Akupunktur
In der Naturheilpraxis wird die Neuraltherapie eingesetzt. Dabei wird durch ein Lokalanästhetikum (meist Procain) direkt eine Entspannung der Blasenmuskulatur herbeigeführt. Eine Behandlung mittels Ohrakupunktur, bei der vegetative, organbezogene und psychotrophe Punkte einbezogen werden, kann ebenfalls entspannend auf den gesamten Organismus und die Muskulatur der Blase wirken.
Homöopathie und Phytotherapie
Als alternative Heilmethode kommt auch die Homöopathie in Frage.
Hier wird häufig ein Komplexmittel aus „Winterlieb“ (Chimaphila umbellata), „Amerikanischer Espe“ (Populus tremuloides) und „Zwergsägepalme“ (Serona repens) zur heilenden Unterstützung verwendet, wenn nicht eine homöopathische Konstitutionsbehandlung erfolgt.
In der Phytotherapie werden Heilkräuter eingesetzt, die psychovegetativ, wirksam sind, die stärkend auf das Blasengewebe wirken, den Stoffwechsel verbessern und krampflösend sind. Zum Einsatz kommen häufig:
- Johanniskraut,
- Blüten von Lavendel,
- Sägepalmenfrüchte,
- Goldrutenkraut,
- Schachtelhalmkraut,
- Schafgarbe.
Hypnotherapie
Eine Hypnotherapie wird ebenfalls mitunter bei einer Zystalgie eingesetzt. Die Hypnose kann sich bei regelmäßiger Anwendung äußerst günstig auswirken. Auch bei Beschwerden wie Bluthochdruck, Schlafstörungen, Reizdarmsyndrom, Angst und weiteren nervös bedingten Störung kann mit ihrer Hilfe eine Besserung erzielt werden.
Bei Neigung zu innerer Unruhe und ständigem Stressempfinden kann zudem die regelmäßige Anwendung von Selbsthypnose den Heilungsprozess unterstützen. (jvs, vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- W. H. Jost et al.: Diagnostik und Therapie von neurogenen Blasenstörungen, S1-Leitlinie, Deutsche Gesellschaft für Neurologie, (Abruf 22.08.2019), AWMF
- Leitliniengruppe S2K-Leitlinie für Interstitielle Cystitis (IC/BPS), Langfassung, 1. Auflage, Version 1, 2018, (Abruf 22.08.2019), AWMF
- Leitlinienprogramm DGU: Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Langversion 1.1-2, 2017 AWMF Registernummer: 043/04, (Abruf 22.08.2019), AWMF
- Thomas Gasser: Basiswissen Urologie, Springer Verlag, 6. Auflage, 2015
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.