Vaginismus- Therapie und Gegenmaßnahmen
Der Scheidenkrampf (Vaginismus) ist eine äußerst unangenehme und schmerzhafte Komplikation im Rahmen des Geschlechtsverkehrs. Frauen, die chronisch darunter leiden, können Intimitäten kaum genießen, was traute Zweisamkeit zu einem echten Problem macht. Doch es gibt Wege aus der vaginalen Verkrampfung.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Als Scheidenkrampf wird eine sexuelle Funktionsstörung bezeichnet, bei der es zu spontanen Verkrampfungen der Vaginalmuskulatur kommt. Genau genommen ist es das äußere Drittel dieser Muskulatur, die den weiblichen Scheideneingang auskleidet. Zusätzlich ist auch die Beckenbodenmuskulatur von dem Krampfgeschehen betroffen.
Wie bei jeder Form von Krämpfen ist auch beim Scheidenkrampf eine entsprechende Signalleitung von Nervenimpulsen an die betroffene Muskulatur für das Problem verantwortlich. Bis heute ist die genaue Entstehung des Vaginismus allerdings noch nicht vollständig geklärt, wenngleich sowohl körperliche als auch psychische Ursachen in Frage zu kommen scheinen. In diesem Zusammenhang werden auch zwei Hauptformen von Vaginismus unterschieden:
- Primärer Vaginismus – der Scheidenkrampf bestand bereits zum Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs. Hier sind meist körperliche Ursachen für das Krampfgeschehen während des Akts verantwortlich.
- Sekundärer Vaginismus – der Scheidenkrampf trat erst nach einem bestimmten Ereignis in Erscheinung. Neben körperlichen Ursachen wie einem Geburtstrauma im Bereich der Scheide, sind bei sekundärem Vaginismus auch häufig psychische Ursachen zu beobachten, wie sie bei einer Traumatisierung nach einer Vergewaltigung vorliegen.
Wissenswertes: Ein Vaginalkrampf kann nicht nur im Rahmen des Geschlechtsverkehrs auftreten, sondern grundsätzlich bei jedem Versuch, einen Fremdkörper in die Scheide einzuführen. Dies umfasst neben Akten der Selbstbefriedigung auch gynäkologische Untersuchungen mittels Spekulum.
Körperliche Ursachen für einen Scheidenkrampf
Körperliche Ursachen stellen den weniger häufigen Anteil an verursachenden Faktoren für Scheidenkrämpfe dar. Sie können schon früh in der Entwicklung des weiblichen Körpers auftreten. Ist das Jungfernhäutchen eines Mädchens zum Beispiel stark verengt und somit schwer durchdringbar, führt dies gelegentlich zu Krampfreaktionen bei der Penetration. Dies gilt sowohl für die ersten sexuellen Erfahrungen der jungen Patientinnen, als auch für gynäkologische Erstuntersuchungen und die Nutzung von Tampons.
Nun beklagen aber auch ältere Frauen mitunter einen Scheidenkrampf. Hier kann die Ursache in der hormonellen Umstellung während der Wechseljahre liegen. Das veränderte Hormongeschehen geht selten spurlos an Frauen vorüber und beeinflusst neben Psyche und Stoffwechsel auch die Muskel- und Nervenfunktion. Darüber hinaus ist eine altersbedingte Absenkung der Unterleibsorgane aufgrund einer Beckenbodenschwäche als Ursache denkbar.
Neben diesen natürlichen körperlichen Faktoren sind ferner Infektionen im Intimbereich und in den Harnwegen dazu in der Lage, einen Scheidenkrampf auszulösen. Hierzu zählen insbesondere Harnwegsinfekte wie die Blasenentzündung und Geschlechtskrankheiten wie Chlamydien. Ebenfalls zu den körperlichen Ursachen für Vaginismus zählen Geburtsverletzungen am Scheideneingang, Scheidentumore und Verwachsungen im Bereich der Scheide, etwa infolge eines chirurgischen Eingriffs.
Nicht zuletzt können körperlich bedingte Scheidenkrämpfe sogar auf Medikamente und hormonbasierten Verhütungsmittel zurückzuführen sein, da als deren Nebenwirkungen Krampfreaktionen durchaus möglich sind. Zu erwähnen währen hier vor allem hormonbasierte Verhütungsmittel wie die Pille und Arzneimittel zur Behandlung von Harninkontinenz.
Psychische Ursachen für einen Scheidenkrampf
Weitaus häufiger und auch als wesentlich kritischer zu bewerten sind Scheidenkrämpfe, die durch psychische Faktoren ausgelöst werden. Relativ harmlos wäre hier noch ein Vaginismus aufgrund kurzfristiger Belastung durch Stress oder unbegründete Angst vor dem Geschlechtsverkehr. Oft treffen aber mehrere Faktoren zusammen, die von Patientinnen zunächst gar nicht als auslösender Faktor wahrgenommen werden, in ihrer Schwere aber nicht zu unterschätzen sind.
So lassen sich die Ursachen für psychisch motivierte Scheidenkrämpfe beispielsweise oft in traumatischen Erlebnissen aus der Vergangenheit finden. Diese können von der Frau auch schon sehr früh in der Entwicklung gemacht worden sein, ohne dass sie sich noch im Detail daran erinnern kann. Hauptursachen liegen hier ganz klar in einer strengen Erziehung von Mädchen, innerhalb derer die weibliche Sexualität thematisch stets verneinend behandelt wurde und das Erkunden des eigenen Körpers ein regelrechtes Tabu war. Die Folge ist eine sexuelle Hemmung, die insbesondere beim Intimkontakt mit dem anderen Geschlecht zum Ausdruck kommt. Noch traumatischer sind natürlich Missbrauchserfahrungen oder ähnlich geartete Traumata, wie sexuelle Belästigung als Ursache für psychisch bedingte Scheidenkrämpfe. Diese können neben der Kindheit auch in jedem anderen Lebensabschnitt der Frau zu einem sekundären Vaginismus führen.
Nun sei aber erwähnt, dass die unangenehmen körperlichen Erfahrungen, welche dem sekundären Scheidenkrampf zugrunde liegen, nicht zwangsläufig mit Missbrauchsfällen oder sexueller Hemmung zu tun haben müssen. Schwere Erkrankungen im Bereich des Unterleibs oder eine traumatische Geburt können infolge der situationsbedingten Schmerzerfahrungen ebenfalls nachträglich ein Krampfleiden im Bereich der Scheide provozieren. Ebenso können sich partnerschaftliche Konflikte oder unbewusste Ängste, zum Beispiel vor einer potentiellen Schwangerschaft, als verursachende Faktoren herauskristallisieren. Ähnlich verhält es sich bei einer gestörten Selbstwahrnehmung und geringem Selbstwertgefühl. Gibt es hier beispielweise unverarbeitete Minderwertigkeitskomplexe oder ein ausgeprägtes Schamgefühl, kann die Frau Scheidenkrämpfe entwickeln. Diesbezüglich sei abermals auf eine entsprechende Erziehung im Kindesalter, aber auch auf gesellschaftlichen Druck, Mobbing und Ausgrenzung hingewiesen.
Symptome bei Scheidenkrampf
Kardinalsymptome bei Vaginismus sind krampfartige Schmerzen sowie eine reflexartige Verengung der Scheide beim versuchten Einführen eines Penis oder anderer Objekte in die Vagina. Dabei sei erwähnt, dass auch der Geschlechtspartner durchaus extreme Schmerzen an seinem Glied verspüren kann, wenn sich dieses zum Zeitpunkt der Verengung in der Scheide befindet. Die körperlichen Beschwerden sind aber nicht die einzigen Symptome im Zuge dieser sexuellen Funktionsstörung.
Wie aufgezeigt, können die Ursachen für Scheidenkrämpfe ganz vielfältig sein, und häufig liegt dem Ganzen ein multifaktorielles Geschehen zugrunde. In der Folge entwickeln betroffene Frauen einen hohen Leidensdruck, der zusätzlich zu dem schmerzhaften Krampfgeschehen auch dadurch verstärkt wird, dass sexuelle Probleme der Frau gesellschaftlich immer noch häufig als Tabuthema angesehen werden. Patientinnen trauen sich oftmals weder zu einem Gynäkologen, um die Problematik ärztlich abklären zu lassen, noch findet eine Entlastung in therapeutischen Gesprächen statt. Aus dieser psychischen Belastung, die von Scham und Angst geprägt ist, ergibt sich oft eine äußerst angespannte Furcht vor Intimitäten, was die Wahrscheinlichkeit eines Scheidenkrampfes zusätzlich erhöht.
Diagnose
Die einfachste Möglichkeit, einen Scheidenkrampf zu ermitteln, ist natürlich das offene Gespräch mit einem behandelnden Gynäkologen. An dieser Stelle seien Frauen, die sich ihres Krampfleidens schämen, klar dazu ermutigt, über ihr Problem zu reden! Denn gerade psychische Ursachen für die Erkrankung lassen sich fast ausschließlich innerhalb einer ausführlichen Anamnese zu Tage fördern. Die weitere gynäkologische Untersuchung kann die Vaginose dann unter Umständen bereits durch akute Scheidenreaktionen auf eingeführte Untersuchungsinstrumente auslösen, was dem Arzt ein erstes Bild von den körperlichen Sensibilitäten verschafft. Bleiben entsprechende Reaktionen aus, so kann die Blickdiagnose doch zumindest bei der Findung körperlicher Ursachen wie Vernarbungen, Entzündungen und Infektionen helfen. Weitere Diagnosemaßnahmen bestehen dann je nach individueller Sachlage ggf. aus Blutuntersuchungen und Abstrichen, um Krankheitserreger und Entzündungszeichen aufzudecken.
Therapie bei einem Scheidenkrampf
Die Therapie von Scheidenkrämpfen ist immer abhängig von den auslösenden Faktoren. Wichtige Voraussetzungen, und allen weiteren Schritten vorangestellt, sind natürlich ein Durchbrechen des Schweigens und ein offensiver sowie zielorientierter Umgang der betroffenen Frau mit ihrer sexuellen Störung. Denn nichts anderes ist der Scheidenkrampf. Es ist kein Tabuthema und auch nichts, für das es sich zu schämen gilt, sondern einfach eine sexuelle Funktionsstörung, die genauso behandelt werden kann und muss, wie jede andere Erkrankung. Habe Patientinnen dies erst einmal realisiert, stehen zahlreiche Behandlungsmethoden zur Verfügung, um das Probleme zu beheben.
Medikamentöse Therapie
Organische oder körperliche Ursachen können häufig sehr schnell beseitigt werden. Zum Beispiel durch die antibiotische Behandlung bei Infektionen, das professionelle Auskurieren von Geburtsverletzungen mittels Wundversorgung oder einen Präparatwechsel, sofern medikamentöse Nebenwirkungen das Problem verursachen.
Abzuraten ist dagegen von einer standardmäßigen medikamentösen Behandlung psychischer Ursachen als Auslöser der Scheidenkrämpfe. Liegt der Scheidenkrampfproblematik eine ernsthafte psychische Störung zugrunde, wie beispielsweise eine manifeste Depression oder eine Angststörung, so können Antidepressiva und andere Psychopharmaka zwar helfen, bei tiefgreifenden Traumata hat jedoch eine Gesprächstherapie Vorrang.
Achtung: Es kursieren Anwendungshinweise, die eine lokale Behandlung mit betäubenden Salben vor dem Geschlechtsverkehr empfehlen. Auch hiervon ist ohne eindeutige Absprache mit dem Arzt abzuraten, da zahlreiche Wirkstoffe, die in diesen Salben enthalten sind, die Funktionsstörung zusätzlich verschlimmern können.
Psychotherapeutische Maßnahmen
Der erste Schritt bei der Behandlung psychischer Ursachen als Auslöser für Scheidenkrämpfe ist das Wahrnehmen und Anerkennen der Störung sowie das entsprechende Handeln nach ärztlicher Anleitung. In behutsamen Gesprächstherapien können betroffene Frauen (wenn gewünscht auch unter Miteinbeziehung des Partners) die möglichen Ursachen gemeinsam mit dem Therapeuten erörtern und geeignete Behandlungsschritte besprechen. Hier kommen je nach den ursächlichen Faktoren verschiedene Möglichkeiten infrage, darunter:
- Kognitive Verhaltenstherapie,
- Gesprächstherapie,
- das Erlernen von Entspannungsmethoden,
- Traumatherapie,
- und Paartherapie.
Hausmittel und Entspannungsmaßnahmen
Im heimischen Umfeld haben Patientinnen die Möglichkeit auch selbst einiges zu tun, um die Problematik zu lindern und ihre Scheidenkrämpfe offensiv anzugehen. An erster Stelle steht hier natürlich das offene und vertrauensvolle Gespräch mit dem Partner. Der gemeinsame Entschluss, die sexuellen Schwierigkeiten anzugehen wie auch der Rückhalt des Partners, kann Frauen bereits einiges an Anspannung nehmen. Die gemeinsame Planung von Privatmaßnahmen zur Behebung der Funktionsstörungen trägt dann ihr Übriges dazu bei. Wichtig ist, dass beide Partner ihre Wünsche und Bedürfnisse offen ansprechen dürfen und Vorlieben sowie Abneigungen eingehend miteinander erörtert werden. Derartige Informationen sollten im Übrigen auch während des Geschlechtsverkehrs geäußert werden.
Zur Entspannung beitragen können in diesem Bereich zum Beispiel gemeinsame, warme Bäder als Vorbereitung auf den Akt. Weitere Rituale finden sich im Hören von entspannender Musik oder dem Genießen eines romantischen Films zu zweit bei einem Glas Rotwein oder einer aromatischen Tasse Tee in entspannter Atmosphäre.
Im Alltag sind gemeinsame Unternehmen ebenso wichtig wie feste Rückzugspunkte für jeden Partner bei aufkommendem Stress, um angespannte Situationen zu vermeiden. Losgelöst von der Partnerschaft können Patientinnen im Alltag auch selbst noch einiges zum Lösen der sexuellen Funktionsstörung beitragen. Hierzu gehören das Erlernen von Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation, das Kennenlernen und Annehmen der eigenen, weiblichen Anatomie nach vorheriger Anleitung durch einen Therapeuten und das
Durchführen von Beckenbodentraining (z.B. mit Hilfe von Vaginaldilatatoren) nach Anleitung.
Heilpflanzliche Behandlung
In der Heilkunde werden warme Sitzbäder zur Entspannung der Beckenbodenmuskulatur empfohlen. Besonders wirkungsvoll sind sie mit entkrampfenden Zusätzen wie beispielsweise Heublumen.
Operative Therapie
Unterleibstumore, Verwachsungen oder auch nicht funktionstüchtig zusammengewachsene Verletzungen können und sollten bei Scheidenkrämpfen operativ entfernt beziehungsweise korrigiert werden. Auch Absenkungen innerer Organe, eine Beckenbodenschwäche oder bestimmte Harninkontinenzformen können mittels operativer – teils sogar minimal-invasiver – Methoden behoben werden.
Krankheiten bei Scheidenkrampf
Scheidenverengung, vaginale Verwachsungen und Wunden, Scheidenentzündungen, Harnwegsinfekte, Geschlechtskrankheiten, Traumata, Stress, sexuelle Hemmung.(ma)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Daňková Kučerová, J. et al.: Vaginismus - who takes interest in it?, ceska gynekologie, (Abruf 27.08.2019), PubMed
- Rosemary Basson: Vaginismus, MSD Manual, (Abruf 27.08.2019), MSD
- Rosemary Basson: Übersicht zu Sexualfunktionen und Sexualstörungen der Frau, MSD Manual, (Abruf 27.08.2019), MSD
- Peer Briken, Michael Berner: Praxisbuch Sexuelle Störungen, Thieme Verlag, 2013
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.